Grieg Internationales Chorfestival
Drei Veranstaltungen in Einer
Bernie Sherlock, Chorleiterin und Lehrerin/Dozentin
Bergen ist beeindruckend schön. Es ist, nach Oslo, Norwegens zweitgrößte Stadt, gebaut an einem Fjord und umgeben von Bergen. Als ‘Stadt der sieben Berge’ zieht es die Aufmerksamkeit auf sich. Wir in Irland glauben, in Europas regenreichstem Land zu wohnen, aber mit Regen an mindestens 200 Tagen im Jahr wird Bergen zu Recht als eine der regenreichsten Städte auf diesem Planeten angesehen. Dieser Feststellung zum Trotz regnete es nicht ein einziges Mal während des Festivals. Ich war die Touristin mit dem Schirm, der nie benutzt wurde.
Ich hatte das Vergnügen, vom 16. bis 19. Juni als Mitglied der Jury für das Grieg International Choir Festival (GIK) und für den nationalen Chorwettbewerb ‘Syng For Oss’ (SFO) in Bergen zu sein. Ich habe die Gesellschaft von vier ausgezeichneten Kollegen in der Jury genossen: der Vorsitzenden Margarete Ek (Norwegen), Andrea Angelini (Italien), Vaclovas Augustinus (Litauen) und Terje Kvan (Norwegen). Wenn wir nicht gerade über einer Entscheidung saßen, hat man sich sehr gut um uns gekümmert. Wir besichtigten Griegs Sommerhaus und Museum in Troldhaugen, einschließlich der Holzhütte mit dem Blick über den Nordes See, in der er besonders gerne komponierte. Diesen Ort wollte ich schon seit vielen Jahren sehen. Vom Gipfel des Mount Flohen – den wir mit der Seilbahn erreichten – hatten wir einen Panoramablick über ganz Bergen. Außerdem besichtigten wir den pittoresken Fischmarkt und Bryggen, den alten Landungsplatz aus der Zeit der Hanse. Wir wissen, dass Bergen als Handelsplatz im frühen 11. Jahrhundert gegründet wurde und seit dem 13. Jahrhundert die Hauptstadt von Norwegen war, bis es in den 1830ern durch Oslo ersetzt wurde. Bryggen erinnert an die Bedeutung der Stadt als Teil des hanseatischen Bundes, des Handelsimperiums vom 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Seine charakteristischen Holzhäuser, die vielfach aufgrund von Bränden immer wieder aufgebaut wurden, stehen noch. Aber die grundlegenden Strukturen sind erhalten. Es war hochinteressant, diesen alten Teil der Stadt zu besichtigen.
Mit 30.000 Mitgliedern ist die Norwegian Choir Association (NCA) Nordeuropas größte Organisation für Chöre und Chorleiter. Sie hat eine lange Tradition, die in dem starken, reichen Chorleben in Westnorwegens Hordaland Region wurzelt. 1987 war es der NCA, der Norwegens ersten Chorwettbewerb etabliert hat: ‘Syng For Oss‘ (Sing für uns). Gegründet als ein Wettbewerb, der alle zwei Jahre stattfand, der sich einem breiten Spektrum an Chören jeden Hintergrunds öffnete, wuchs er schnell und wurde ein wesentlicher Teil des Chorlebens des Landes.
Nachdem sie einen nationalen Wettbewerb gegründet hatte, richtete die NCA den Blick auf die Chorwelt außerhalb Norwegens. Im Jahr 2004 gründete sie das ‚Grieg International Choir Festival‘ in Bergen mit dem Ziel, über Wettbewerbe und Konzerte Chormusik auf einem hohen internationalen Niveau zu präsentieren. Das Gründungsfestival fand 2005 statt und war ein Erfolg, der den Weg für weitere Festivals in den Jahren 2007, 2009, 2010, 2011 und 2013 und jetzt, 2016 frei machte. Im Laufe der zwölf Jahre haben mehr als 110 Chöre aus 24 Ländern am Festival teilgenommen. Im Jahr 2009 gab es eine Erweiterung durch einen Jugendwettbewerb für Solo-Stimmen. Der ‚NINA Solo Wettbewerb‘ für Sänger im Alter von 16 – 24 Jahren mit klassischer Ausbildung wurde 2010 zum ersten Mal durchgeführt und darauffolgend in den Jahren 2013 und 2016.
