Zeitgenössische zypriotische Chormusik und ihre kulturellen Charakteristika
Michalis Pagoni, Chorleiter und Musikpädagoge
Die Musik des 20. Jahrhunderts umfasst eine weite und bunte Mischung von verschiedenen Stilrichtungen, wozu zwei Faktoren beigetragen haben, die möglicherweise miteinander zu tun haben: die vielen unterschiedlichen neuen Sichtweisen, was Musik überhaupt bedeutet, und die große Anzahl aktiver Komponisten, die sich im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrhunderten stark erhöht hat und nicht mehr auf einen engen geografischen Raum beschränkt ist. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zum ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist eine der wichtigsten und interessantesten Perioden der Musikgeschichte. Diese durch wichtige sozio-historische und ideologische Veränderungen geprägte Ära markiert einen neuen Absatz in der Entstehung und dem Aufbau der Chormusik. Seit Ende des 20. Jahrhunderts wurde Musik fragmentarischer als je zuvor, wobei jeder Komponist nach einer eigenen originellen Ausdrucksweise suchte und manche sich eher von Komponisten vorheriger Epochen inspirieren ließen als von vorherrschenden Trends.
Wie in anderen Kunstbereichen auch, hatten die politischen Umwälzungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenfalls tiefe Auswirkungen auf die Tonkunst. Während der Wirtschaftskrisen in Folge diverser Kriege auf Zypern waren Musiker und besonders Komponisten gezwungen, mit begrenzten musikalischen Strukturen auszukommen. Dies gab kleineren Ensembles, besonders Chorensembles, die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Mit dem Ende der britischen Vorherrschaft nach den Unabhängigkeitskämpfen von 1955-59 entstand auf der Insel eine höchst schaffensfreudige Atmosphäre, die einen schnellen Aufbau der Musikkultur des Landes begünstigte. Auch die politischen Ereignisse von 1974 waren eine wichtige Etappe nicht nur in der Geschichte der Insel, sondern auch für die Etablierung der Musikkultur, in der die Eroberung eines Teils von Zypern durch das türkische Militär und die Umsiedlung vieler Menschen ihre Spuren hinterließen.
Im europäischen Vergleich hat Chormusik auf Zypern eine recht junge Vergangenheit, sie entstand erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zu einer Zeit, als es in vielen europäischen Ländern in der Chormusik revolutionäre neue Trends gab und sich eine neue Chorkultur etablierte. Inzwischen sind die künstlerischen Qualitäten zypriotischer Chormusik dank ihrer besonderen Charakteristika weltweit anerkannt. Wenn auch sozio-politische Faktoren den künstlerischen Stil und die Entwicklung beeinflussten, so ist sie trotzdem in jahrhundertealten Volksmusiktraditionen verwurzelt. So wie die Entwicklung der Aufführungspraxis der Chormusik sind auch die ersten zypriotischen Komponisten besonders wichtig für die Musikkultur der Insel. Genannt seien hier nur einige der wichtigsten, die zum Aufbau der Musikkultur Zyperns wesentlich beitrugen: Leandros Sitaros, Solon Michaelidis, Sozos Tombolis, Yagos Michaelidis, Kostas Ioannides. Ihre zahlreichen Chorwerke und ihr Einfluss auf zeitgenössische Dichtkunst und Literatur sichern ihnen einen festen Platz in der Reihe zypriotischer Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zum ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Noch heute hat ihre Musik eine so mächtige und unvergessliche Wirkung wie zu ihrer Entstehungszeit. Auch wenn sie eine eher vorübergehende Rolle spielten, hatten andere Musiker ebenfalls großen Einfluss auf die Entwicklung des Musiklebens, davon betroffen waren Ausübende wie auch durch ihre Publikumswirksamkeit. Sie alle trugen wesentlich zur Entwicklung und Pflege des Chorgesanges der Insel bei, was die Bezeichnung „Gruppe der ersten zypriotischen Komponisten“ rechtfertigt.
Die Volksmusik Zyperns als Pfeiler der Chormusik
In mancherlei Hinsicht begann musikalisches Leben auf Zypern erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Vor dieser Zeit gab es auf der Insel einzig das traditionelle Volkslied, manchmal mit, aber häufiger ohne Begleitung von volkstümlichen Instrumenten.
