Ars Choralis 2012

Andrea Angelini, IFCM Managing Editor und Chorleiter

 

Die erste Frage, die einem einfällt, wenn man Branko Starc begegnet, ist, wie zum Teufel  dieser Mensch, dieser vielseitige Musiker, es nur geschafft hat, auf so professionelle Weise ein Symposion für Chormusik vorzubereiten und durchzuführen. Wir alle wissen, dass die schwierige Zeit, in der wir leben, für künstlerische und insbesondere musikalische Veranstaltungen nicht gerade hilfreich ist: wie viele Veranstaltungen werden geplant und aus Mangel an finanzieller Unterstützung wieder abgeblasen. Aber Branko ist ein Visionär! Sein Engagement und seine Willenskraft sind zu einer siegreichen Waffe geworden, gegen die das Schreckgespenst der Krise nichts ausrichten kann.

 

Download the full booklet of 'Ars Choralis 2012'
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Und so bin ich also in Zagreb, um als Zuschauer, aber auch als Vertreter des IFCM sowie als Dozent mit einem Vortrag über die “Chormusik im Venedig der Renaissance” teilzunehmen an diesen drei Tagen völligen Eintauchens in die Ars Choralis – welch schöner lateinische Begriff,  um  die künstlerische Ausdrucksform zu definieren, die uns so sehr am Herzen liegt.

Zagreb ist eine Stadt, die einen auf den ersten Blick gefangennimmt! Die Bevölkerung besteht großenteils aus jungen Leuten, wahrscheinlich wegen der berühmten Universität, aber wohl auch weil, wie es in den neuen Ländern des ehemaligen “Ostblocks” so oft der Fall ist, der Unterschied zwischen dem Leben in der Hauptstadt und im Hinterland so ausgeprägt ist. Die Stadt besitzt noch einige interessante Baudenkmäler, die sich vor allem auf die Oberstadt konzentrieren, wo eine schöne gothische Kathedrale (die aber später umgebaut wurde) erhaben über der umliegenden Landschaft thront. Neben der Kathedrale befindet sich  ein Gebäudekomplex, der der bischöflichen Kurie der Hauptstadt gehört. Im Wesentlichen handelt es sich um kürzlich gebaute Wohnungen, die für Theologiestudenten gedacht sind, sich bei Gelegenheit aber in ein komfortables Hotel verwandeln, das alle für einen Kongress wichtigen Einrichtungen besitzt, wie z.B. einen großen Saal, der mit allen nur denkbaren technischen Finessen ausgestattet ist. Genau dieser Saal war der Treffpunkt so vieler Musiker, die sich aus fast aller Welt in Zagreb eingefunden hatten, um am Symposion teilzunehmen. Nun ja, weil ich euch an diesem Punkt schon alle stöhnen höre “o.k., fang doch endlich an, vom Symposion zu erzählen”, schweife ich nicht länger ab und komme gleich zum Kern,  zum Nukleus der Geschichte…

 

Registration desk in the beautiful ‘nadbiskupijski pastoralni institut’ in Zagreb
Registration desk in the beautiful ‘nadbiskupijski pastoralni institut’ in Zagreb

 

