Internationale Chorwoche in der Inneren Mongolei (China) 2018
Ki Adams, IFCM-Vorstandsmitglied
Ein Besuch der Inneren Mongolei klingt lange in einem nach, so wie ein gutes Tröpfchen Wein auch lange nach dem Genuss noch innerlich wärmt. Die sanften und doch kontrastierenden Farben, die einfühlsamen Seelen der Menschen, die Neugier auf alles, was auf den ersten Blick hin anders zu sein scheint … doch dann fand ich mich in der Universalität der Musik wieder! Da ich bei der ersten Auflage dieses Chorfestes im letzten Jahr mitgewirkt hatte, war ich auf das, was mich erwartete, vorbereitet, doch das Erlebte übertraf alle Erwartungen. Freundschaften sind vertieft worden, die Neugier auf chinesische Musik ist gewachsen und alles ist letztlich angenehm vertraut und zugleich aufregend neu. (Andrea Angelini, Herausgeber des International Choral Bulletin)
In diesem Sommer hat sich die IFCM mit der Kulturabteilung der Autonomen Region Innere Mongolei zusammengetan, um als Teil ihres Auftrags, die chormusikalische Ausbildung und Entwicklung weltweit zu fördern, ein wettbewerbsfreies, internationales Chorfest zu veranstalten. Rund 400 Chorsängerinnen und -sänger aus 34 Nationen und 5 Kontinenten fanden sich in der Steppe der Inneren Mongolei ein, um für Freundschaft und Kulturaustausch zu singen und um sich professionell weiterzubilden. Die diesjährige Internationale Chorwoche in der chinesischen Region Innere Mongolei (2018 China Inner Mongolia International Choral Week) fand vom 10. bis 17. Juli 2018 in Hohhot, der Hauptstadt der Inneren Mongolei, statt. Organisiert wurde sie von dem Inner Mongolia Bureau of National Art Troupes, einer ganz und gar staatlichen, nicht auf Gewinn ausgerichteten Einrichtung, die neun Kunstsparten des nationalen Musik- und Tanztheaters repräsentiert. Zu den teilnehmenden Chören zählten der Weltjugendchor 2018, sechs eingeladene internationale Chöre sowie drei chinesische Chöre:
- der Weltjugendchor 2018 (Leitung: Helene Stureborg und Jonathan Velasco)
- der Coro Arturo Beruti (Leitung: María Elina Mayorga) – Argentinien
- das Ensemble Vocal Sénior de la Salle (Leitung: Robert Filion) – Kanada
- Le Chant sur la Lowé (Leitung: Yveline Damas) – Gabun
- der Pannon Voices Choir Mixed (Leitung: Adrienne Vinczeffy) – Ungarn
- Gioventù in Cantata (Leitung: Cinzia Zanon) – Italien
- der Kammerchor der Chulalongkorn University (Leitung: Pawasut Piriyapongrat) – Thailand
- der Mongolische Jugendchor des Inner Mongolia Bureau of National Art Troupes (Leitung: Xue Wei) – China
- der Pädagogenchor Xiamen Egret Island Voices (Leitung: Lin Peirong) – China
- der Chor des Chinesischen Nationalen Sinfonieorchesters (Leitung: Wang Linlin) – China
Den Festivalauftakt bildete die Shanghai Cooperation Organization Concert Night, den Abschluss das Konzert Songs in One World: Singing across the Grasslands. Beide Veranstaltungen fanden in dem Wulan-Theater der Inneren Mongolei statt und brachten alle zehn Chöre auf die Bühne. Am Ende eines jeden Konzerts stand ein besonderes Werk für Massenchor, das speziell für diese Chorwoche, die 2018 China Inner Mongolia International Choral Week, in Auftrag gegeben worden war. Das Stück Song of Friendship and Peace wurde von allen Chören gesungen und vom Sinfonieorchester des Inner Mongolia Bureau of National Art Troupes begleitet. Die Musik stammt aus der Feder des bekannten chinesischen Komponisten Gan Lin, der Text stammt von der Präsidentin der IFCM, Emily Kuo Vong.
Konzertveranstaltungen
Fünf Tage lang waren die teilnehmenden Chöre an zahlreichen Veranstaltungsorten in Hohhot, Baotou und Erdos einzeln wie auch im Rahmen von gemeinsamen Auftritten von Chören aus dem In- und Ausland (Performances of Choirs from Home and Abroad) in unterschiedlichen Kombinationen zu hören.