Der Begriff „Volksmusik“ impliziert eine Äußerung in Form von Dichtung in Verbindung mit Musik, die üblicherweise die innersten Gefühle eines Menschen ausdrückten.[1] Dichtung spiegelt, allgemein gesagt, die innersten Seelenzustände eines Dichters wider. Wenn Dichtung jedoch Emotionen eines ganzen Volkes ausdrückt, ohne auf den persönlichen Geschmack eines Einzelnen einzugehen, dann können wir getrost sagen, dass „Volksmusik“ das kollektive und gemeinschaftliche Eigentum von Menschen ist, deren spirituelles und musikalisches Leben in ihr seinen Nachhall findet.
Wann genau Volksmusik auf Zypern zum ersten Mal in Erscheinung tritt, ist schwer zu bestimmen, aber mit Sicherheit begleitete sie die Inselbewohner bei der Arbeit, wie auch bei verschiedenen öffentlichen rituellen Momenten, z.B. Trauerfeiern. Man könnte sagen, dass alle Zyprioten immer ein Musikinstrument bei sich haben, so wie Musik überhaupt ein fester Bestandteil im Alltagsleben der Insel ist.
Aktives Musikleben begann 1878, als die Insel unter britisches Protektorat fiel. So wurde die gesamte Kultur Zyperns durch die britische Kolonialmacht beeinflusst und reflektiert sie auf gewisse Weise auch. Eine autonome Kulturpolitik eines Landes ist jedoch eine wichtige Voraussetzung für den Aufbau einer Kultur, und Historikern zufolge ist die errungene Unabhängigkeit der Insel als ein Schlüsselmoment in der Weiterentwicklung des Landes zu werten, vor allem in der Kultur und der Musik.
Auch die Einrichtung verschiedener privater Musikschulen trug wesentlich zum Aufbau des Musiklebens Zyperns bei. Die Gründung vieler neuer Chöre und Orchester verstärkte das Interesse der Zyprioten für Musik und für gemeinschaftliches Singen. Eine wachsende Zahl von Musikern ließ sich zudem im europäischen Ausland ausbilden und gab nach ihrer Rückkehr nach Zypern ihr Können und Wissen an andere weiter. Auch der musikalische Einfluss aus aller Welt schlug sich auf die Werke zypriotischer Komponisten nieder, in deren frühen Werken man nationale Elemente findet, die europäische Musiktrends dieser Zeit widerspiegeln.
All diese eindrucksvollen Entwicklungen entstanden jedoch nicht über Nacht, sie wären nicht möglich gewesen ohne die unermüdliche Arbeit zahlreicher Musiker. Es gibt sicherlich noch viele andere Gründe für das Aufblühen des Musiklebens, für die aber in der Literatur dieser Zeit keine Daten vorliegen.
Byzantinischer Einfluss auf die Entwicklung zypriotischer Volkslieder
Die Musik Zyperns war weitgehend von byzantinischer Musik beeinflusst, geschrieben zu zeremoniellen, festlichen oder kirchlichen Anlässen in griechischer Sprache. [2] Griechische und andere ausländische Historiker sind sich darin einig, dass die sakralen Klänge und generell das gesamte byzantinische Musiksystem zu dem des antiken Griechenlands in enger Beziehung stehen. Diese Tradition der gesamten griechisch-sprachigen Welt entwickelte sich in Byzanz vom Zeitpunkt der Gründung Konstantinopels als Hauptstadt im Jahr 330 bis zu ihrem Untergang 1453. Diese Musik ist unbestreitbar gemischten Ursprungs, inspiriert von den künstlerischen und fachspezifischen Werken des klassischen Zeitalters, von jüdischer Musik sowie von der monophonen Vokalmusik, die ihren Ursprung in den frühen christlichen Städten Alexandria, Antiochia und Ephesos hatte.
