Komponisten in Neuseeland

Karen Grylls, Chordirigentin und Lehrerin

 

Alfred Hill (1869-1960), geboren in Melbourne und ausgebildet am Musikkonservatorium in Leipzig, war im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert einer der einflussreichsten Musiker in Neuseeland und Australien. Seine Faszination für die Māori waiata fand Eingang in zahlreiche Kompositionen, denen auch große Aufmerksamkeit und Anerkennung von Kritikern gezollt wurde. Diese Kompositionen sind: Waiata poi, die  Kantate Hinemoa (1896) und die Oper Tapu (1902-3). Ab dem Beginn des  20. Jahrhunderts brachten Musiker, die nach Neuseeland kamen, die Chorästhetik und das feinste Repertoire der englischen Chortradition mit. Diese immigrierten Musiker setzten sich unermüdlich für den Aufbau von Konservatorien ein, leiteten Chöre und Orchester und komponierten neue Musik.

Im Gegenzug gingen neuseeländische Musiker nach Europa und England, um sich als Komponisten fortzubilden. Ihrer Lehrer[i]  ermutigten sie, die eigene nationale Identität in ihren Kompositionen zu verankern und aufzudecken. Douglas Lilburn (1915-2011)[ii]  studierte bei Ralph Vaughan Williams; bei einem Gespräch anlässlich der ersten Cambridge Summer School im Januar 1946 bedauerte er als einer der ersten das Fehlen einer Tradition und forderte diese von den neuseeländischen Komponisten ein. Mehrere Jahrzehnte später vertrat Peter Godfrey (1922-)[iii] in einer Rede auf der ISME Konferenz in Perth 1974 den Standpunkt, dass Neuseeland in der Tat ein Land ohne Chortradition sei. Diese Bemerkung kam genau zu dem Zeitpunkt, als Douglas Mews (1918-1993) The Lovesong of Rangipouri [iv] komponierte. In dieser Komposition wird eine traditionelle Waiata Patupaiarehe, die erstmals 1963 in Makara in der Nähe von Wellington  aufgezeichnet wurde, als Material für die Komposition genutzt. Godfrey glaubte zu dieser Zeit, dass die beiden Traditionen unverbunden bleiben würden. Anders als Lilburn und Godfrey begrüßte Jenny McLeod (1944-)[v] die Tatsache, dass Neuseeland nicht die Last der europäischen Traditionen zu tragen hatte; jedoch kam die Last in Form von Erwartungen : Komponisten müssten die kulturelle Entwicklung in der eigenen Gesellschaft voranbringen. In dem Vorwort zu Iwi Kotahi Tatou (We are One People), ein Auftragswerk für die Triennale des Festivals Sing Aotearoa, schreibt Jenny: “Meine Hoffnung ist, dass He Iwi Kotahi Tatou  eine Art Wasserscheide markieren wird in der Beziehung zwischen Māori /Pākehā.” In den 50 Jahren seit der Ermahnung Lilburns ist der zurückgelegte Weg der Komponisten beträchtlich.

 

Milford Sound, New Zealand
Milford Sound, New Zealand

 

Was also inspiriert die neuseeländischen Komponisten, für Chöre zu komponieren? Es sind, in der Tat, die Chöre selbst und ihre Aufträge. Als Antwort auf die Aufträge haben die Komponisten sakrale Texte ausgewählt, Texte neuseeländischer Dichter und Texte, die von der Landschaft Aotearoa in Neuseeland inspiriert sind, und sie jeweils dem Zweck und der Fähigkeit des Chores angepasst. Griffiths’ Beata Virgo[vi] wurde für einen 60-stimmigen Chor und die Akustik einer Kathedrale (Holy Trinity Cathedral Auckland) geschrieben, Baldwins Evening Service in A für einen kleinen Kammerchor und die St. Paul’s Cathedral in London, Jack Bodys Carol to St. Stephen für einen virtuosen A-cappella-Chor. Neuseelands 150-jähriges Jubiläum 1990 regte Werke zu Ehren des jungen Landes an. Marshalls To the Horizon[vii] vertonte eine Vielzahl von Texten neuseeländischer Dichter: Ian Wedde, ARD Fairburn, Denis Glover, Hone Tuwhare, MK Joseph, RAK Mason und Katherine Mansfield; Griffiths Lie Deep in Love, Texte von Charles Brasch. Herausragende Schulchöre gaben Holmes Estuary und Kers Close-up of a Daisy in Auftrag, Beispiele eines beträchtlichen Repertoires für SSAA Chöre. Oswins Sanctus ist ein schönes Beispiel. Das Land inspirierte Eve De Castro-Robinsons Chaos of Delight, eine Klanglandschaft mit Vogel- und Zikadenstimmen für Frauenchor, Sarah McCallums The Moon’s glow und Helen Fishers Pounamu[viii], das ein Klanggemälde des sprudelnden Wassers in der Tasmanischen Bucht der südlichen Insel Neuseelands ist. Ebenso ist Gillian Whiteheads Werk Taiohi Taiao[ix] inspiriert von dem aus der Erde quellenden Wasser, das für Gesundheit, Wohlbefinden und die Zukunft der Jugend steht. Mit Gillians Worten, “ist es ein Werk ohne Ecken, so wie das Wasser, das aus einer Quelle fließt”.

