Zusammenkunft beim Asia Choral Grand Prix

Interview von Irvinne Redor, IFCM-Kommunikationsmanager, Philippinen

Nach einer dreijährigen Unterbrechung aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie kann der zweite Asia Choral Grand Prix (ACGP) nun stattfinden, und zwar in Bali, Indonesien. Bei diesem 2019 im philippinischen Manila ursprünglich als Jahresevent gegründeten Chorwettbewerb treten die Gewinner von vier namhaften asiatischen Chorveranstaltungen (also jeweils die Gewinner von Chorevents in Singapur, Bali, Manila und Kuala Lumpur) gegeneinander an. Künftig sollen sich auch noch weitere asiatische Chorevents für den ACGP qualifizieren können, was wir natürlich freudig begrüßen. Ich hatte das große Glück, mich mit den vier künstlerischen Leitern dieser den derzeitigen ACGP konstituierenden Chorveranstaltungen auszutauschen und mit ihnen über die Chorwettbewerbslandschaft in Asien zu sprechen.
Erzählen Sie uns mehr von der Chorveranstaltung in Ihrem jeweiligen Land.

Mark Anthony Carpio (M): Als die Philippine Madrigal Singers 2013 ihr 50-jähriges Bestehen feierten, rief uns das Kulturzentrum der Philippinen dazu auf, einen internationalen Chorwettbewerb zu organisieren. Denn immer mehr philippinische Chöre strebten danach, sich im Ausland mit anderen guten Chören zu messen. Anstatt viel Geld für Reisen auszugeben, riefen wir einfach das Andrea O. Veneracion International Choral Festival (AOV) ins Leben, das es philippinischen Chören erleichtern soll, internationale Erfahrung zu sammeln. Dieses Chorevent findet alle zwei Jahre statt.

 

Ai Hooi Lim (A): Wir haben das Singapore International Choral Festival erstmals vor zehn Jahren veranstaltet und – COVID bedingt – gerade eben unsere siebte Runde absolviert. Da wir zuvor Events in Hongkong und Portugal organisiert hatten, wollten wir etwas Ähnliches für Singapur. Anfangs waren wir ein wenig skeptisch, weil wir ja wissen, wie teuer Singapur sein kann, erhielten aber nach dem ersten Festival so viel positive Resonanz, dass wir gerne damit weitermachten.

 

Susanna Saw (S): Das Chorevent Malaysian Choral Eisteddfod (MCE) hat sich aus dem Young Singers Choral Festival entwickelt. Da Malaysier eigentlich nur wegen der Wettbewerbe Chören beitreten (was insbesondere für Schulchöre gilt), begannen wir, einen nationalen Chorwettbewerb auf die Beine zu stellen. Wir wollten uns dabei aber nicht nur auf den Wettstreit per se konzentrieren, sondern haben auch Workshops miteinbezogen. Dem Bildungsministerium gefiel unser Konzept so gut, dass es vorschlug, daraus eine internationale Veranstaltung zu machen. In Malaysia gibt es viele hervorragende Chöre, die jedoch noch keine Auslandserfahrung sammeln konnten. Das MCE in internationales Licht zu rücken bot uns die Möglichkeit, weltweite Chöre einzuladen und sie mit der malaysischen Chorwelt bekannt zu machen.

Tommyanto Kandisaputra (T): Die Chorlandschaft in Indonesien entwickelt sich bestens. Viele Chöre schneiden bei verschiedensten internationalen Veranstaltungen hervorragend ab und dieser Erfolg ermutigt wiederum, auf der Weltbühne auftreten zu wollen. Das Bali International Choir Festival (BICF) bietet denjenigen Chören, die international performen wollen, aber aus diversen (größtenteils finanziellen) Gründen nicht ins Ausland reisen können, die perfekte Möglichkeit. Ich bin sehr stolz auf das BICF, denn es hat nicht nur zur Förderung der Chormusik in Indonesien beigetragen, sondern präsentiert auch unsere reiche indonesische Kultur der Weltöffentlichkeit. Außerdem wird so der Tourismus in Bali angekurbelt.

 

Wie beurteilen Sie das große Interesse asiatischer Chöre an Wettbewerben?

(M): Dirigenten liegt viel daran, die musikalische Kompetenz und Singfähigkeit der Sänger zu verbessern. Neben dem Umgang mit Nervosität und Aufregung erlernen die Teilnehmer eines Wettbewerbs in kurzer Zeit viel Neues und entwickeln sich weiter. Mir persönlich ist es wichtig, Chöre stets daran zu erinnern, dass man bei einem Wettbewerb eigentlich nicht mit anderen Chören konkurriert, sondern es vielmehr darum geht, sich selbst zu verbessern und dazuzulernen.