Eine Schlüsselfigur in der byzantinischen Musik war Ieronymus o Tragoudistis (Hieronymus, der Sänger), ein zypriotischer Student von Giozeffo Zarlino [3]. Auf der Höhe seines Ruhms um 1550-1560 erfand er, unter anderem, ein System, mittelalterliche byzantinische Gesänge mittels einer Cantus firmus-Paraphrasierung auf die aktuelle kontrapunktische Praxis zu übertragen, was unsere traditionelle Musik in späteren Jahren nachhaltig beeinflusst hat. Andere wichtige Persönlichkeiten des byzantinischen Musiklebens auf der Insel waren Chrysanthos aus Madytos, Gregorios Byzantios Protopsaltis und Chourmouzios, der Archivar. Die Entwicklung der Volksmusik auf Zypern vereinigt also die charakteristischen Merkmale griechischer und byzantinischer Musikformen, man kann sie also als einen Zweig der griechischen und römischen Volksmusik sehen, mit dem einzigen Unterschied, dass sie mehr erotische als heroische Elemente enthält, wodurch sie einen gewissen altertümlichen Charme bekommt.
Auch das Christentum hat eine entscheidende Rolle in der zypriotischen Gesellschaft gespielt. Daher überrascht es nicht, dass auch ihm eine wichtige Rolle in der Entwicklung der zypriotischen Volksweisen zukommt. Es gibt unzählige Beispiele, anhand derer man den starken Einfluss der byzantinischen Musik auf die volkstümliche Musik der Insel nachvollziehen kann. Beide Musikstile suchen mit ihren herausragenden melodischen Linien und metaphorischen Texten Seelenzustände wiederzugeben. Während byzantinische Musik eine Beziehung zwischen Christen und Gott schaffen will, möchte die volkstümliche Musik Generationen aller Altersstufen miteinander verbinden. Daher finden viele Musikwissenschaftler, die auf Zypern leben und über byzantinische und volkstümliche Musik forschen, strukturelle Übereinstimmungen zwischen ihnen.
Thematische Merkmale der zypriotischen Volksmusik
Inhalt und Thema der Volksweisen sind stets konkreter Natur, und kraftvoll expressive Bilder spielen in ihnen eine wichtige Rolle. Belebte und unbelebte Natur wird lebhaft beschrieben, der Text vermittelt im Zusammenspiel mit anderen Komponenten der Musik (Melodie, Rhythmus, Harmonik, Tempo etc.) einen magischen Eindruck auf den Zuhörer und ruft Gefühle von Liebe, Freude oder Trauer hervor.
Auf Zypern drücken die Menschen ihre Gefühle üblicherweise durch Gesang aus, und ihre Volksweisen sind gekennzeichnet von Spontaneität, Einfachheit, natürlichem Ausdruck und formaler Losgelöstheit. Die Tatsache jedoch, dass Volksmusik auf der Insel im Allgemeinen einstimmig ist, ist sehr wichtig, da es die weitere Entwicklung der Chormusik sowie die Arbeitsweise der Komponisten beeinflusst hat.
Was den Inhalt betrifft, können zypriotische Volksweisen mehreren Gruppen zugeteilt werden, von denen die wichtigsten die akritischen Epen und Lieder, die regionalen Lieder, die Liebeslieder, die Hochzeitsgesänge, die Kinderlieder, die humoristischen Lieder, die Klagelieder und die christlich-religiösen Lieder sind.
Die Bezeichnung akritische Epen und Lieder reicht zurück auf die Akriten, die Beschützer der östlichen Grenzen des byzantinischen Reiches, deren Schlachten hauptsächlich in den Grenzgebieten und auf Zypern stattfanden. Epen und Lieder verewigen die Taten verschiedener Helden wie Digenis, Porphyris, Andronikos und Konstantas, historische Persönlichkeiten, die zwischen 900 und 1000 n.Chr. lebten. Die Schlachten der Akriten gegen eine Übermacht an Feinden, gegen Schlangen und Löwen, waren zweifelsohne mit sagenumwobenen Geschichten orientalischer Herkunft verwoben. Die Berührungspunkte zwischen Byzanz und der arabischen Welt waren so eng, dass nicht nur der Geist Griechenlands und ihre Kultur die arabische Welt, sondern auch umgekehrt arabische Elemente die hellenische Kultur beeinflusste.
Die regionalen Weisen sind als “Phones“ (phōn, griech = Laut, Ton, Stimme) auf der Insel bekannt. Solche Weisen sind für bestimmte Regionen charakteristisch und für die Bewohner dieser Gegenden der künstlerische Maßstab für Dichtung und Melodie. Beispiele für diese in Text und Melos intakt gebliebenen regionalen Weisen sind „Paphitiki“, „Karpasitiki“, „Avgoritiki“, „Akanthiotissa“ und „Tilirkotissa“.