 

Abel Tasman National Park, New Zealand
Abel Tasman National Park, New Zealand

 

Einige Komponisten haben Volkslieder der polynesischen Tradition arrangiert, Marshalls Minoi, minoi und Rapana Si manu laitit; waiata (Lieder) wurden Chören gewidmet, so Ngapo Wehis Wairua tapu, I Te Timatanga und Hinemoa[x].  In neuerer Zeit wurde Chorwerke in Auftrag gegeben mit notierten Stimmen für Taonga Pūoro[xi] (Die singenden Schätze), traditionelle Māori Musikinstrumente und Chor. Hamiltons Karakia of the Stars und Farrs Harakeke wurden beim 9. World Choral Symposium in Puerto Madryn von dem Kammerchor Voices New Zealand Chamber Choir uraufgeführt.

Die Kompositionen sprechen für sich selbst und sie repräsentieren eine Reise durch die einheimischen musikalischen Traditionen und die Traditionen der Immigranten, die Neuseeland ihre Heimat nennen. Sie haben eine einmalige Stimme und einen einmaligen Platz in der Weltchormusik. (Wenden Sie sich an das Centre for New Zealand Music, um Informationen über das hier aufgeführte Repertoire zu erhalten.)

 


[i] Unter diesen Lehrern waren Koryphäen wie Ralph Vaughan Williams, Herbert Howells, Olivier Messiaen, Luciano Berio, Karlheinz Stockhausen and Alexander Goehr.

[ii] “In Search of a Tradition” in The Landscape of a New Zealand Composer, Radio NZ, CDe#: NZ100-8

[iii] Choral Music in New Zealand: the problem of a country without a tradition, Unpublished Speech, 1975. Peter kam vom King’s College, Cambridge; mit seinem Werk hatte er einen enormen Einfluss auf die Etablierung eines Chorgesanges auf höchstem Niveau in Neuseeland.

[iv] Winds that Whisper MMT 2016,1999, NZ Youth Choir, Karen Grylls, Robert Wiremu, Bariton.

[v] Hardie, Richard L. Jenny McLeod: The Emergence of a New Zealand Voice Thesis, Master of  Music, Rice University, 1994

[vi] New Zealand National Youth Choir: Te Roopu Rangatahi o Aotearoa ODE MANU 1412 http://sounz.org.nz/manifestations/show/6916

[vii] A Sound came from Heaven ATOLL ACD407, The Graduate Choir, Terence Maskell

[viii] Spirit of the Land MMT2065, Voices New Zealand Chamber Choir, Karen Grylls http://www.naxosmusiclibrary.com/preview/catalogueinfo.asp?catID=MMT2065&path=1

[ix] Ibid.

[x] Winds that Whisper MMT 2016,1999, NZ Youth Choir, Karen Grylls,

[xi] Fisher’s Pounamu und Whitehead’s Taiohi Taiao verwenden ein kouauau, aber es gibt keine extra notierte Stimme dafür.

 

Examples of New Zealand Choral & Choral/Instrumental (Orchestral)* Compositions

 

Baldwin, Andrew (1986-)

Evening Service in A (2011)

 

Bell, Kate (1957-)

Te Mea Nui (2010)

 

Body, Jack (1944-)

Carol to St. Stephen (1975), Five Lullabies (1989)

 

Buchanan, Dorothy (1945-)

The Lord’s My Shepherd (1978), Five Vignettes of Women (1987)

 

Childs, David (1969-)

Salve Regina (1998), O Magnum Mysterium (1997)

 

De Castro-Robinson, Eve (1956-)

Chaos of Delight III (1998)

 

Elmsly, John (1952-)

Songs from “The Treehouse” (1992)

 

Ete, Igelese (1968-)

 

Malaga* (2002)

Farquhar, David (1928-2007)

The Islands (1967), Waiata Māori (1985)

 

Farr, Gareth (1968-)

Tirohia Atu Nei (2000), Harakeke (2011)

 

Fisher, Helen (1942-)

Pounamu (1989 rev. 1997), Tete Kura (2000)

 

Griffiths, David (1950)

Beata Virgo (1974), Lie Deep My Love (1996)

 

Griffiths, Vernon (1894-1985)

Peace and War* (1952) Ode of Thanksgiving* (1962)

 

Hamilton, David (1955-)

Missa Pacifica (2005), Rakiura (1993), Lux Aeterna (1979)

The Moon is Silently Singing (1985), Karakia of the Stars (2011)