Im Jahr 2015 entschieden das ‚Grieg International Choir Festival‘ und die Norwegian Choir Association, dass das Festival 2016 alle drei Wettbewerbe zusammenbringen sollte. Demzufolge sollten ’Syng For Oos’ und das ‘Grieg International Choir Festival‘ – bei denen meine Kollegen und ich entschieden – gleichzeitig in Bergen stattfinden, während die ‘NINA Solo Competition‘ am selben Wochenende in der Konzerthalle in Griegs Sommerhaus in Troldhaugen stattfand. Das Finale des Solo-Wettbewerbs und der Grand Prix der Chorwettbewerbe wurden gemeinsam am selben Abend präsentiert. Das machte einen nachhaltigen Eindruck auf meine Augen und Ohren, und es ist für mich leicht vorstellbar, diese Zusammenarbeit in Zukunft fortzuführen. Festival Manager Annlaug Haus, die treibende Kraft hinter dem neuen Plan, sagte: „Wir glauben, das war eine gute Idee: Internationales und Nationales in einem Festival zusammengefasst. Wir werden diese Veranstaltung in Zukunft mit einer stärkeren Verbindung zwischen dem Festival und den Wettbewerben weiterentwickeln. Annlaug strebt ebenfalls an, die Verbindung zu Grieg in den kommenden Jahren zu stärken. Zusätzlich zu den parallel laufenden Wettbewerben nahmen die teilnehmenden Chöre an einer Auswahl an Freundschaftskonzerten und anderen Festival-Veranstaltungen in Bergen und Umgebung teil. Die Konzerte fanden in verschiedenen Kirchen, Open-Air-Veranstaltungen und Konzertsälen statt.
Da die nationalen und internationalen Wettbewerbe das erste Mal alle zusammen stattfanden, war sich die Jury einig, dass die norwegischen Chöre bei ’Syng For Oos’ mit etwas weniger Punkten für Preise qualifiziert sein sollten als die der Internationalen Wettbewerbe. Der Verband bestätigte, dass das eine effektiver Weg sei, die nationalen Chöre zu ermutigen.
Mit einer Ausnahme fanden alle Wettbewerbe in der herrlichen Grieg-Halle (Grieghallen) statt, dem Zuhause der Bergen Philharmonie mit 1500 Plätzen, die meisterhaft in der Form eines großen Flügels gestaltet wurde. Die einzige Ausnahme war der Eröffnungswettbewerb für Geistliche Musik, der in der Domkirche zu Bergen stattfand. Welch ein Privileg, in einem Gebäude zu entscheiden, das aus dem 12. Jahrhundert stammt und über eine solch ausgezeichnete Akustik verfügt. Der Wettbewerb zog Teilnehmer mit einem sehr hohen Standard an, wie den erstplatzierten gleichstimmigen Chor – La Cappella aus Schweden – der 23,5 von 25 möglichen Punkten erreichte. Besonders beeindruckten uns die gestützten Stimmen, die gute Intonation und das ausgezeichnete Programm, das Stücke von Dino Stella, Mårten Jansson und György Orbán beinhaltete. Ebenso beeindruckten uns die zweit- und drittplatzierten Chöre: Polens Paderewski Chamber Choir und der Ondrasek Czech Youth Choir. Am darauffolgenden Tag fanden die Wettbewerbe in der Grieg-Halle statt, die ebenso ideale Bedingungen für Chorkonzerte bietet. Norwegens bezaubernder gemischter Jugendchor Viva Sandnes Kulturskolekor gewann den internationalen Volksmusik-Wettbewerb, gefolgt von Bergen, das einen Hattrick erzielte, als drei Chöre der Stadt nationale Wettbewerbe gewannen: Volve Vokal, ein ausgezeichnetes Frauen-Ensemble, gewann in der offenen Klasse, Multa Paucis war Sieger des Frauenstimmen-Wettbewerbs, und Bergen Mannskor gewann den Männerchor-Wettbewerb. Den Wettbewerb für nationale gemischte Chöre entschied Osterøykoret für sich, ein gemischter Chor der Insel Osterøy, nordöstlich von Bergen, mit einem unterhaltsamen Programm, das ein humorvolles Arrangement von ‘All About That Bass‘ von Kevin Kadish einschloss. Der Wettbewerb für zeitgenössische Musik lieferte den höchsten Standard des Festivals mit einer hervorragenden Aufführung des Paderewski Chamber Choir aus Polen. Sie sangen Jubilate Deo von Fredrik Sixten, Come Sleep von Daniel Brinsmead und das aufregende und rhythmische Kalinda von Sydney Guillaume. Ich war von Anfang bis Ende gefesselt. Der Wettbewerb der nationalen Kinderchöre war entzückend. Die drei Chöre sangen auf hohem Niveau und gewannen jeder einen Preis. Der erste Preis ging an Skedsmo Voices, einen großen Kinderchor, der aus jungen Mitgliedern aus Romerike und Oslo besteht.