Liebe ist das vorherrschende Thema der zypriotischen Volksweisen, wobei das lyrische Element mit einer höchst fantasievollen Illustration der Thematik durch Symbolik und Metaphern aus der Natur im Vordergrund steht und auch die dunkleren Seiten der Liebe nicht ausschließt. Ein Bild folgt auf das andere, der „Fremde“ wird mit dem „Zugvogel“ gleichgesetzt, das „Mädchen“ mit einer „Rosenknospe“, die „Schönheit“ eines Menschen mit der „leuchtenden Sonne“, die „Tränen“ mit dem „Regen“. Darüber hinaus werden in den Volksweisen Zyperns oft die Liebenden mit dem Himmelszelt und seinen Sternen, mit der Erde und ihren Bäumen, mit zartem Basilikum, einer roten oder weißen Rose oder Jasmin verglichen. Für den Liebenden steht oft ein Baum, ein Falke, eine frische Quelle oder die Sonne.
Die Hochzeitslieder bilden eine beeindruckende Liedergruppe, die eng mit den Sitten und Gebräuchen der Insel verbunden sind. Ursprünglich wurden diese Lieder vor 50 Jahren vor allem in kleinen Dörfern gesungen, um die Braut, den Bräutigam und andere Beteiligte zu preisen und zu segnen. Diese Gruppe enthält Lieder, die während der Vorbereitung des Brautzimmers oder des Hochzeitsarrangements gesungen wurden, Trinklieder, Lieder zur Verherrlichung des Bräutigams und der Braut, Lieder für das verheiratete Paar, die Trauzeugen oder die Eltern des Paares.
Eine besondere Gruppe der zypriotischen Volksweisen besteht aus “Arbeits-Liedern”, gesungen bei der Arbeit oder in den Arbeitspausen. Die Lieder sollen den Arbeitsrhythmus unterstützen und so die Produktivität erhöhen, und handeln von der Ernte, vom Mähen und Dreschen, von der Weinlese oder dem Weben. Diese Lieder haben oft einen heiteren und fröhlichen Charakter und sollen die harte Arbeitslast erleichtern.
Eine andere Gruppe der traditionellen Lieder Zyperns umfasst die Kinderlieder. Es sind Lieder, die Kindern vorgesungen werden und solche, die die Kinder selbst singen. Bei ersteren findet man die Wiegenlieder, die die Kinder in den Schlaf begleiten sollen, und solche, die genau den gegenteiligen Zweck haben, nämlich die Kinder wach zu halten und sie zum Spielen zu animieren. Die zweite Gruppe beinhaltet Lieder, die die Kinder beim Spielen oder aus lauter Freude singen, aber auch solche, die ihr allgemeines und religiöses Wissen bereichern oder ihren Charakter formen sollen.
Wie in alten Zeiten singen zypriotische Mütter ihre Kinder in den Schlaf. In diesen Liedern drücken die Mütter ihre Wünsche, Erwartungen und Hoffnungen für ihr Kind aus. Sie besingen das Glück und hoffen, dass die Schicksalsgöttin für ihr Kind nur das Beste bereithält.
Von jeher gehören humoristische und fröhliche Lieder zum Leben auf Zypern. Diese Lieder kreisen um Spott und Satire und kritisieren Menschen, die mit ihrer Gier, ihrem Geiz oder ihrer Faulheit von der gesellschaftlichen Norm abweichen oder in seltsame absurde Situationen geraten. Tatsächlich sind aber auch diese Lieder ein Erziehungsmittel für die Singenden wie auch für die Zuhörer.
Die zypriotische Chorkunst, so wie wir es als Ausübende oder als Publikum wahrnehmen, ist das Ergebnis langer und harter Arbeit von Chorleitern und Komponisten auf der Insel.
