CD-Rezension: This Love Between Us - The Elora Singers

CD-Rezension von T. J. HARPER, D. M. A.

This Love Between Us
The Elora Singers
Mark Vuorinen, Chorleiter
Maureen Forrester Recital Hall
Wilfrid Laurier University, Waterloo, Ontario, Kanada
(2020, 53’ 48”)
www.elorasingers.ca

Es kommt nicht oft vor, dass eine Choraufnahme es schafft, die überwältigende Bandbreite universeller Themen zu erfassen und gleichzeitig die humanitären Krisen in den Blickpunkt zu rücken, unter denen Frauen und junge Mädchen auf der ganzen Welt aufgrund der im Rahmen der Kolonialisierung inhärenten Gewalt leiden. Das völlig Neue an dieser Aufnahme sind die zutiefst beeindruckenden kompositorischen Stimmen der indisch-amerikanischen Komponistin Reena Esmail und der Komponistin der Odawa First Nation, Barbara Croall.

In This Love Between US ist es dem Chorleiter Mark Vuorinen gelungen, die emotionale Substanz, die durch die musikalischen Inhalte von Reena Esmail vermittelt wird, gekonnt einzufangen: This Love Between Us; Prayers for Unity, Track Nr. 1-7; und Barbara Croall: Giishkaapkag (Where the Rock is Cut Through), Track Nr. 8. Von den Elora Singers am 29. und 30. Juli 2019 in der Maureen Forrester Recital Hall an der Wilfrid Laurier University in Waterloo (Ontario, Kanada) aufgenommen, webt dieses jüngste Projekt von Mark Vuorinen einen prägnanten, dichten Klangteppich aus scheinbar grundverschiedenen Sprachen, religiösen Traditionen und musikalischem Kulturerbe.

 

This Love Between Us: Prayers for Unity
Die indisch-amerikanische Komponistin Reena Esmail
Ausgehend von den sieben großen religiösen Traditionen Indiens (Buddhismus, Sikhismus, Christentum, Zoroastrismus, Hinduismus, Jainismus und Islam) präsentiert die indisch-amerikanische Komponistin Reena Esmail mit This Love Between Us eine große Vision für die Einheit der verschiedenen Glaubenstraditionen in Indien. Esmail, die danach strebt, „Gemeinschaften durch die Schaffung gleichberechtigter musikalischer Räume zusammenzubringen“, schafft effektiv eine prismatische Gegenüberstellung, innerhalb derer das Konzept der Einheit als allgegenwärtige Kraft für Wohlwollen und Bejahung umgesetzt wird. Im Gegensatz zu früheren kompositorischen Versuchen, eine zusammengesetzte musikalische Erfahrung durch die Verwendung von Religion und/oder vertrauten Texten zu schaffen (z.B. The Armed Man von Karl Jenkins oder Requiem for Peace von Larry Nickel), beleuchtet This Love Between Us behutsam unsere Gemeinsamkeiten durch die Dualität westlicher und östlicher musikalischer Traditionen und integriert erfolgreich die multidimensionale Perspektive von sieben scheinbar unvereinbaren Glaubenstraditionen in einer künstlerischen Stimme.

Die sieben Sätze dieses aufschlussreichen und oft feierlichen Werkes ziehen die Zuhörer ausdrücklich in die Erfahrung hinein. Dies geschieht durch einen Prozess, den die Komponistin als eine simultane Verbindung beschreibt, bei der „jeder einzelne Text auf Englisch und in seiner Originalsprache verfasst ist…, damit man die Schönheit des Originals hören und seine Bedeutung durch die Übersetzung erfassen kann“. Esmail verstärkt dieses Konzept weiter, indem sie indische und westliche klassische Kompositionsstile, Techniken, Traditionen und Instrumentierung (Sitar und Tabla mit Barockorchester) kombiniert. Diese Verschmelzung der Stile zeigt sich deutlich in Track V. Hinduism, in dem die Sitar dramatisch im Vordergrund steht, und in Track VI. Jainism, in dem bewegte Rhythmen eingesetzt werden, die durch die Tabla und die Orchesterbegleitung erzeugt werden.

Die humanistische Kernaussage im Zentrum dieses Werkes liegt in den impliziten Botschaften des ausgewählten Textes, die unser universelles „Eins-Sein“ bestätigen. Sie erkennen aber auch die allgegenwärtigen Schwierigkeiten an, mit denen wir alle konfrontiert sind, wenn wir lernen, diejenigen anzunehmen, die anders sind als wir, deren Glaubenstraditionen uns fremd sind und mit denen wir nicht übereinstimmen. Als Antwort darauf erinnert Esmail die Zuhörer daran, sich auf die letzten ermutigenden Zeilen dieses Werkes, die von dem persischen Dichter Rumi stammen, zu besinnen:  „Konzentriere dich auf das Wesentliche. Konzentriere dich auf das Licht.“