Die Anzahl der Auftritte, die herausragenden Konzertsäle, die innige Berührung mit der Kultur der Inneren Mongolei sowie die Gastfreundschaft der Menschen trugen zu einem einzigartigen und unvergesslichen Erlebnis bei. Auch die Begegnung mit den verschiedenen Kulturen, die durch die Chöre aus Gabun, Thailand, Ungarn, Kanada und Italien vertreten wurden, mit denen zusammen wir einige Konzerte bestritten und Austauschaktivitäten unternahmen, war sehr bereichernd. Eine nicht weniger bedeutsame Erfahrung bot die Gelegenheit, die Musiktraditionen der Inneren Mongolei (ihre Instrumente, Trachten und Stimmen) kennenzulernen, was sich wirklich als Nahrung für die Seele erwies. (María Elina Mayorga, Coro Arturo Beruti, Argentinien)
Der Chor war hocherfreut über die Gelegenheit, eine Reise unternehmen und in einer freundlichen Atmosphäre ohne Wettbewerbsdruck singen zu können. Die Mitglieder genossen es, auf einer großen Bühne vor einer wunderschönen Kulisse in einem erstklassigen Konzertsaal zu singen. (Pawasut Piriyapongrat, Kammerchor der Chulalongkorn University, Thailand)
Es war sehr interessant, mit Chören aus anderen Ländern zusammenzutreffen. Wir waren von deren musikalischer Leistung und den traditionellen Gewändern einiger Musikensembles sehr angetan. Es war großartig, Einblick in die Chorkultur des jeweils anderen nehmen zu können. (Adrienne Vinczeffy, Pannon Voices Mixed Choir, Ungarn)
Unsere erste Begegnung mit den anderen teilnehmenden Chören fand Backstage bei der Probe für das Eröffnungskonzert statt. Wir sprachen zwar nicht dieselbe Sprache, aber die Liebe zur Musik verband uns alle. Spontan stimmten wir ein afrikanisches Lied an, und zwar „Yaya Noé“, wobei uns der Schlagwerker des italienischen Chors begleitete. Der Zauber von Musik und Freundschaft stellte sich ein. Wir gaben unser Bestes, um der Schönheit Afrikas aus unserem tiefsten Inneren heraus Ausdruck zu verleihen, und versuchten, diese vielen Stimmen aus allen Teilen der Welt mitzunehmen. (Yveline Damas, Le Chant sur la Lowé, Gabun)
Die Aussicht auf einen gemeinsamen Bühnenauftritt mit einigen der besten Chorensembles der Welt hat in uns den Wunsch entfacht, das Beste zu geben und uns zugleich von neuen Klängen und Traditionen verzaubern zu lassen. Was den pädagogischen, künstlerischen, menschlichen und kulturellen Erlebniswert anbelangt, so wurden unsere Erwartungen in jeder Hinsicht erfüllt durch den Service und die Art und Weise, wie sich die Organisation um uns kümmerte. (Cinzia Zanon, Gioventù in Cantata, Italien)
Internationales Chorforum und Internationale Meisterklassen
Neben Chorkonzerten organisierte die IFCM ein Internationales Chorforum für Chorleiterinnen und -leiter in der Region sowie an zwei Vormittagen Internationale Meisterklassen für Chorleiterinnen und -leiter, Studierende an Musikhochschulen sowie Choristen im Schulalter. Die Meisterklassen wurden von drei IFCM-Vorstandsmitgliedern (Cristian Grases, USA, Niels Graesholm, Dänemark, und Ki Adams, Kanada) sowie dem Herausgeber des International Choral Bulletin, Andrea Angelini (Italien), abgehalten.
Ich habe über Chormusik der Renaissancezeit in zwei bedeutenden italienischen Städten, nämlich Venedig und Rom, referiert. Die Wissbegier der einheimischen Musiker in Bezug auf Themen, die, so möchte man meinen, Lichtjahre von ihrer Kultur entfernt liegen, hat mich überrascht. Es stimmt wirklich: Musik verfügt über die große Kraft, unerwartete Wunder zu bewirken. (Andrea Angelini, Herausgeber des International Choral Bulletin)
Kulturelle Angebote
Während des gesamten Festivals wurde ein Exkursions- und kulturelles Begleitprogramm angeboten, das Besuche von Museen, Tempeln und Pferde-Shows beinhaltete.