Professionelle Chorkunst heutzutage auf Zypern
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts experimentierten Komponisten klassischer Musik mit zunehmend dissonanter Tonsprache, was uns manch atonales Werk bescherte. Nach dem 1. Weltkrieg schrieben einige Komponisten als Gegenreaktion zu der von ihnen als zunehmend übertrieben empfundenen Gestik und Formlosigkeit der späten Romantik im klassizistischen Stil. Sie suchten so die ausgewogenen Formen und klar erfassbaren thematischen Prozesse früherer Stilepochen neu aufleben zu lassen. Nach dem 2. Weltkrieg suchten modernistische Komponisten nach einer größeren Kontrolle ihres Kompositionsvorgangs, wie z.B. durch den Gebrauch der Zwölftontechnik und später durch Serialismus. Gleichzeitig experimentierten umgekehrt auch Komponisten in unterschiedlichem Maße mit dem Loslösen von jeglicher Kontrolle in Richtung Unbestimmtheit oder Aleatorik. Technologische Errungenschaften führten zum Entstehen von elektronischer Musik. Experimente mit Tonbändern und repetitiven Strukturen ebneten den Weg zum Minimalismus.
Die Chorkunst auf Zypern befindet sich seit Ende des 20. Jahrhunderts in einem intensiven Schaffens- und Entwicklungsprozess, in dem das Engagement vieler professioneller Chorleiter auf Zypern, von denen viele in anderen europäischen Ländern (England, Bulgarien, Tschechische Republik, Griechenland) studiert haben, sowie die Gründung neuer Chöre eine bedeutende Rolle spielen. Viele der im Ausland ausgebildeten Musiker sind nach Zypern zurückgekehrt, um hier zu arbeiten, was allein schon Bände über den Zustand der Chorkunst unseres Landes spricht. Dieser neuen Generation von professionellen Chorleitern gehören Angelina Nikolaidou – Spanou, Evi Afxentiou, Maria Kapetaniou, Michalis Pagoni, Stelios Karaolis, Francis Gais und viele andere an.
Nach 1955 fiel die Chorkunst des Landes auf fruchtbaren Boden, als Chorleiter den ersten Schritt zu ihrem Ausbau unternahmen. Die Chöre Aris in Limassol, gegründet von dem Komponisten Solon Michaelides, und Leandros Sitaros in Nicosia, gegründet von dem Komponisten Leandros Sitaros, können als die ersten professionellen Chöre auf Zypern angesehen werden.
In den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts wurden viele neue Vokalensembles gegründet, gemischte, lokale oder nationale Ensembles, Kinderchöre oder Chöre mit einem besonderen Schwerpunkt, wie z. B. Chöre, deren Repertoire auch patriotische Lieder enthalten. Die Gründer dieser Chöre haben auf verschiedene Art versucht, den künstlerischen Hoffnungen und Erwartungen der Menschen Ausdruck zu verleihen, populäre Volksweisen zu schaffen oder Darbietungen traditioneller Volksmusik zu ermöglichen. Es ist unmöglich, alle Chöre zu erwähnen, die derzeit auf der Insel existieren. Daher seien hier nur einige der Vokalensembles stellvertretend genannt: die Cultural Society Epilogy (die drei Ensembles vereint) mit ihrer Chorleiterin Angelina Spanou-Nicolaidou, der Chor Modern Times unter der Leitung von Nicos Vihas, der Chor der Musical Society of Pafos unter der Leitung von Sotiris Karagiorgis, der Choir of the Cultural Society Ermis Aradippou unter der Leitung von Michalis Pagoni, der Choir Proodevtiki Larnakas unter der Leitung von Marios Lysandrou, der Choir of the Cultural Society Limassol (die zwei Ensembles vereint) unter der Leitung von Violetta Kakomanoli und Maria Kapetaniou, der Choir of Music Ensemble Evagoras unter der Leitung von Loucas Zymaras.
Einen wichtigen Beitrag zur Chormusik auf Zypern haben auch die lokalen und städtischen Chöre geleistet. Hier auch wieder nur eine Auswahl: die Chöre aus Nicosia unter der Leitung von Koullis Theodorou, aus Larnaca unter der Leitung von Adreas Gerolemou, von Derynia unter der Leitung von Tasos Protopapas, aus Polemidia unter der Leitung von Maria Georgiou-Mandaliou, aus Aglantzia unter der Leitung von Neofytos Rousos, aus Famagusta unter der Leitung von Nicos Vihas, aus Lakatamia unter der Leitung von Maria Tumazian, aus Pafos unter der Leitung von Kleopatra Kotsoni.
