Erfolg auf ganzer Linie: Chöre der Begeisterung
Einige Gedanken zur 7. Veranstaltung der World Choir Games (WCG) in Cincinnati
Aurelio Porfiri, Chordirigent und Chorlehrer
Zwischen dem 4. und 14. Juli wurde Cincinnati, die „Königin des Westens“ (wie die Amerikaner sie gerne nennen), von ca. 15 000 Sängern aus 64 Ländern und 362 unterschiedlichen Chören anlässlich der 7. Veranstaltung der World Choir Games erstürmt. Diese Veranstalung war ein Meilenstein der Geschichte, denn sie war die erste vergleichbare in Nordamerika, einem Land mit weitreichenden Traditionen auf dem Gebiet der Chormusik.
Ohne Zweifel war das Event in vielerlei Hinsicht ein voller Erfolg. Zuerst sollte man sich der großen Mühen bewusst werden, die die Stadt Cincinnati auf sich genommen hat. Ich habe wirklich das Gefühl, dass jeder einzelne Bewohner der Stadt bei der Organisation dieses großartigen Events geholfen hat: Überall waren Reklamen zu den Spielen zu sehen. Zahlreiche Freiwillige standen den Chormitgliedern und anderen Teilnehmern in jeglicher Hinsicht mit Rat und Tat zur Seite, und auch die Stadtbewohner haben sich alle Mühe gegeben, die Teilnehmer bestmöglich zu unterstützen und ihnen den Weg zu weisen. Alle Veranstaltungsorte während des Wettbewerbs waren zu Fuß erreichbar. Was – selbst für jemand wie mich mit langjähriger World Choir Games-Erfahrung – besonders war, waren die meist ausverkauften Veranstaltungsarenen. Ich habe so etwas noch nie zuvor erlebt, aber hier kommen hunderte von Menschen während der 11 Veranstaltungs-tage zusammen und agieren als Publikum (und kaufen Tickets). Das ist eine ganz besondere Erfahrung sowohl für die Chorsänger als auch die Preisrichter (die von allen Teilen der Erde kommen). Anhand einer Studie, die 2010 freigegeben wurde, hat das Wirtschaftliche Institut für Bildung und Wissenschaft an der Universität von Cincinnati bestätigt, dass die WCG mit über 70 Millionen US $ (ca. 55 Mio. EUR) beträchtlich zum wirtschaftlichen Umsatz der Stadt beitragen würden. Meiner Meinung nach gilt der Dank für diesen Erfolg vor allem allen Beteiligten, für ihren unermüdlichen Einsatz während des Wettbewerbs. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass die Stadt Cincinnati größtes Lob für die Organisation der Veranstaltung verdient. Das mag der Grund sein, warum die Stiftung Interkultur, die seit jeher die Gestaltung und Organisation der World Choir Games übernommen hat, zu dem Entschluss gekommen ist, vor Ort eine dauerhafte Niederlassung einzurichten, um auch andere Veranstaltungen auf dem Gebiet der Chormusik künftig unterstützen zu können. Das große Aufkommen an Sängern sowie der Einsatz der Stadt sind dankenswert, jedoch gilt mein Dank für diese Veranstaltung noch so vielen weiteren. Zum Beispiel wurden mehr als 40 Workshops organisiert, geleitet von Referenten aus aller Welt. Sie haben über Themen informiert, die mit dem breiten Spektrum der Chormusik zusammenhängen. Außerdem kamen wir in den Genuss von Spezial-Veranstaltungen und Freundschaftskonzerten.
Von künstlerischer Seite aus betrachtet war diese Veranstaltung höchst interessant. Die Chöre treten sich im Wettkampf in zwei verschiedenen „Sparten“ gegenüber: entweder im freien Wettstreit oder im Meisterschaftswettkampf. Am freien Wettstreit können alle Chöre teilnehmen; im Meisterschafts-wettkampf konkurrieren lediglich die Chöre, welche bereits vorangehende Interkultur-Veranstaltungen gewonnen oder eine andere besondere Leistung bewiesen haben. Auch im freien Wettstreit haben wir hervorragende Chöre gehört. Chöre, die sich vielleicht der anspruchsvolleren Kategorie der Meisterschaft noch nicht ganz gewachsen sehen, aber jetzt schon einen besonders hohen Grad an Technik und Kunst beweisen. Beim Blick auf die Gesamtzahl an Medaillen wird klar, dass der Gewinner der diesjährigen WCG Amerika ist, mit insgesamt 76 Medaillen, gefolgt von China (einschließlich Hong Kong) und Indonesien. An vierter und fünfter Stelle sind Russland und Südafrika. Aber Zahlen sind nicht die ganze Wahrheit. Tatsächlich hat Amerika vorrangig in Kategorien Erfolge erzielt, die geschichtlich mit dem Land assoziiert werden, wie zum Beispiel der Gospel, Spirituals, Showchöre und Barbershop-Gesang. Auf tiefergehender Ebene muss jedoch der gesangliche Fortschritt der chinesischen Chöre genannt werden, die zwar den zweiten Platz nach Amerika innehaben, deren Gesamtzahl an Goldmedallien aber mit insgesamt 30 den Vereinigten Staaten um 7 vorausliegt (23). Wenn ich mich an die WCG in Xiamen im Jahr 2006 und an das fachliche Können der chinesischen Chöre zur damaligen Zeit zurückerinnere, möchte ich behaupten, dass sie extrem schnelle Fortschritte verzeichnen. Einige der Chöre aus China haben sehr großes Können unter Beweis gestellt und Programme gewählt, die sich an ein internationaleres Publikum wenden als in der Vergangenheit. Der dritte Platz Indonesiens, eines Landes mit dynamischer Chorentwicklung, die Früchte trägt, ist wohl am überraschendsten. Die wachsende Stärke der Chöre Südafrikas konnte in diesem Wettbewerb auch bezeugt werden. Einige der Chöre aus Südafrika haben ein erstaunliches Talent gezeigt, das auch in Zukunft Bestand haben wird.
Abschließend möchte ich sagen, dass die Welt der Chormusik vor allem jetzt feststellen wird, wie sich die Stiftung Interkultur, eine treibende Kraft in der Welt des modernen Chorgesangs, auf diese erfolgreiche Erfahrung stützen kann. Und wie sich Interkultur in Zusammenarbeit mit den anderen Größen in der Welt der Chormusik nach der Organisation eines derartig umfangreichen Events sowohl intern als auch extern weiterentwickeln wird. Die 8. Veranstaltung der WCG wird in Riga stattfinden. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Trends des diesjährigen WCG-Wettbewerbs fortsetzen, oder ob neue Kräfte am Werk sein werden, die die Zukunft der Chormusik mitgestalten werden. Der Wettbewerb findet in nur zwei Jahren statt, im Jahr 2014. Wir freuen uns auf neue Champions.
Aurelio Porfiri ist sowohl Chorleiter als auch Komponist an der Santa Rosa de Lima Schule (Macao, China), Musikdirektor an der Our Lady of Fatima Mädchenschule (Macao, China), Gastdirigent in der Abteilung Musikerziehung am Konservatorim in Shanghai (China) sowie Künstlerischer Leiter des Verlags Porfiri & Horvath (Deutschland). Seine Kompositionen werden in Italien, Deutschland und den USA veröffentlicht. Er hat bei der Veröffentlichung von mehr als 200 Artikeln zum Thema Chor- und Kirchenmusik mitgewirkt. Außerdem ist er Autor von 5 Büchern. Seine E-Mail-Adresse lautet: aurelioporfiri@hotmail.com
Übersetzt von Magdalena Lohmeier, England