Die Wahl des Kritikers: Eidos Ensemble
von Jonathan Slawson, Journalist
Εἶδος
Eidos Ensemble, Leiter Andrew Kaplanov
“Die Wahl des Kritikers“ in dieser Ausgabe weicht von meiner “Besessenheit“ für populäre, oft glorifizierte professionelle Gruppen ab und schaut statt dessen auf ein russisches Ensemble, Eidos, geleitet von Andrew Kaplanov. Es reichte eine CD mit dem Titel “Eidos“ per Post ein und ich war voller Ehrfurcht vor der schlichten Eleganz, die sie vermittelte. Die CD, von Tatyana Samburskaya produziert und technisch realisiert von Vladimir Samsonov, beginnt mit drei Werken von Igor Strawinsky: Ave Maria, Credo und Pater Noster. Zu der Zeit, als sie komponiert wurden, verwendete die russisch-orthodoxe Kirche keine Musik mit Instrumenten. So hat Strawinsky, trotz seiner Abneigung gegen A-cappella-Musik, diese Werke so schlicht gesetzt wie er konnte. Eidos führt Strawinskys Absichten wunderschön aus: kurz, schlicht und zielstrebig. Die CD ist nachdenklich und schön, jedoch fehlt es ihr an größeren musikalischen Nuancen. Auch wenn es unklar ist, ob das Absicht war oder nicht (im Hinblick auf die musikalische Auswahl): sie ist gut gemacht. Besonders die ersten drei Stücke erinnern den Zuhörer daran, dass Musik nicht üppig sein muss, um schön zu sein. Diese Aufnahme besitzt eine sehr ursprüngliche Qualität, die ich unglaublich reizvoll finde.
Obwohl diese Fassung des Ave Maria für ein SATB A-cappella-Ensemble arrangiert ist, führt es Eidos fast wie Gregorianik auf. Im Gegensatz dazu ist das Credo eine lebendige, ausdrucksstarke Fassung des ansonsten schlichten slawischen Gesangs. Dieses Stück ist trügerisch und schwierig, weil Strawinsky mehrfach Phrasen schreibt, die nur einen einzigen Ton wiederholen. Diese Auswahl steht in einem großen Kontrast zu dem Ave Maria und dem Pater Noster, die darauf folgen. Dennoch wünschte ich, Eidos hätte manchmal mehr Energie, Ausdruckskraft und mehr Vorwärtsdrang – besonders bei den Wiederholungen. Das Pater Noster, ein musikalisches Zeugnis von Strawinskys Rückkehr zur Kirche, ist mein Favorit unter den dreien.
Zaharia Pashvilis Cherubim Song ist eine ideale “Bühne“ für das Talent der Männerstimmen in dieser Gruppe. Da ist eine reiche, hohle Qualität in dieser hingebungsvollen Melodie, die nicht von den höheren Stimmen überdeckt wird. Under Your Protection von Movchan ist unglaublich; reich an quälenden Dissonanzen und einem Mangel an harmonischer Auflösung. Auf einer CD, der es sonst an Nuancen mangelt, hat dieses Stück einen entschiedenen unglaublich aufregenden musikalischen Höhepunkt. Das bekannte finnische Volkslied, Kristallen den fina, gesetzt in tiefer Lage, verdient aufgrund seiner Vertrautheit “ Zuhörerpunkte“. Die CD schließt mit Gregory Sviridovs Clear Field und Sergey Prokofievs anthemgleichen Satz von Many Years.
Ich gratuliere Eidos zu einer wundervollen CD. Ich freue mich darauf, den musikalischen Fortschritt des Ensembles in der Zukunft zu verfolgen.
Weitere Informationen zu diesem Ensemble finden Sie unter http://eidosmusic.ru/
Jonathan Slawson erwarb seinen Bachelor of Music am Westminster Choir College (USA) und studiert momentan in einem Masterstudiengang Nonprofit Management. Seine beruflichen Interessen liegen in der Kunsterziehung, der Politik und im Management. Er ist Berater der Entwicklungsabteilung für die Bravo Lincoln Center Kampagne, die Hauptkampagne zur Erlangung der nötigen Gelder für die Sanierung des Lincoln Center (New York). Davor war er für die Leitung des Lincoln Centers und dessen Beziehungen zur Bevölkerung verantwortlich. Daneben hat er für Disney’s und In Tune Monthly geschrieben, arbeitete als Herausgeber des Lehrerführers bei New World Stages (Stage Entertainment) und an einem Theater. Er unterrichtete Musik an der Maureen M. Welch Grundschule, am New Jersey Performing Arts Center und am Stagestruck Performing Arts Center. Jonathan Slawson ist Mitglied des Akademierats der Blair Academy of Governors und erhielt 2009 den Preis des Präsidenten des Westminster Choir College, die höchste Auszeichnung der Universität.
Wenn Sie daran interessiert sind, dem International Choral Bulletin eine CD zur Kritik vorzuschlagen, wenden Sie sich bitte an Jonathan Slawson über jonathan.ryan.slawson@gmail.com
Aus dem Englischen übersetzt von Anne Stahl, Deutschland