Choralis Constantinus 1508 - Heinrich Isaac in Konstanz
Besprochen von Tobin Sparfeld
Man könnte erwarten, dass ein klassisches Album mit zahlreichen Weltersteinspielungen Musik aus jüngerer Zeit enthält. Bei dieser Aufnahme von Motetten aus Heinrich Isaacs Choralis Constantinus werden jedoch Werke erstmals eingespielt, die vor über 500 Jahren veröffentlicht wurden.
Der frankoflämische Komponist Heinrich Isaac (1450-1517) war einer der produktivsten Komponisten der Renaissance und schuf ein breites Spektrum an verschiedenartiger Musik, darunter Instrumentalmusik, Messen, Motetten und Chorlieder in italienischer, deutscher und französischer Sprache. Sein bekanntestes Werk dürfte das Lied “Innsbruck, ich muss dich lassen” sein.
Auch wenn nur wenige biografische Informationen über Isaac bekannt sind, muss sein Ansehen groß gewesen sein, denn Lorenzo de Medici lud ihn 1484 von Innsbruck nach Florenz ein, wo er sich anderen florentinischen Künstlern wie da Vinci, Botticelli und Michelangelo anschloss. Während dieser Zeit wurde er florentinischer Bürger, heiratete eine Florentinerin und ließ sich in Italien nieder.
Im Jahr 1496 zog Isaac nach Wien und wurde vom Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Maximilian I. angestellt, in dessen Diensten er bis zu seinem Tod stand. In dieser Zeit komponierte und sammelte er über 375 polyphone Motetten über gregorianische Cantus firmi, die Ende 1508 und Anfang 1509 an das Konstanzer Münster geliefert wurden. Obwohl die Motetten erst 1550-1555 nach seinem Tod veröffentlicht wurden, gehören sie zu den schönsten Beispielen von cantus firmus basierter Renaissancepolyphonie, die es gibt. Die Verzögerung ihrer Veröffentlichung nach dem Konzil von Trient und dem Beginn der Reformation hatte brachte mit sich, dass einige der interessanteren Werke nicht (mehr) für den liturgischen Gebrauch geeignet waren. Der Stimmumfang der Motetten, der eher einer STTB-Besetzung als einer SATB-Besetzung entspricht, mag auch dazu beigetragen haben, dass diese Motetten nicht genügend Beachtung gefunden haben.
Die vorliegende Aufnahme ist eine Auswahl von achtzehn Motetten aus dem Band II des Choralis Constantinus und enthält die Motetten, die speziell für das Konstanzer Münster im Jahr 1508 in Auftrag gegeben wurden. Von den achtzehn Stücken sind dreizehn Weltersteinspielungen.
Das 1994 gegründete ensemble cantissimo setzt sich aus hochkarätigen Sängern aus der Schweiz und Deutschland zusammen und hat sich auf bisher ungehörtes Chorrepertoire spezialisiert. Gegründet wurde das Ensemble von Dirigent Markus Utz, der auch Organist und Pädagoge ist. Er ist seit 2007 Professor für Chorleitung an der Zürcher Hochschule der Künste und leitete das zwölfstimmige Ensemble bei dieser Aufnahme, die im Juli 2021 stattfand. Der Aufnahmeort lag passenderweise auf der Insel Reichenau mitten im Bodensee. Die Motetten auf der Aufnahme sind nach dem liturgischen Kalender geordnet: Weihnachten, Marienandacht, Ostern, Pfingsten und das Fest des Heiligen Konrad. Als Besonderheit dieser Einspielung wurden die Motetten für einen bestimmten Festtag in der liturgischen Reihenfolge Introitus, Alleluja, Sequenz und Communio gruppiert. Die Sequenzen sind in der Regel die längsten und weisen die komplizierteste Imitation der Gesangsmelodie auf.
Zu den Höhepunkten der Aufnahme gehören das eröffnende Puer natus, das abschnittsweise eine brillante vierstimmige Imitation der Choralmelodie aufweist, die beißenden Dissonanzen am Ende des Haec dies, der ungewöhnliche Taktwechsel in der Mitte des Dominus in sina und die herrliche, imitierte Melodie, die von der Sopranstimme im Spiritus Domini eingeführt wird. Einige der Motetten sind a cappella, während bei anderen die Stimmen von Posaunen und Cornetts verdoppelt werden. Während die Intonation und die stimmliche Qualität der Sängerinnen und Sänger gut sind, ist die Aussprache in den Instrumentalsätzen schwieriger zu verstehen, und die Stimmen verschwinden etwas im Nachhall des Kirchenraums.
Da viele dieser Werke für viele Chorensembles machbar sind, ist diese Aufnahme nicht nur für Liebhaber exquisiter Renaissancemusik, sondern auch für alle, die leicht zugängliche Renaissance-Literatur suchen, zu empfehlen. Da die Werke von einheitlicher Natur sind, führt das Album den Hörer durch Isaacs Motetten von sorgfältiger Konsonanz und erhabener Imitation. Dirigent Markus Utz und sein Ensemble cantissimo gebührt unser Glückwünsch dafür, dass sie uns diese bisher ungehörten Aufnahmen zu Gehör gebracht haben.
Übersetzt aus dem Englischen von Stefan Schuck, Deutschland
Als früheres Mitglied des St. Louis Kinderchores ist Tobin Sparfeld durch die ganze Welt gereist, von Vancouver, British Columbia, im Westen bis Moskau, Russland im Osten. Tobin hat bei Seraphic Fire und im Santa Fe Wüsten-Chor gesungen. er arbeitete mit Chören aller Altersgruppen, war Assistent beim Miami Kinderchor und Vize-Direktor des St. Louis Kinderchores. Er lehrte am Principia College, war Chordirektor an der Millersville Universität in Pennsylvania und war Dirigierassistent beim Civic Chorale of Greater Miami. Tobin erlangte sein DMA in Dirigieren an der Universität von Miami in Coral Gables und studierte bei Jo-Michael Scheibe und Joshua Habermann. Er hat darüber hinaus ein künstlerisches Lehrerdiplom des CME Instituts von Doreen Rao. Er ist derzeit Chef der Musikabteilung des Los Angeles Mission College, einem Teil des Los Angeles Community College Districtes. E-Mail: tobin.sparfeld@gmail.com