Die Aufzählung könnte endlos weitergehen, aber aus naheliegenden Gründen können wir nicht alle Namen auflisten. An dieser Stelle ist aber wichtig zu erwähnen, dass alle (Chöre wie auch Chorleiter) einen wichtigen Beitrag zur Steigerung des Niveaus und zur Beförderung des Chorgesangs auf Zypern leisten. Dank ihrer künstlerischen Errungenschaften und internationaler Anerkennung hat Zypern weltweit eine wichtige Rolle in der Chorkultur des letzten Jahrzehnts inne. Es gäbe noch viele unerwähnte Chorensembles mit ihren Leitern, die durch professionelle Aufführungen von Chorwerken ebenfalls zu der Weiterentwicklung des Chorgesangs im Land beitragen.
Die Gründung einer bemerkenswerten Anzahl von neuen Chören in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts und zu Beginn des 21. Jahrhunderts, aber auch die neue Generation junger professioneller Chorleiter haben zu einer Zunahme von Aufführungen nicht nur auf der Insel sondern auch im Ausland geführt. In den letzten 20 Jahren wurden auf der Insel verschiedene Festivals, Konzerte und Symposien für Chöre und andere künstlerische Disziplinen ausgerichtet, die sowohl Chorleitern wie auch Chormitgliedern die Möglichkeit bieten, andere Musiker zu treffen, das Flair eines Festivals zu erleben, neue Ideen für ihr Repertoire zu bekommen und sich mit anderen Chorensembles zu vernetzen.
Die schnelle Entwicklung der Vokalensembles im ganzen Land wirkt sich auch auf das Chorrepertoire aus, das sich deutlich vergrößert und die Chorarbeit dank der Werke aus verschiedenen Genres und Epochen verbessert und bereichert. Das aktive Konzertleben der Zyprioten ist für die Chorleiter eine Ermutigung, dem Publikum auch einmal mehr oder weniger Bekanntes anzubieten.
Einen zentralen Platz im Repertoire zypriotischer Chöre nehmen Chorarrangements traditioneller Musik ein. Viele Komponisten haben von traditioneller Musik Transskriptionen gemacht, auch die Chorleiter selbst betätigen sich als Arrangeure von Volksweisen, angepasst an die Fähigkeiten ihrer Ensembles.
Man kann ebenfalls eine starke Tendenz der Chorleiter beobachten, authentische Lieder griechischer Komponisten wie Mikis Theodorakis und Manos Hadzidakis zu arrangieren. Darüber hinaus gibt es eine bemerkenswerte Anzahl verschiedener, von den Chorleitern selbst gemachten Bearbeitungen desselben Liedes. Das Repertoire der Chöre beinhaltet auch Werke berühmter Komponisten wie Bach, Mozart, Beethoven, Verdi, Orff und anderen.
Wie vorherzusehen war, besteht ein großer Teil des Repertoires zypriotischer Chöre aus Werken mit einem patriotischen Thema. Die starke Verbindung der Komponisten zu patriotischen Gefühlen bedeutet, dass derartige Lieder mehrmals im Jahr zu den entsprechenden Gelegenheiten aufgeführt werden.
Im Großen und Ganzen nehmen Werke zypriotischer Komponisten einen wichtigen Platz im Repertoire der Chöre der Insel ein. Als Beispiel lassen Sie mich die von Solon Michaelides komponierte Hymne „Hymn and grieving für Cyprus“, die von Michalis Christoudoulides komponierte Kantate „9th July“ und das Lied „Violin of twenty years ago“ anführen.
Professionelles Komponieren von Chorwerken auf Zypern
Als Folge vieler Chorgründungen auf Zypern ist bei den Komponisten der Insel ein Interesse daran erwacht, neue Chorwerke zu schreiben. Alle zypriotischen Komponisten des 20. Jahrhunderts pflegten engen Kontakt zu den Chören des Landes und schrieben für sie eine beträchtliche Anzahl von Chorkompositionen.
Folgende Komponisten und Musiker spielten eine wichtige Rolle im Aufbau der Chormusik: Andreas Charalambous, Christodoulos Georgiadis, Sotiris Karageorgis, Leandros Sitaros, Solon Michaelides, Sozos Charalambides, Sozos Tombolis, Andreas Gerolemou, Michalis Christodoulides.
