Let the Peoples Sing
Über den Chorwettbewerb der EBU 2009 in Oslo
Walter Vorwerk
Musikjournalist
1961 kamen Musikredakteure der BBC auf die Idee, einen besonderen Wettbewerb unter Laienchören Großbritanniens ins Leben zu rufen. Sicherlich stand da auch der Gedanke Pate, die alten Chormusikbestände im Rundfunkarchiv durch moderne und technisch bessere Aufnahmen zu erneuern. Gleichzeitig schuf man damit den Laienchören im Lande eine Plattform, im Radio auftreten zu können. So erfuhren die Besten eine besondere Förderung. Man nannte diesen Wettbewerb “Let the Peoples Sing”, womit die ganze Breite der Chorbewegung angesprochen wurde. Der Erfolg blieb nicht aus, der Wettbewerb drängte förmlich danach, über die englischen Grenzen hinausgetragen zu werden.
1965 erfolgte diese Öffnung für ausländische Chöre, 1966 ging der Wettbewerb in die Verantwortung der EBU (European Broadcasting Union) über. Seit 1989 wird dieser renommierte Radio-Wettbewerb nur noch alle zwei Jahre veranstaltet, mit wechselnder Verantwortlichkeit der EBU-Mitgliedsstationen. Aus den eingereichten aktuellen Chorproduktionen wird durch eine Jury die Finalistenrunde ausgewählt, die seit dem Jahre 2001 zum Konzert im Austragungssender erscheint bzw. live zugeschaltet wird.
Sieger werden in den Kategorien Jugendchöre (15 bis 20 Jahre), Erwachsenenchöre (ohne Altersbeschränkung) und Kinderchöre (bis 14 Jahre) ermittelt. Der Gesamtsieger erhält einen Wanderpokal, die “Silver Rose Bowl”. Seit die EBU nicht mehr so viel Geld in den Wettbewerb investieren kann, müssen die Chöre ihre Ausgaben dafür selber tragen.
Trotz dieser Hürde bleibt der Radio-Wettbewerb eine bewährte Adresse für die Visitenkarte leistungsstarker Laienchöre. Und rund um den Erdball gesendet zu werden, ist nach wie vor ein großer Anreiz.
Die Organisation liegt in den Händen der Music Group der EBU, dessen Vorsitzender seit Mai 2009 der Musikchef des Saarländischen Rundfunks, Friedrich Spangemacher, ist. Seine Stellvertreterin, Jorunn Hope, ist im norwegischen Rundfunk NRK Oslo verantwortlich für internationale Verbindungen und Programmaustausch.
Es war quasi ihre erste Bewährungsprobe, im Auftrage der EBU den diesjährigen Wettbewerb und die Finalrunde “Let the Peoples Sing” in Oslo zu organisieren. Es ist lobenswert, dass sich die EBU um die Entwicklung der Chormusik auf diese Weise weiterhin verdient macht und Laienchören einen Anreiz zur Leistungssteigerung bietet. Es ist ja auch so, dass Rundfunkstationen, die sehr gute Laienchöre zum Wettbewerb entsenden, diesen Chören eine besondere Förderung angedeihen lassen. So hat z.B. Deutschlandradio Kultur das Männervokalensemble Camerata Musica Limburg unter Jan Schumacher nominiert, nachdem dieser Chor 2008 beim Chorfest des Deutschen Chorverbandes in Bremen zwei erste Preise und einen Sonderpreis dieses Senders, eine CD-Produktion, erhalten hatte. Danach wurde mit diesem jungen Männerchorensemble eine Medienpartnerschaft vereinbart, die unter anderem die Entsendung zum EBU-Wettbewerb “Let the Peoples Sing” beinhaltete. Nach erfolgreichem Semifinale konnte dieser Chor am 18. Oktober zur Finalrunde nach Oslo fliegen. Dass dieser exzellente Chor preislos nach Hause fuhr, hat sicher auch den Grund, dass sein Programm zu “schwer” war (u. a. eine Uraufführung – die einzige des Abends) und er das Motto des Wettbewerbs “Let the Peoples Sing” nicht genügend berücksichtigt hat.
Außerordentlich beeindruckend war der Mädchenchor des Klassischen Gymnasiums der Diözese Ljubljana (Slowenien) unter der Dirigentin Helena Fojkar Zupancic. Mit der Programmauswahl, die von geistlicher Chormusik bis zu slowenischer Folklore in hervorragenden Arrangements reichte, und mit dem wunderbar homogenen Chorklang überzeugten die Mädchen so, dass sie bei den Jugendchören 1. Preisträger wurden und den Wanderpokal “Silver Rose Bowl” für exzellente Leistungen als Gesamtsieger eroberten.
Unter den Finalisten waren Chöre aus Österreich, Polen, Kanada, Litauen, Finnland, Deutschland und Norwegen, wohin in der Kategorie “Erwachsenenchöre” der 1. Preis ging (an den Nova Kammerchor unter Leitung von Anne Karin Sundal-Ask). Ingvai Eikaas, die Leiterin der Musikabteilung vom NRK Oslo zum Wettbewerb:
Wir haben hier hervorragende Chöre gehört. Ich denke, dass es wichtig ist, die Hörer zu erreichen, insbesondere auch die jungen Hörer. Es geht ja nicht nur darum, dieses Konzert des Wettbewerbs “Let the Peoples Sing” in viele Länder der EBU zu übertragen, sondern auch darum, andere elektronische Mittel zu nutzen, z.B. die online-Verbindung, die Websites, um rund um den Erdball die singenden Chöre zu zeigen, was und wie sie singen. Das ist ein neuer und moderner Weg, die Hörer zu erreichen.
Jorunn Hope, die neue stellvertretende Musikgruppen-Chefin in der EBU, ergänzt:
Die Chormusik ist meiner Meinung nach ein sehr bedeutsamer Teil des gesamten Musikangebots im Radio. Es ist richtig, die Hörer über die Grenzen hinweg mit hoher Qualität zu erreichen. Bisher war es so, dass die Jury immer Sache von Radioleuten war. In diesem Jahr haben wir erstmalig einen Dirigenten aus Estland in der Jury, der vor zwei Jahren seinen Kinderchor in Köln zum Sieg geführt hat. Ich will damit sagen, dass wir auch das Feedback von Chören und Verbänden für “Let the Peoples Sing” brauchen. Dann wird die Resonanz noch viel größer sein. Interessant ist, dass nicht nur europäische Chöre gemeldet werden – in diesem Jahr ist ein kanadischer Chor dabei, und ein assoziiertes Jurymitglied kommt aus Amerika. Die Erweiterung macht diesen Radio-Wettbewerb noch anziehender für die Chöre.
Und so hat der Wettbewerb der EBU “Let the Peoples Sing” eine Perspektive – er ist nicht mehr nur eine Radio-interne Angelegenheit sein, sondern wird mehr und mehr eine internationale Institution mit internationaler Ausstrahlung.
E-Mail: walter.vorwerk@gmx.de