Frühling mit Internationaler Chormusik in Kaunas
Ieva Kananaviciate, Chorleiterin
Die bekannteste Chormusik-Veranstaltung in Litauen ist „Kaunas Cantat“ -Internationales Festival für Chorgesang mit Wettbewerb, das vom 12. bis 15. Mai 2016 in Kaunas stattfand.
4 Tage, 2 Konzerthallen, 4 Kirchen, 8 Länder (Litauen, Lettland, Polen, Tschechische Republik, Finnland, Schweden, Deutschland, Thailand ). Zu erleben waren 10 Kategorien von Chören, professionelle Darbietungen, verschiedene Programme und große Siege.
Zum 6. Mal hatte das litauische Publikum Gelegenheit, religiöse und traditionelle Volksmusik ebenso wie Chorkompositionen aus verschiedenen Regionen kennen zu lernen. Der künstlerische Leiter des Festivals, Rolandas Daugèla, behauptet, dass es in den sechs Jahren seiner Durchführung ein fester Bestandteil des kulturellen Lebens der Stadt Kaunas geworden ist.
Ein wesentliches Element des Festivals ist der Chorwettbewerb, und er ist zum Hauptanliegen der Teilnehmer und ihrer sowohl weltlichen als auch geistlichen Programme geworden. Der Tradition folgend sangen die Chöre in diesem Jahr in der Heiligen Messe der Großen Kirche der Himmelfahrt der Heiligen Jungfrau Maria, der Kirche zum Heiligen Kreuz, der Kirche St. Francis Xavier und der Kirche St. Georg des Märtyrers. In der letztgenannten Kirche fand am dritten Tag des Festivals ein Nachtkonzert „Cantus Nocturnus“ statt, das jedes Jahr lebhaftere Emotionen weckt. Das Zusammenwirken von Dunkelheit, heiliger Gestimmtheit und tief empfundenen Gesängen erzeugt – wenn nicht erhabene religiöse Gefühle, so doch das menschliche Bedürfnis nach erfüllendem Kunsterleben.
Der Vorsitzende der professionellen Jury war Benedykt Blonski, der berühmte polnische Dirigent und Dekan der Fakultät der Schönen Künste an der Universität von Warmia und Mazury. Weitere Mitglieder der Jury waren u.a. Sergey Ekimov, Komponist und Dirigent, Professor am Rimsky- Korsakov Staatlichen Konservatorium in Sankt Petersburg, Raimondas Katinas, Chorleiter und Lehrer, künstlerischer Leiter und Erster Dirigent des ‘Lithuania Song Festivals’, und Rolandas Daugéla, der künstlerische Leiter des Festivals, Dirigent und Assoziierter Professor. Die Zusammensetzung dieser Jury war der Hauptgrund für die Teilnahme ausländischer Chöre. Ein weiterer lockender Aspekt des Festivals waren die ausgezeichneten Konzerthallen in Kaunas. Der Wettbewerb dauerte zwei Tage (Freitag und Samstag) und wurde ausgetragen im Auditorium der Magnus Universität von Vytautas und in der Staatlichen Philharmonie in Kaunas.
Die flexiblen Bewertungskriterien dieses Wettbewerbs basierten auf der Auswahl der Lieder in der Kategorie Chorprogramm, auf der Interpretation, auf dem professionellen Niveau des Dirigenten oder Konzertmeisters.
Die Preise wurden vergeben als Pokale für die Gewinner der zweiten und dritten Plätze und als Grand Prix Pokal für den ersten Platz. In der Tat bietet dieser Wettbewerb äußerst günstige Bedingungen für die Teilnehmer, die günstige Gelegenheiten haben, wenigstens einen Preis zu gewinnen, und sie werden ausgezeichnet mit einer Erwähnung in der Geschichte des Chorwettbewerbs, was oft Anlass für eine zukünftige Berufswahl sein kann.
Im Verlauf des ersten Wettbewerbstages gab es 7 Chöre, 12 Programme, 9 Kategorien zu hören. Jeder Chor vertrat unterschiedliche Stilrichtungen einer chormusikalischen oder Alterskategorie und trat sozusagen nur gegen Teilnehmer in der eigenen Gruppierung an. Man könnte fragen, wo bleibt denn der Wettbewerb, wenn fast jedes Programm nur einen Bewerber hat? Hier offenbart sich die Kompetenz der Jury: Ungeachtet der Zahl der Teilnehmer werden die Chöre nur nach der Qualität ihrer Darbietung bewertet.