Zu den Aufgaben der Jury gehörte auch die Auswahl der acht besten Chöre für den Grand Prix. Das Ergebnis war ein wunderbarer Abend voller Vorstellungen, die von unterhaltsam über fröhlich bis hin zu bewegend gingen. Darauf folgte das Finale der ’NINA Solo Competition’, das erfolgte, während wir Juroren den Saal verlassen hatten, um die Bewertungen zu diskutieren. Obwohl sich alle Chöre von ihrer besten Seite gezeigt hatten, konnte es nur einen Gewinner geben, und in diesem Fall war es der Paderewski Chamber Choir, der sich wieder als ein in jeder Hinsicht herausragendes Ensemble bewies. Der Abend beinhaltete weiterhin die Verleihung vieler Preise – auch von erheblichem finanziellem Wert – und schloss mit der nochmaligen Aufführung von Kalinda durch die Grand Prix-Gewinner, gefolgt von einem Abschlussfest.
Das Festival war ein großartiges Ereignis. Es zeigt, wie gut Chorsingen in Norwegen unterstützt wird und in welch gutem Zustand die Chorszene dadurch ist. Ich war sehr beeindruckt von der Vielfalt der norwegischen Chöre, die das Festival anzieht. Norwegische Chöre sind auf nationaler Ebene konkurrenzfähig und haben gute Aussichten, auch auf internationalem Niveau zu bestehen. Durch das Stellen einer qualifizierten internationalen Expertenjury stellt das Festival sicher, dass Chöre auf einem hohen Level beurteilt werden und dass sie sicher sein können, zu erfahren, wo sie im Verhältnis zu anderen Chören weltweit stehen. Sänger, mit denen ich sprach, äußerten sich sehr anerkennend zur Norwegian Choir Association und ihrer Hingabe für das Chorsingen und die Musik in Norwegen.
Auch von meinem persönlichen Standpunkt war dies ein eindrucksvolles Ereignis. Ich hatte viel Freude an der Arbeit mit der Vorsitzenden und den Kollegen der Jury, in einer schönen Stadt mit herausragenden Veranstaltungsorten (und ohne Regen). Vor allem gefiel mir die Möglichkeit, so viele schöne Aufführungen wundervoller Musik von Chören innerhalb und außerhalb von Norwegen zu hören.
Bernie Sherlock studierte zwei Jahre Chorleitung bei Peter Erdei und Ildikó Herboly Kocsár in Ungarn, gefolgt von Orchesterleitung bei Gerhard Markson in Dublin. Ihr preisgekrönter Kammerchor New Dublin Voices gewinnt regelmäßig Preise bei wichtigen Wettbewerben in Europa sowie in Irland. Bernie hat einen internationalen Ruf als Jurorin, Choral animateur, Lehrerin für Dirigieren und Gehörbildung und hat mehrere internationale Preise für ihr Dirigieren und ihre Interpretationen erhalten. Sie ist Dozentin am DIT Conservatory of Music, künstlerische Leiterin der AOIC annual Conducting Summer School seit 2008 und die irische Repräsentantin im World Choir Council. Seit 2008 ist Bernie Musikdirektorin der Culwick Choral Society. E-Mail: berniesherlock@gmail.com
Übersetzt aus dem Englischen von Andrea Uhlig, Deutschland