(A): Es geht um den Nervenkitzel! Sich mit anderen zu messen ist nett, aber was man sich von Wettbewerben verspricht ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Ich sage meinem Chor immer, dass es im Wettkampf zwei Seiten gibt – die Gewinner- und die Verliererseite. Wenn man sich ein Ziel setzt und in irgendeiner Weise gewinnen will, dann arbeitet man auch hart dafür.

(S): Wenn Schüler in Malaysia an Wettbewerben auf staatlicher, nationaler oder internationaler Ebene teilnehmen, erhalten sie Noten für außerschulische Aktivitäten, die auch der Schule zugutekommen. Aus diesem Grund ist jeder bestrebt, in einem Wettstreit bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Tatsächlich dreht sich in der allgemeinen malaysischen Lernkultur vieles um Zertifizierungen und wettbewerbsartige Prüfungen. So ist man motiviert, zu den Proben zu kommen, hart zu arbeiten und gute Leistungen abzuliefern. Es muss allerdings für jeden klar sein, dass es bei Chorwettbewerben darum geht, etwas zu lernen und den eigenen Horizont zu erweitern.

(T): Viele asiatische Chöre nehmen an Wettbewerben teil, weil das Singen fest in unserem kulturellen Leben und unseren Traditionen verankert ist. Für Chöre heißt das, sich kontinuierlich weiterzubilden und das Erlernte mit allen zu teilen. Abgesehen von der Freude am gemeinsamen kreativen Schaffen sind vermutlich vor allem der Drang, sich mit anderen Künstlern auszutauschen, und der Spaß am Reisen zu betonen.

Was sind häufige Herausforderungen bei der Organisation der Chorveranstaltung in Ihrem jeweiligen Land?

(M): Die größte Herausforderung ist die schiere Anzahl an Involvierten. Da sind wir bei der Logistik auf freiwillige Helfer angewiesen. Teilnehmer an die Einhaltung von Fristen zu erinnern und Fristen zu verschieben ist auch oft problematisch.

(A): Unsere größte Herausforderung besteht darin, alle Termine in den paar wenigen Tagen, die Chöre in Singapur verweilen, unterzukriegen. Denn neben dem Wettbewerb bieten wir viele Zusatzprogramme für die Chöre an, beispielsweise Workshops und Freundschaftskonzerte, und wir möchten natürlich einen möglichst reibungs- und lückenlosen Programmablauf bewerkstelligen.

(S): In unserem Fall ist es die Überlegung, wie wir die Chorveranstaltung mit den Vorschriften der lokalen Behörden in Einklang bringen. Wir sind im privaten Sektor tätig, und wenn wir Veranstaltungen organisieren, an denen Schüler teilnehmen, müssen wir bei der Regierung eine Genehmigung beantragen, die als „Nachweis“ gegenüber Schulen dient, damit diese wiederum die Mittel zur Teilnahme an der Veranstaltung in Anspruch nehmen können. Die Genehmigung erhalten wir nur, wenn wir eine Vielzahl von Vorgaben erfüllen.

(T): Die nötigen Mittel aufzubringen, um die Veranstaltung für alle Teilnehmenden interessanter und ansprechender zu gestalten, ist unsere schwierigste Aufgabe. Aber auch einen geeigneten Veranstaltungsort zu organisieren und andere Aktivitäten im Zusammenhang mit Lizenzen, Service und Sicherheit zu koordinieren ist herausfordernd.

Wie genau kam es zur Gründung des Asia Choral Grand Prix?

(M): Vor der Durchführung des vierten AOV International Choral Festival sprachen Ai Hooi, Tommyanto und ich zusammen mit dem künstlerischen Leiter des Kulturzentrums der Philippinen über die Möglichkeit, einen Asia Choral Grand Prix auszurichten. Und so kam es in Manila im Jahr 2019 zum allerersten ACGP.

(A): Ich hatte zuvor bereits an einigen Ereignissen des European Grand Prix for Choral Music teilgenommen und war von der Idee, etwas Ähnliches eines Tages auch in Asien zu veranstalten, total angetan. Wir suchten nach Festivals, die dieselben Ideale und Ziele verfolgen. So lernte ich auf einem Event Tommyanto kennen und sprach ihn direkt auf meine Idee an. Daraufhin reisten wir nach Manila, um mit Mark Carpio, Menchi Mantaring und Chris Millado zu sprechen. Bei diesem Gespräch wurde festgelegt, wie das Projekt durchgeführt werden sollte.

(S): Als sich Mark, Ai Hooi und Tommyanto in den frühen Stadien des Asia Choral Grand Prix organisierten, fiel ihnen auch das MCE und meine Wenigkeit auf. Sie luden mich nach Manila zum ersten ACGP ein. Nachdem ich dort mehr Hintergründe zum ACGP erfahren hatte, nahm ich die Einladung, das MCE zu einem Teil des ACGP zu machen, dankend an. Dieses Jahr senden wir zum ersten Mal den Gewinner unserer Chorveranstaltung zum ACGP. Für das MCE bedeutet das, dass wir künftig Chöre von sehr hohem Standard anziehen werden. Außerdem haben wir 2024 die Ehre, den ACGP in Kuala Lumpur auszurichten.