Die Teilnehmer waren der Chor der Oberschule von Olzolnieku und der Knabenchor „Spiguni“ aus Lettland in der Kategorie Kinderchöre (A, A1); der Kinderchor “Radost Praga” (Tschechische Rrepublik), der Programme für Kinder-und Jugendchor (B1), Folk (L) und zeitgenössische Musik (M) Kategorien vorbereitet hatten; das Ensemble „Rasa“ der Oberschule aus Kekava, Lettland, – in der Kategorie Ensembles (F); in der Kategorie Jugend unter 25 und in der Kategorie Spiritual, Gospel, Jazz (S) der Universitätschor aus Mahidol, Thailand; der Chor „Echo“ aus Polen; in der Kategorie gemischte Erwachsenenchöre (R) und in der Kategorie Frauen-Kammerchor (E)und der Frauenkammerchor “Resonus” (E).
Wie wir wissen, ist der Wunsch zu siegen uns Menschen angeboren und ermutigt uns, ständig besser zu werden. Dieses Streben ist für die Teilnehmer notwendig und für das Publikum höchst interessant. So möchte ich nun aus der Sicht des Publikums die hervorragendsten Vorführungen zusammenfassen – Darbietungen, denen die volle Aufmerksamkeit geschenkt wurde, weil sie uns aufhorchen und den Ausdruck jedes einzelnen Klanges erleben ließen. Die Kunst Zuhörer zu fesseln ist ebenso wichtig wie die anderen Kriterien der künstlerischen Qualität. In der Tat musste sich das Publikum nicht sehr bemühen, die Besten herauszustellen: Am Ende des ersten Tages gab die Jury die Chöre mit den besten Darbietungen bekannt und diese durften am folgenden Tag um den Grand Prix Pokal wetteifern.
Am Morgen nach den Vorführungen der ausgewählten Chöre und der Preisverleihung wurde schließlich klar, wer, wie und warum, da die grundlegende Idee des gesamten Wettbewerbs sich in den Preisen spiegelte.
Alle Teilnehmer waren wirklich professionelle Künstler: die niedrigsten Preise, silberne Urkunden, gingen nur an zwei Chöre, alle anderen gewannen Gold oder sogar höhere Preise. Der Gewinner des silbernen Preises kam von der Ozolnieku Oberschule (Leiter Ruta Bergmane) mit einem Arrangement lettischer Volkslieder, „Kalejs kala debesis“ (Arrangeur Andris Kontauts) und „Dzied’, masina, skaistas dziesmas“ (Arrangeur Janis Medins). Obwohl er einen engagierten Vortrag bot, konnte dieser Chor die zweite Stufe des Wettbewerbs nicht erreichen, weil die Intonation Mängel zeigte.
Der zweite silberne Preis ging an das Mädchen -Ensemble „Rasa“ (Leitung Dace Bula), welches auch Arrangements lettischer Volkslieder aufführte wie z.B. Dace Robule „Saule“, Selgha Mence „Es bij meita“ und ein Beispiel religiöser Musik: Dace Tolocko „Agnus Dei“. Die Mädchen glänzten durch harmonische Choreographie, stimmlichen Zusammenklang und perfektes Bühnenbild, wofür sie sogar einen Sonderpreis der Jury „für das beste Bühnenbild“ bekamen. Sie wurden jedoch nicht zum Wettstreit um den Grand Prix eingeladen.
Andere Mitbewerber um den Hauptpreis zeigten die unterschiedlichen Stärken der Chor-Kunst. Der Gewinner des dritten Platzes war der Knabenchor „Spiguni“ (Dirigenten Ingus Leilnds und Irina Osipova), der Arrangements lettischer Volkslieder „Riga Dimd“ von Liga Celma-Kursiete und „Suni zakim pedas dzina“ von Romualds Jermaks aufführte. Mit perfekter Intonation, Bühneneffekten und den gefälligen burgunder-farbigen Kostümen bekamen die Jungen nicht nur den Pokal, sondern auch den Publikumspreis.
Der zweite Preis ging an den Frauenchor“ Resonus“, der ein reiches Programm skandinavischer Klänge aufführte. Da die Frauen für ihren Vortrag Lieder von Piotr Janczak „Kyrie“ und Mia Makaroff „Ala sano ehka, jos voit sanoa kylla“ ausgewählt hatten, die besondere Geschmeidigkeit und Technik der Stimmführung erforderten, erhielten sie nicht nur eine Anerkennung durch die Jury, sondern auch einen besonderen Composers Union Choras.lt. Preis „für das beeindruckendste Programm“.