Die Chorwerke dieser Komponisten spiegeln weitreichende Veränderungen in der zypriotischen Gesellschaft wider. Sie sind durch eine hohe Plastizität und Expressivität gekennzeichnet, ohne jedoch neue ästhetische Anforderungen an die ursprüngliche, traditionelle Musik der Insel zu stellen. Mehr und mehr zeitgenössische zypriotische Komponisten gingen auch dazu über, in ihrer Musik das heutige Gesellschaftsbild Zyperns widerzuspiegeln. Das Studium der Chorwerke zypriotischer Komponisten dieser Zeit zeigt, dass ihnen ein starker patriotischer Geist innewohnt. Allerdings drücken die Komponisten in ihren Chorwerken durchaus auch ihre Gefühle aus, beschreiben schmerzhafte Erfahrungen, suchen die heilende Kraft der Beichte und ermutigen andere, ihre Gefühle durch dieses starke Medium Chorgesang auszudrücken.
Das Genre, in dem sich die Komponisten hauptsächlich ausdrücken, ist der Chorgesang mit oder ohne Begleitung. „Pop-Oratorien“, Kantaten und Requien, ebenfalls mit revolutionärem und patriotischem Inhalt, nehmen einen besonderen Platz in ihrem Schaffen ein. Je nach ideologischem und künstlerischem Konzept enthält jedes Chorwerk eine Reihe von musikalischen Symbolen oder Bildern. Ihr besonderes Merkmal sind zahlreiche Wiederholungen von einer kurzen Melodie in der Art eines Refrains, aber jedes Mal mit unterschiedlichen Texten.
Unter dem Begriff Oratorium haben zypriotische Komponisten im Allgemeinen jedoch nicht die klassische Form der Gattung im Sinn. Es ist eher eine Art Liederzyklus, der vom Thema, der Begleitung und der Dichtung her unter einem Motto steht. Basierend auf diesen Prinzipien bezeichneten die Komponisten selbst ihre Werke als Pop-Oratorien.
Eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Chormusik während dieser Zeit spielt die Kunstdichtung, deren Struktur hauptsächlich durch freies Versmaß charakterisiert ist, wobei aber die traditionelle Form des Reims auch gewahrt bleibt. Die Hauptvertreter der zeitgenössischen Dichtung Zyperns sind unter anderen: Kleri Angelidou, Costas Mondis, Kypros Chrysanthis, Rina Katseli, Tevkros Anthias. Ihre Dichtungen zeichnen sich durch ungewöhnliche emotionale Spannung aus und sind von persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen inspiriert. Diese Dichtungen haben nicht nur die Komponisten Zyperns, sondern Komponisten aus aller Welt, vor allem aus Griechenland, inspiriert; die Ideen fanden Eingang in ihre Chorwerke, wodurch ihnen sowohl nationale als auch kulturelle Bedeutung zukam.
Die volkstümlichen Gestalten und Bilder der traditionellen Musik der Insel haben ebenfalls einen besonderen Platz in den Chorwerken von zypriotischen Komponisten. Viele Komponisten verwenden für ihre Werke volkstümliche Formen. Obwohl ihre Ursprünge oft schwer nachzuverfolgen sind, kann man generell sagen, dass die Volksmusik den Stil zypriotischer Komponisten beeinflusst hat, der mit seinen oft fragmentarischen oder auch vollständigen Zitaten und traditionellen Rhythmen klar folkloristisch gefärbt ist.
All diese Charakteristika spielen eine wichtige Rolle in der Chormusik Zyperns der letzten 25 Jahre des 20. Jahrhunderts bis heute. Es sind diese Merkmale, die die Basis bilden, auf der die jüngere Generation der zypriotischen Komponisten die gegenwärtige Chorkultur der Insel entwickelt hat.