Die Pferde-Show war derart spektakulär und professionell dargeboten, dass manche Mitglieder unseres Chores zu Tränen gerührt waren; der Museumsbesuch bereicherte uns mit vielen neuen Informationen über die großartige Geschichte und Kultur; der Tempelbesuch war ein beeindruckendes Erlebnis; und die fantastischen Neubauten der wachsenden und zunehmend aufblühenden Stadt Hohhot werden für immer in unserem Gedächtnis bleiben. (Adrienne Vinczeffy, Pannon Voices Mixed Choir, Ungarn)
Die Mongolei setzte uns durch ihre Schönheit und Einzigartigkeit ihrer Lieder, durch die Reichhaltigkeit der Tracht in Staunen. Besonders berührte uns eine Präsentation zur Geschichte der Inneren Mongolei mit lebensgroßen Darstellungen. In einer grandiosen Show, die einige von uns zu Tränen bewegte, wurde uns eine Tradition, die enge Verbundenheit eines ganzen Volkes mit Pferden, klar vor Augen geführt. (Yveline Damas, Le Chant sur la Lowé, Gabon)
Tour-Bausteine
Wegen der außergewöhnlichen Partnerschaft zwischen der IFCM und der Kulturabteilung der Autonomen Region Innere Mongolei wurden uns von der Gastgeberorganisation Übernachtungsmöglichkeiten, Mahlzeiten und Transportmittel für die Fahrten über Land in vollem Umfang bereitgestellt. Um uns alle Aktivitäten während der Tour zu erleichtern, wurden jedem Chor mehrere Assistenten vor Ort zur Seite gestellt, die als Dolmetscher, Reiseführer und allgemein als Betreuungskräfte fungierten.
Nach einer langen Reise, die fast 26 Stunden dauerte, kurze Zwischenstopps eingerechnet, kam unsere Gruppe aus 35 Personen in Hohhot an, der Hauptstadt der Inneren Mongolei, und wurde von unseren zwei Reiseführern empfangen: einer lächelnden jungen Dame und einem großgewachsenen Mann, komplett in mongolischer Tracht gekleidet, einem majestätischen Gewand mit einem wunderschönen Gürtel und Lederstiefeln. Durch ihr einladendes Lächeln und die Aussicht, in einem echten Bett (!) ruhen zu dürfen, fühlten wir uns sogleich besser und gut aufgehoben. (Yveline Damas, Le Chant sur la Lowé, Gabun)
Die Kosten waren gering, da wir nur für unsere eigenen Flugtickets aufkommen mussten. Die Organisatoren haben wirklich bestens für uns gesorgt. Das Essen war köstlich und das Hotel für Menüvorschläge offen. Es war offensichtlich, dass die Organisatoren in dem Bemühen, uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, über sich hinauswuchsen, und so brauchten wir uns nur darauf zu konzentrieren, bei unseren Auftritten eine gute Gesangsleistung zu präsentieren. Der für unseren Chor zuständige Dolmetscher und Ansprechpartner leistete beim Übersetzen und Organisieren wirklich hervorragende Arbeit. Wir hatten uns darauf eingestellt, für alles sehr offen und flexibel zu sein, so dass wir keine ernstlichen Probleme hatten. Alles verlief ziemlich glatt. (Pawasut Piriyapongrat, Chulalongkorn University Chamber Choir, Thailand)
Das nette Hotel, die fantastischen, köstlichen und begeisternden Gerichte sowie die netten kleinen Gaumenfreuden, mit denen die Küche uns in unseren Zimmern nach den Konzerten aufwartete, trugen allesamt zu einem unvergesslichen Erlebnis bei und ließen den Wunsch aufkommen, dieser faszinierenden Stadt irgendwann noch einmal einen Besuch abzustatten. (Adrienne Vinczeffy, Pannon Voices Mixed Choir, Ungarn)
Die IFCM hat sich dem Ziel verschrieben, internationale Chorveranstaltungen ins Leben zu rufen und zu organisieren, die das Potential haben, die Sicht zu ändern, die Menschen auf andere Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen und Traditionen haben. Die Sängerinnen und Sänger, die an der Internationalen Chorwoche 2018 in der Inneren Mongolei teilnahmen, kehrten in vielerlei Hinsicht bereichert zurück: mit neuem Wissen über andere Kulturen, neuem Verständnis für einander, mit einer neuen Wertschätzung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten, mit neuem Chorrepertoire aus anderen Musiktraditionen und mit neuen Freunden über die ganze Welt verteilt.