 

Die Textquellen für jeden Track sind hier aufgelistet:

  • Track I. Buddhism: aus dem Dhammapada (buddhistischer Text) (Danda Vagga – 10:129-132) (Englisch und Pali)
  • Track II Sikhism: aus dem Guru Granth Sahib (S. 1238) (Englisch und Gurumukhi)
  • Track III Christianity: Römer 13:8-13 (Bibel) (Englisch und Malayalam)
  • Track IV Zoroastrianism: vom Pahlavi Rivayat (8a8) (Englisch und Pahlavi)
  • Track V. Hinduism: ISA Upanishad (Verse 6-7) und Ausschnitte aus Kabir (Englisch und Hindi)
  • Track VI Jainism: aus dem Acharanga Sutra (Jain-Text) (Teil 3: Vortrag 15) (Englisch und Adha Maghadi)
  • Track VII Islam: Rumi (zusammen mit bekräftigenden Sätzen in anderen Religionen)

 

Giishkaapkag (Where the Rock is Cut Through, 2019)
Komponistin der Odawa First Nation, Barbara Croall
Das Konzept der Einheit durch die sorgfältige Verbindung von Musikstilen und kulturellen Traditionen ist in dem Stück Giishkaapkaag (Where the Rock is Cut Through) der Komponistin Barbara Croall, die der Odawa First Nation angehört, besonders deutlich zu erkennen. Doch im klaren Gegensatz zu den grundsätzlichen Inhalten, die in der Musik von Reena Esmail thematisiert werden, konfrontiert Barbara Croall unser kollektives stilles Einverständnis mit unverhohlener Empörung über die Gewalt, die Frauen und Mädchen jahrhundertelang immer wieder angetan wurde. Die thematischen Kontraste werden hörbar durch die Verwendung einer traditionellen Zedernflöte oder Pipigwan, die von der Komponistin auf dieser Aufnahme vor dem Hintergrund intermittierend einsetzender klassischer Orchesterbesetzung gespielt wird.

In den Erläuterungen zu Giishkaapkaag (Where the Rock is Cut Through) schreibt Barbara Croall:

„Als Nishinaabeg kennen wir die Felsen als die ältesten Wesen seit der Erschaffung dieser Erde. Wenn die Felsen…geschändet werden, dann bedeutet das Gewalt gegen das Weibliche in der Schöpfung. Durch die Kolonisierung haben viele Frauen und Mädchen…unzählige Wellen von Gewalt erlitten, sind verschwunden…und gestorben…aufgrund der vielen vergangenen und andauernden Verletzungen von Shkakmigkwe (Mutter Erde). Die Felsen legen Zeugnis davon ab und sprechen zu uns.“

Die frenetische Natur dieses Werkes drückt offen die „Gewalt gegen das Weibliche in der Schöpfung“ sowie die sehr reale Gewalt gegen Frauen und Mädchen aus. In gleichzeitigen und anhaltenden Iterationen viszeraler Vokalisierungen durch den Chor hören wir die Stimmen von Frauen und Mädchen, den Klang von Lachen, Natur, Vögel, Herzschlag, Klapperschlangen und Wölfen. Schließlich legen die Felsen von allem Zeugnis ab und die „alten Stimmen, die die Zeit überwinden, tönen aus diesen Felsen“ und sprechen zu uns. Barbara Croall erinnert uns daran, dass wir uns selbst entscheiden müssen zuzuhören.

Die Elora Singers sind ein professioneller Kammerchor, der 1980 gegründet und sowohl für die Grammys als auch für die kanadischen JUNO Awards nominiert wurde. Sie haben einen etablierten Ruf als einer der besten Kammerchöre in Kanada mit einem Engagement für kanadisches Repertoire und zwölf Veröffentlichungen auf dem NAXOS-Label. Die Elora Singers sind bekannt für ihren „vollen, warmen Klang und die Klarheit der Klangstruktur…und die Zusammenarbeit mit anderen kanadischen und internationalen Künstlern.“ Der Chorleiter Mark Vuorinen ist außerdem künstlerischer Leiter des Waterloo Regions Grand Philharmonic Choir, sowie außerordentlicher Professor und Lehrstuhlinhaber für Musik am Conrad Grebel University College der University of Waterloo.

 

T. J. Harper ist außerordentlicher Professor für Musik, Leiter der Chorabteilung und Lehrstuhlinhaber des Fachbereichs für Musik an der Loyola Marymount University in Los Angeles, Kalifornien. Er leitet die drei Chorensembles der Universität und bietet Kurse in Dirigieren, Chormethoden für den Sekundarschulbereich, Dirigieren und Gesang an. Dr. Harper hält den Doktortitel in Musikwissenschaften (Doctor of Musical Arts) der University of Southern California, wo er mit Auszeichnung abschloss. www.harpertj.com

 

Übersetzt aus dem Englischen von Astrid Fieß, UK