(T): Der Asia Choral Grand Prix entsprang der Vereinbarung der künstlerischen Leiter des AOV International Choral Festival, des Singapore International Choral Festival und des Bali International Choir Festival, zusammenzuarbeiten und die Entwicklung von Chören in der asiatischen Region und darüber hinaus zu fördern.

Können Sie anderen Chören, die sich auf die Teilnahme an Wettbewerben vorbereiten, drei prägnante Tipps geben?

(M): (1) Sänger müssen mit Leidenschaft dabei sein. Das bedeutet auch, nach Möglichkeiten zu suchen, immer besser zu werden und Fortschritte zu machen. (2) Dirigenten müssen ihre Sänger und deren Bedürfnisse kennen. (3) Jede Probe bietet die Chance, als Chor und als Individuum besser zu werden.

(A): (1) Wählen Sie einen Wettbewerb, der zu Ihrem Chor passt, und treffen Sie die Entscheidung mindestens ein Jahr im Voraus, damit sich alle entsprechend vorbereiten können. (2) Wählen Sie die Stücke und Kategorien sorgfältig aus und fangen Sie früh genug zu proben an. (3) Vergessen Sie nicht, Spaß zu haben!

(S): (1) Machen Sie sich mit den Wettbewerbsregeln und -bestimmungen vertraut. (2) Sehen Sie sich bei der Bestimmung einer geeigneten Wettbewerbskategorie die Chöre an, die in der Vergangenheit darin teilgenommen haben. So erhalten Sie ein Gespür für das Leistungsniveau. (3) Ermitteln Sie ein Repertoire, das Ihre Chormitglieder meistern können.

(T): (1) Wählen Sie einen Wettbewerb, der den Gegebenheiten und Voraussetzungen Ihres Chores angemessen ist. Berücksichtigen Sie dabei vor allem künstlerische Fähigkeiten und finanzielle Möglichkeiten. (2) Planen Sie alle Belange sorgfältig und frühzeitig. (3) Sehen Sie die Teilnahme am Wettbewerb als eine Chance, den Gesang zu verbessern, die Qualität der Musik zu perfektionieren und sowohl den Geist als auch die innere Einstellung der Sänger zu stärken.

The Asia Choral Grand Prix Artistic Council, from left to right: Indra Kurniawan Salama (Indonesia), Tommyanto
Kandisaputra (Indonesia), Ai Hooi Lim (Singapore), Susanna Saw (Malaysia),
Yong Chee Foon (Singapore), Mark Anthony Carpio (Philippines), and Joey Gianan Vargas (Philippines)

Mark Anthony Carpio ist künstlerischer Leiter des Andrea O. Veneracion International Choral Festival: https://aovchoralfestph.com
Tommyanto Kandisaputra ist künstlerischer Leiter des Bali International Choir Festival: https://bandungchoral.com
Ai Hooi Lim ist Festivaldirektorin des Singapore International Choral Festival: https://sicf.sg
Susanna Saw ist künstlerische Leiterin des Malaysia Choral Eisteddfod – Malaysia International Choral Festival: https://youngchoral.com

 

Übersetzt aus dem Englischen von Magdalena Lippingwell, UK

 

Irvinne Redor ist ein Verfechter des Managements der darstellenden Künste und ein Mitarbeiter der Chormusikbranche mit jahrelanger Erfahrung bei der Organisation von nationalen und internationalen Kongressen, Konferenzen, Wettbewerben und Veranstaltungen im Bereich der Chormusik. Er war Mitinitiator einiger spezialisierter Ausbildungsprogramme für junge Manager im Bereich der Chormusik in Europa – dem Young Event Management Program des Europa Cantat Festivals 2009 in Utrecht, Niederlande, und dem Choral Arts Management Program von Polyfollia 2012 in Saint Lo, Frankreich. Im April 2023 fungierte er während des Welt-Symposiums für Chormusik in Istanbul, Türkei, als Mentor für 10 Teilnehmer des “YOUNG”-Programms, eines Internationalen Jugend-Kulturmanagement-Programms des Internationalen Verbandes für Chormusik. Derzeit ist er Kommunikationsmanager der Internationalen Föderation für Chormusik. Außerdem ist er Generalsekretär der Philippine Choral Directors Association, wo er an der Organisation von Versammlungen in der Provinz, Regionalkonferenzen und nationalen Kongressen beteiligt war. Er ist Inhaber von The Choir Loft, einem Online-Vertrieb für Chormusik, und SANGHIMIG Performing Arts Events & Travel Consultancy Services. communication@ifcm.net

 

Übersetzt aus dem Englischen von Sibylle Walter, Deutschland