Kultureller Austausch fördert die gegenseitige Wertschätzung, und künstlerischer Austausch lässt sich durch gegenseitiges Lernen erreichen. Als der Weltjugendchor „Eight Chestnut Horses“ und „The Moon Represents my Heart“ erklingen ließ, der Pädagogenchor Xiamen Egret Island Voices „Pastoral“ vortrug und alle zusammen „Beautiful Pairie“ und „My Sweet Home“ sangen, da spürten wir, als Chormusiker, allesamt die Faszination von Musik ohne Grenzen, den Reiz der kulturellen Durchdringung. Wir hoffen wirklich, dass uns zukünftig die Ehre zuteilwird, mehr Freunde aus fünf Kontinenten einzuladen, um uns mit noch mehr wunderbaren Stimmen zu erfreuen, und dass es uns möglich sein wird, die Stimmen der Inneren Mongolei in die Welt zu tragen. (Wuyuntana, Mongolian Youth Choir des Inner Mongolia Bureau of National Art Troupes, China)
Die China Inner Mongolia International Choral Week findet erneut im Jahr 2019 statt. Cristian Grases beschreibt im Folgenden, was er in Hohhot in diesem Sommer erlebt hat und wie er darüber nachsinnt, wie er Ihren Chor im nächsten Sommer in die Innere Mongolei bewegen kann.
Jede Region in der Welt hat ihren eigenen Stolz. Die Menschen sind mit ihrer Landschaft, ihren Speisen, ihrer Architektur, ihrer Musik, ihren Tänzen, ihren Handwerkskünsten, ihrer Geschichte und ihrem Kulturerbe, usw. innig verbunden. Tatsächlich sind die Menschen einer bestimmten Region genau deshalb so, wie sind, weil sie eine lebendige Verkörperung der Summe all dieser regionalen Bestandteile des Lebens darstellen. Immer wieder ist von der „Kultur“ einer Region die Rede, wenn es darum geht, dieses Phänomen zu benennen. Jede und jeder von uns hat ihre bzw. seine eigene. Diesen Sommer war es mir vergönnt, die Kultur der Inneren Mongolei kennenzulernen. Ich war begeistert von dem reichhaltigen kulinarischen Angebot, das uns bei jeder Mahlzeit dargeboten wurde, ich habe mich in der Schönheit der Landschaft verloren, ich fühlte mich in dem Glück und der Lebensfreude der Menschen widergespiegelt, ich war von der innigen Beziehung zwischen ihnen und der Natur und den historischen Bindungen zwischen ihnen und Pferden berührt, und vor allem war ich von der Tiefe ihrer Lieder fasziniert. Die Menschen waren liebenswerte, freundliche und hervorragende Gastgeber. Sie waren zudem sehr wissbegierig, was andere Kulturen anbelangte, und es war mir als Lateinamerikaner eine Freude, ihnen einige Aspekte meiner Kultur nahebringen zu können. Dieser kulturelle Austausch mündete im Nu in Freundschaft. Ich hoffe, dass viele Ensembles in der Welt erwägen, an diesem wunderbaren Festival teilzunehmen, um ihre Kultur dem Volk der Inneren Mongolei großzügig nahezubringen. Seien Sie darauf gefasst, dass Sie, einmal in die Kultur dieses Volkes eingetaucht, tiefgreifend verändert hervorgehen werden! (Cristian Grases, Mitglied des Geschäftsführenden Präsidiums der IFCM)
Halten Sie Ausschau nach dem Aufruf zur Teilnahme an dieser Chorwoche, der bald auf der IFCM-Website sowie in den IFCM eNEWS erscheinen wird. Sie werden nicht enttäuscht sein!
Übersetzt aus dem Englischen von Petra Baum, Deutschland
Ki Adams stammt aus Birmingham, Alabama (USA) und ist ehrenamtlicher Forschungsprofessor an der Universität von Neufundland (Kanada), wo er 25 Jahre lang Musik und Musikerziehung unterrichtet hat. Derzeit ist er Vorstandsmitglied der IFCM und Schatzmeister der Weltjugendchorstiftung. Er ist Gründer und Kodirektor des Singing Network, eines Kollektivs, das Stimm-, Gesang- und Chorevents organisiert, u.a. Ateliers, Seminare, Meisterklassen und Gespräche, sowie das alle zwei Jahre stattfindende internationale Symposium über Gesang und Gesänge.
E-Mail: kiadams@mun.ca