Die Teilnehmer des diesjährigen Wettbewerbs können als professionell, feinsinnig und künstlerisch beschrieben werden; diese Chöre sind verbunden durch gemeinsame Ideen. Offensichtlich übertreffen die Ergebnisse oft die Erwartungen, wenn Menschen von Ideen und Begeisterung geleitet werden. Dies ist der Fall bei zwei überraschenden, völlig gegensätzlichen Chören, dem gemischten Chor der Universität Mahidol (Leitung Rita Subsomboon) und dem Kinder- und Jugendchor „Radost Praha“ (Leitung Jan Pirner). Von den ersten Klängen an glaubte man an ihren Sieg. Die unglaubliche Verbindung von Einheit und Qualität, die den Zuhörer den technischen Aspekt der Aufführung vergessen lässt und die Konzentration völlig auf die Botschaft des Stückes lenkt, verband beide Chöre.
Ein thailändischer Chor führte Programme aus zwei Kategorien auf und zeigte seine Begabung und geistige Qualität. Der Chor gewann den ersten Platz mit der Aufführung von zeitgenössischer religiöser Musik, Brank Stark’s „Plaudate Manibus“ und Paul Caldwell und Sean Ivory’s Spiritual „John the Revelator“. Sie waren jedoch weit davon entfernt, den Grand Prix zu gewinnen, da ihre Intonation nicht ganz genau war. Nicht nur die Qualität des Vortrags, sondern auch die Bühnengestaltung und die außergewöhnliche technische Fertigkeit gewannen dem Konzertmeister Teeranai Jirasirikul Sonderpreise der Jury.
Es gibt jedoch keinen Grund, den Sieg des Chores „Radost Praha“ anzuzweifeln. Obwohl ernsthafte Gegner auftraten, erlebte diese große Gruppe talentierter Mädchen keine starke Herausforderung. Ihre Programme aus vier Kategorien zeigten die außergewöhnliche Stimmqualität und Vielseitigkeit des Chores. Sie starteten mit Werken barocker Komponisten und endeten mit zeitgenössischen Kompositionen. Zwei Aufführungen von Schlussstücken, das tschechische Volkslied „Pred Musika“ (arrangiert von Petr Reznicek) und Jan Novaks „Gloria“, wurden von der Jury mit dem Grand Prix ausgezeichnet. Sie gewannen den ersten Platz wegen ihrer Harmonie, der Geduld der Chormitglieder und ihres Dirigenten und ihrer gemeinsamen Liebe zur Chormusik. Neben dem Hauptpreis gewann der Chor vier Golddiplome, der Konzertmeister Jitka Nesverova erhielt die Ehrenbezeichnung „ Bester Konzertmeister“ und Jan Pirner bekam die Auszeichnung „Bester Chorleiter“.
Am Samstagabend gab es das Konzert der Wettbewerbssieger „Cantus Nocturnus“, welches die zwei Festivaltage widerspiegelte. Jetzt waren die Aufführenden nach den intensiven Vorführungen ruhiger geworden; der Abendfriede der heiligen Stimmung in der Kirche St. George der Märtyrer prägte den Klang der Musik. Die Chöre, die an diesem Schlusskonzert teilnahmen, bewiesen einmal mehr ihr Talent, und der Gesamtsieger stimmte ruhigere Töne an.
Ich glaube, in diesem Moment der Ruhe und Konzentration formte sich im Publikum der Gedanke: Das „Kaunas Cantat“ Festival ist ein wirkliches Geschenk für Litauens Liebhaber der Chormusik und sie würden gern mehr Veranstaltungen von Chormusik auf solch hohem Niveau erleben.
Ieva Kananaviciate studierte am Juozas Gruodis Konservatorium in Kaunas Sekundarstufen- und Musikerziehung mit dem Spezialgebiet Musiktheorie. 2014 begann sie ihren Bachelor-Studiengang der Musiktheorie und -kritik und fachbezogene Studien der Musik-Erziehung an Litauens Musik-und Theater- Akademie. Als Erasmus-Stipendiatin studierte sie an der Universität in Bergen, im akademischen Fachbereich für Grieg. Sie arbeitete in der Gewerkschaft der Künstler Litauens mit. In den vier Jahren aktiver Zusammenarbeit wurden viele Artikel über verschiedene litauische und internationale Chormusik-Festivals auf der Website der Gewerkschaft www.choras.lt. veröffentlicht. Durch ihre aktive Mitarbeit an der litauischen Akademie für Musiktheater und anderen Aufgaben gewann sie praktische Erfahrung in der Leitung von Konzerten und Wettbewerben. Ihrem akademischen Interesse an der Präsentation litauischer Musik-Kultur über die Grenzen Litauens hinaus entsprechend folgten andere Artikel auf der Website des Informationszentrums für litauische Musik, in der Wochenzeitung der Litauischen Schriftsteller-Gewerkschaft Literature and Art und auf der Website der Litauischen Akademie für Musik und Theater. Email: ieva.kananaviciute@gmail.com
Übersetzt aus dem Englischen von Christa Sundermann, Deutschland