Der Status des Chorgesangs auf Zypern und ihre kulturellen Voraussetzungen im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts
Die Entwicklung der Chorkunst auf Zypern in den letzten Jahren ist verschiedenen Künstlern zu verdanken. Neben den vielen Chorleitern, von denen einige erwähnt wurden, können wir eine große Anzahl auf Zypern lebender und arbeitender Komponisten stellen. Auch viele Chorensembles spielen eine große Rolle in der Aufbauarbeit. Neben der akademischen Chorausbildung an den beiden privaten Hauptuniversitäten der Insel nehmen Kammervokalensembles oder Vokalensembles der Kulturzentren einen wichtigen Platz in der Chorkultur Zyperns ein.
Darüber hinaus spielen Chorfestivals, die im ganzen Land ausgerichtet werden, eine entscheidende Rolle bei der Professionalisierung des zeitgenössischen Chorgesangs Zyperns. Bei diesen Festivals haben die Sänger die Gelegenheit, andere ausländische Chöre zu hören und dabei die Schönheit der zypriotischen Chorkunst zu erleben. Es ist auch eine Gelegenheit, einen Austausch mit ausländischen Chören in Form von Konzerten oder Chortreffen innerhalb und außerhalb Zyperns zu organisieren.
Eine wichtige Rolle, vor allem für die Chorleiter, spielen ebenfalls die verschiedenen Kongresse, die hauptsächlich in Griechenland stattfinden. Die Chorleiter können sich dort über ihre Erfahrungen in der Chorarbeit austauschen und neue Kontakte knüpfen, Freundschaften schließen oder ihren Ruf festigen. Es ist kein Zufall, dass diese Kongresse die Zusammenarbeit wie auch allgemein künstlerische Leistungen verbessern.
In den letzten 10 Jahren hat der Chorgesang eine zunehmende Rolle im Alltagsleben der Inselbewohner gespielt. Die Chorkultur der Insel befindet sich immer noch im Entwicklungsstadium und wächst ständig weiter, was sicherlich zu weiteren Erfolgen führen wird. Es ist klar, dass die Chormusik bisher vor allem von Amateur- oder Gemeindechören befördert wurde, wobei Kammer-, Männer-, Frauen-, Mädchen- oder Knabenchöre weniger vertreten waren. Dabei nehmen patriotische Themen in der Musik des ganzen Landes einen besonderen Platz ein.
Zweifelsohne erfordert die aktive Weiterentwicklung des Chorgesangs noch manch eine Anstrengung. Es ist aber auch nicht zu übersehen, dass es auf Zypern viele begabte und gut ausgebildete Komponisten und Dirigenten gibt, die bereit sind, ihr Wissen weiterzugeben, und die nach einer Weiterentwicklung der Chorkunst auf der Insel streben.
[1] Gottfried J. Herder, Herders Werke, Suphan, S. 25
[2] The Columbia Electronic Encyclopedia, 6ed., 2007 – Byzantine music
[3] Gioseffo Zarlino (31. Januar oder 22. März 1517 – 4. Februar 1590) war ein italienischer Kapellmeister, Musiktheoretiker und Komponist der Renaissance. Viele nennen ihn den Vater der modernen Musiktheorie. Er schrieb viele musikgeschichtlich bedeutsame Beiträge zu der Theorie des Kontrapunkts und der Stimmung.
Michalis Pagoni ist Direktor der privaten Musikschule “Musical Horizons” in Athienou, Larnace. Er hat Musikpädagogik an der Nationalen Musikakademie „Pancho Vladigerov“ in Sofia, Bulgarien und Chorleitung bei Prof. Theodora Pavlovich studiert. Während seines Studiums war er Mitglied des Akademischen St. Parskeva Chores, dessen Chorleiter er 2005 wurde. 2008 gründete er den Gemischten Chor der Kulturgesellschaft „Ermis Aradippou“, den er bis heute leitet. 2009 schloss er sein Studium der „Public Relations“ am „Chartered Institute of Public Relations“ mit einem Diplom ab. Im Februar 2012 erhielt er die Doktorwürde in Musikwissenschaft mit einer Dissertation über „Interpretatorische Probleme in der zypriotischen Chormusik – von 1974 bis zum ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts“ Er ist außerdem Autor zahlreicher Artikel in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften Zyperns. Er nahm an Chorsymposien sowohl auf Zypern sowie im Ausland teil und machte so die Chorkunst Zyperns bekannt.
Übersetzt von Ursula Wagner, Frankreich
Edited by Ross Nelhams, UK