The Bach Choir – 140 Jahre aktives Musizieren

Von Nick Cutts

 

2016 ist ein besonderes Jahr für The Bach Choir, markiert es doch einen weiteren Meilenstein in der Geschichte des Londoner Bach-Chores: 1876 von Otto Goldschmidt gegründet, darf der Chor, der in seinem ersten Konzert Bachs h-Moll-Messe erstmals in England zur Aufführung brachte, in diesem Jahr auf 140 Jahre aktives Musizieren zurückblicken.

The Bach Choir in seiner heutigen Formation unterscheidet sich erheblich von dem Chor, der 1876 ins Leben gerufen wurde und seine Mitglieder aus der Oberschicht auf der Grundlage einer Empfehlung anstelle eines offenen Castings rekrutierte. Heute sind mindestens 30 % der aktiven Mitglieder unter 30, ist die Aufnahme nur nach erfolgreichem Vorsingen möglich und bietet ein Studentenförderprogramm jüngeren Sängerinnen und Sängern die Möglichkeit einer Mitgliedschaft im Chor. Dieses zukunftsweisende Förderprogramm, das von aktiven Chormitgliedern auf freiwilliger Basis getragen wird, ermöglicht es seit nunmehr 5 Jahren, die Freude am Singen auch mit Kindern zu teilen, denen die Chance der Teilhabe sonst verwehrt bliebe.

Es hat sich viel getan in den vergangenen 140 Jahren. Was stets unverändert blieb und nach wie vor Bestand hat ist die Aufgabe, der sich der Chor seit Beginn verschrieben hat, nämlich die Aufführung großer Chorwerke. Und so stehen die wohl bedeutendsten zwei Chorwerke von Bach – die h-Moll-Messe und die Matthäuspassion – im Mittelpunkt unserer Programmgestaltung. Die Feierlichkeiten anlässlich des Jubiläums finden ihren Höhepunkt in einer Aufführung der h-Moll-Messe in der Royal Festival Hall im Southbank Centre am 5. Juni 2016 um 19.30 Uhr mit Susan Gritton, Iestyn Davies, Ed Lyon und Neal Davies als Solisten sowie dem herausragenden, auf historischen Instrumenten musizierenden Kammerensemble Florilegium. Es dirigiert David Hill, der seit nunmehr 18 Jahren die musikalische Leitung des Chores innehat.

Seinen Erfolg verdankt der Chor maßgeblich David Willcocks, der 38 Jahre lang für die musikalische Leitung verantwortlich zeichnete und im September 2015 im Alter von 95 Jahren leider verstarb. Ihm verdanken wir den Wandel, den der Chor vollzogen hat; unter seiner Leitung zeigte der Chor Spitzenleistungen auf einem neuen Niveau. Kurz nach seiner Einsetzung im Jahre 1960 machte sich David Willcocks daran, dem Chor neue Wege aufzuzeigen. Mit Honeggers König David und Howells Hymnus Paradisi setzte er bereits in seiner ersten Saison neue Akzente in der Programmgestaltung; dem folgten in der zweiten Saison Sea Drift von Delius, die Glakolitische Messe von Janáček sowie die Vision of Judgement von Fricker. Dank seiner Beziehungen und Freundschaft mit Benjamin Britten sang The Bach Choir die Decca-Ersteinspielung des War Requiems. Diese Aufnahme gilt noch heute als die bahnbrechende Referenzaufnahme. Viele weitere Einspielungen folgten, hierin eingeschlossen Aufnahmen von The Bach Choir als Background-Chor für Marianne Faithfull oder die Rolling Stones. Der Chor wurde immer gefragter und geschäftiger und begann auch außerhalb von London aufzutreten, indem er Einladungen annahm und an Auslandstourneen teilnahm.

Der musikalische Beitrag, den Sir David Willcocks leistete, war von unschätzbar hohem Wert, und so widmet ihm The Bach Choir als eine besondere Hommage die Aufführung der Matthäuspassion am 20. März 2016 in memoriam. Die Tradition des Chores, dieses Werk am Passions- oder Palmsonntag in der Royal Festival Hall aufzuführen, reicht bis in das Jahr 1930 zurück, und seitdem hat diese Veranstaltung einen festen Platz im Londoner Musikkalender. In diesem Jahr übernimmt Toby Spence den Part des Evangelisten und ist Matthew Best als Christus zu hören. Weitere Ausführende unter der Stabführung von David Hill sind Sophie Bevan, Jennifer Johnston, Nicky Spence und Brindley Sherratt, das Ensemble Florilegium sowie ein Ripieno-Chor, der sich aus Schülerinnen aus London und dem Londoner Umland zusammensetzt.

 

Übersetzt aus dem Englischen von Karin Petra Baum, Deutschland