Es ist gleich vorauszuschicken, dass die Zusammenkunft zwei berühmten kroatischen Musikern gewidmet war, die 2011 gestorben sind, Dinko Fio[1] und Ljubo Stipišić Delmata.[2] Insofern von einem musikalischen Nationalismus inspiriert, auf den die Kroaten traditionellerweise so stolz sind, spielten sich die Tage mit einer ganzen Reihe von Themenstellungen ab, die allesamt mit Chormusik zu tun hatten: Gesangspädagogik, Chorleitung, Gesangskunst, Interpretation, Komposition, Analyse, Kirchenmusik, technische Hilfsmittel in der Musik, Gehörschulung, historische Aspekte… Jedes Thema wurde in Form eines Vortrags oder einer Meisterklasse von einem Experten behandelt. Von den vielen Kollegen, die sich bei dieser Gelegenheit hier versammelt hatten, möchte ich Thomas Caplin (Schweden/Norwegen), Christian Herbst (Österreich), Ursula Geisler (Schweden), John Hooper (Kanada), Harald Jers (Deutschland), Gabor Móczar (Ungarn), Martina Spiritova (Tschechische Republik), Johan Sundberg (Schweden), Jennifer Tham (Singapur), Jonathan Velasco (Philippinen) und Suzana Turku (Albanien) herausheben. Die Liste könnte natürlich fortgesetzt werden mit einer Reihe anderer bekannter Experten aus Kroatien und anderen Ländern, die zu erwähnen ich mich nur aus Platzgründen nicht traue. Für eine detaillierte Liste aller Veranstaltungen und Spezialisten verweise ich auf die Webseite des Symposions, www.huz.hr oder www.choralcroatia.com. Es macht Freude festzustellen, dass Ars Choralis 2012 es verstanden hat, die wichtigsten offiziellen Vertreter der Chormusik auf internationaler Ebene mit ins Boot zu holen, wie z.B. die ‘European Choral Association – Europa Cantat’ und die ‘International Federation for Choral Music’. Es wäre interessant gewesen, wenn auch andere offizielle kroatische Chorgemeinschaften vermehrt teilgenommen hätten, aber wie wir alle wissen,  gilt der Prophet nichts im eigenen Lande.

 

A lecture by Jonathan (JoJo) Velasco
A lecture by Jonathan (JoJo) Velasco

 

Eine besonders schöne Veranstaltung während der Tage des Symposions war das Konzert, das den Teilnehmern und der Stadt von einigen lokalen Chören und der fantastischen Vokalgruppe ‘Nordic Blue’ unter der künstlerischen Koordinierung von Thomas Caplin geboten wurde. Krönender Abschluss des Konzerts war der seiltänzerische Akt von Branko Starc, der es vom Klavier aus verstand, alle Chöre und das anwesende Publikum für das Mitsingen von ‚We move the World’, der Hymne des Symposiums, zu begeistern.

Am Schluss wurde der Mitarbeiterstab von Branko, der aus Bojan Pogrmilović, Ivana Jaklin, Tomislav Čekolj, Snežana Ponoš und vielen anderen bestand, auf die Bühne gerufen, um den verdienten Applaus als Krönung für die viele Mühe zu empfangen, der es bedurfte, um eine perfekte Organisation zu garantieren. Von ganzem Herzen ein Dankeschön an alle für die viele Energie, die zur Erhaltung einer Initiative eingeflossen ist, die den Fortbestand von Ars choralis im weitesten Sinne sichert. Auf ein Wiedersehen bei der nächsten Ausgabe, im April 2014.

 

Branko Starc and the staff of ‘Ars Choralis 2012’
Branko Starc and the staff of ‘Ars Choralis 2012’

 


[1] Dinko Fio (1924-2011), kroatischer Komponist, siehe http://goo.gl/uLUYI

[2] Ljubo Stipišić Delmata (1938-2011), kroatischer Komponist, siehe http://goo.gl/k2rwy

 

 

Andrea AngeliniAndrea Angelini studierte Klavier und Chorleitung. Er führt ein intensives künstlerisches Leben an der Spitze mehrerer Chöre und Kammermusikgruppen. Seine besondere Kompetenz auf dem Gebiet der Renaissance-Musik nutzt er weltweit für Workshops und Seminare und er wird häufig als Juror für die wichtigsten internationalen Chorwettbewerbe angefragt. Gemeinsam mit Peter Phillips hat er mehrere Jahre beim Internationalen Kurs für Sänger und Chorleiter in Rimini gelehrt. Er ist künstlerischer Leiter des Voci nei Chiostri Chorfestivals und des Internationalen Chorwettbewerbs in Rimini. Seit 2009 ist er Chefredakteur des ICB. Als Komponist wird er von Gelber-Hund, Eurarte, Canticanova und Ferrimontana verlegt. E-mail: aangelini@ifcm.net

 

 

Übersetzt von Reinhard Kißler, Deutschland

Edited by Gillian Forlivesi Heywood, Italy