 

Holmes, Leonie (1962-)

Hodie Christus Natus Est (1989), The Estuary (1993), Through

Coiled Stillness (2011)

 

Ker, Dorothy (1965-)

Close-up of a Daisy (1992)

 

Lilburn, Douglas (1915-2001)

Prodigal Country *(1939)

 

Marshall, Christopher (1956-)

Tangi (1999), To The Horizon: Images of New Zealand

(1990, rev.1997), Minoi, Minoi (1984)

 

Mews, Douglas (1918-1993)

The May Magnificat (1977) The Lovesong of Rangipouri (1974),

Ghosts, Fire, Water (1972), Pokarekare ana (arr.) (1972)

 

McLeod, Jenny (1941-)

Childhood (1981), He Iwi Kotahi Tatou (1993), The Poet* (2007)

 

Oswin, Richard (1957-)

 

Sanctus (2002)

Psathas, John (1966-)

Baw my Barne (1995)

 

Puanaki, Richard (1934-)

Ka Waiata Ki a Maria (1988)

 

Rapana, Steven (1984-)

Samoa Silasila (2005), Si manu laititi (2011)

 

Rimmer, John (1939-)

Visions 1*(1975), Seven Summer Haiku* (1970)

 

Ritchie, Anthony (1960-)

As Long as Time (1991), From the Southern Marches *(1997),

Ahau* (2000), Widow’s Songs (2004), Carving (2009), Olinda (2009)

 

Ritchie, John (1921-)

Lord, When the Sense of Thy Sweet Grace (1957)

 

Wehi, Ngapo (1935-)

Hinemoa, Tete Kura, (2000), Wairua Tapu

 

Wehi, Tuirina & Tuwhiti Happy

 

Aio (2010)

Whitehead, Gillian (1941-)

Five Songs of Hildegard von Bingen (1976),

Low Tide Aramoana* (1982), Taiohi taiao (2004)

 

SOUNZ

Centre for New Zealand Music

PO Box 27347, Marion Square, Wellington 6141

       Phone: +64 4 801 8602, Fax: +64 4 801 8604


       Email: info@sounz.org.nz
 Website: www.sounz.org.nz 

 

http://www.arts.auckland.ac.nz/research/index.cfm?S=R_ARCAMPM

Archive of Māori and Pacific Music, University of Auckland, New Zealand

http://www.nzcf.org.nz/ New Zealand Choral Federation

http://www.choirsnz.co.nz  New Zealand Youth Choir and Voices New Zealand Chamber Choir

 

 

Karen GryllsKaren Grylls, ONZM, Stellvertretende Leiterin der Undergraduate Studien, Außerordentliche Professorin für Dirigieren und Leiterin der Chorstudien an der University of Auckland, leitete den Auckland Dorian Chor (1985-1998), hatte die Position der musikalischen Leiterin für den TOWER NZ Youth Choir 1989 inne und gründete den TOWER Voices NZ im März 1998. Zusätzlich zu ihrer Funktion als Leiterin dieser beiden nationalen Chöre leitet Karen auch den Kammerchor der Universität Auckland und leitet Kurse zu Techniken des Ensemble-Singens für Chöre. Sie graduierte sowohl an der Otago als auch an der Auckland Universität und absolvierte ein Postgraduierten-Studium in Dirigieren und Musiktheorie an den Universitäten von Washington und Seattle, wo sie 4 Jahre bei Professor John Rahn, Abraham Kaplan und Joan Catoni-Conlon studierte. 1985 kehrte sie nach Neuseeland zurück, um an der Auckland University zu lehren und die Leitung des Auckland Dorian Choir  zu übernehmen. Im August 2011 wurde der Voices NZ Chamber Choir ausgewählt, um Neuseeland bei dem 9. Welt Chor- Symposium in Puerto Madryn, Argentinien, zu vertreten. Karen ist sehr gefragt als Chorspezialistin, und es gibt viele CD-Einspielungen mit Chormusik unter ihrer Leitung. Einladungen, als Jurymitglied zu fungieren, haben sie nach Australien, Singapur, Tolosa, Hong Kong, Gorizia und Xiamen geführt. 1996 wurde sie von der Universität mit einer besonderen Auszeichnung für ihre Lehrtätigkeit in Musik geehrt und 1999 erhielt sie die Neujahrsauszeichnung ONZM für ihre Leistungen im Bereich der Chormusik. Ebenso wurde ihr vom Verband der neuseeländischen Komponisten (Composer’s Association of NZ) für ihre Verdienste um die Musik Neuseelands ein Preis verliehen ( KBB Citation for Services to NZ music) und der Lilburn Trust Award. TOWER Voices CD “Spirit of the Land” erhielt 2006 die Auszeichnung Tui Award for “Best Classical Album”. E-mail: k.grylls@auckland.ac.nz 

 

 

Edited by Steve Lansford, USA