Nationale Chöre in Neuseeland

Von Karen Grylls, Chorleiterin und Lehrerin

 

Nationalchöre[1]  haben eine große Rolle in Neuseelands Selbstdarstellung im Ausland gespielt. Das betrifft sowohl Auftragskompositionen wie auch die Teilnahme an Festivals und internationalen Chorwettbewerben. Zu diesem Bild haben im Lauf der letzten zehn Jahre gewiss viele weitere Gemeinde- und Schulchöre beigetragen.

In der vergangenen Woche kehrte der Kammerchor Voices New Zealand vom 9. World Choral Symposium in Argentinien zurück. Voices hatte zum ersten Mal an einem internationalen Symposium teilgenommen und, was für uns von größerer Bedeutung ist, der Taonga pūoro[2] Künstler Horomona Horo war Mitglied in unserem künstlerischen Team. Das bedeutete einen großen Schritt vorwärts in unserer Zusammenarbeit mit einheimischen Musikern und Musiktraditionen. Zum ersten Mal wurden für einen Kammerchor Auftragswerke mit Stimmen in der Notation für die Taonga pūoro Instrumente geschrieben. Die Aufführungen der Auftragswerke von unseren begabten neuseeländischen Komponisten sind weiterhin die Trümpfe im Repertoire unserer Jugendchöre, wie zum Beispiel des Kammerchores Voices und des New Zealand Secondary Students’ Choir.

 

Horomona Horo, Taonga Puoro Artists at WSCM9 playing the pkea (wooden trumpet)
Horomona Horo, Taonga Puoro Artists at WSCM9 playing the pkea (wooden trumpet)

 

Elise Bradley[3] und ihr exzellenter Schulchor Key Cygnetures  des Westlake Mädchencolleges in Auckland stellten den ersten Kontakt mit Aroha Cassidy-Nanai her, damals Mitglied der berühmten kapahaka[4]Gruppe Te Waka Huia sowie des Lehrerkollegiums in Westlake. Aufgrund dieser Verbindung wurden einem europäischen Chor erste Māori waiata[5] geschenkt und von ihm aufgeführt. Ich kam erstmals 1993 mit Māori waiata in Berührung, als Keri Kaa und Te Taite Cooper Proben des Jugendchores am Queen Margaret College besuchten. Mit großer Demut erinnere ich mich an den kete (Flachskorb), der mir vor unserer Tournee 1993 von Keri überreicht wurde. Unsere Kenntnis von und unser Verständnis für die waiata erlangten wir dank der Menschen, denen wir begegneten. Piripi Monroe spielte mir zum ersten Mal Ka Waiata auf seiner Ukulele in seinem Wohnzimmer vor. Er war es auch, der mich darauf hinwies, dass unsere grünen Uniformen mit Schärpen mit Māori Motiven versehen werden könnten. Mein Glück war, dass Te Rauhina Williams damit einverstanden war: sie fand das Design sehr gut. Wir mussten die richtige Entscheidung treffen. Also wurden unsere Uniformen aufgepeppt. Tihei mauriora![6] Es war in der Tat ein neuer Anfang für den Jugendchor.

Ohne Vorbehalt kann ich sagen, dass die bedeutendste Entwicklung während meiner 22 Jahre mit dem neuseeländischen Jugendchor die Beziehungen mit Te Waka Huia, Ngapo und Pimia Wehi, Aroha Cassidy-Nanai und Bussy Nanai in den letzten 16 Jahren war. Es war das größte Geschenk, die Möglichkeit zu haben, von ungewöhnlichen Menschen der besten kapahaka-Gruppen in Neuseeland unterrichtet zu werden und mit ihnen zusammen zu arbeiten, und das dank Graham Hoffman vom NZCF, der uns miteinander bekannt machte. In dieser langjährigen  Verbindung haben wir, Te Waka Huia und der NZ National Youth Choir, zusammen auf der Bühne des Opernhauses in Sydney gestanden, und wir wurden mit kapahaka-Gegenständen und Musik von Waka Huia beschenkt. Ich erinnere mich noch an die allererste Aufführung von Kua rongo in der Dreifaltigkeits-Kathedrale in Auckland mit dem NZ National Youth Choir und Waka Huia  vor der Abfahrt nach Sydney. Ein besonderer Augenblick: die beiden Gruppen waren auf der Bühne in voller Aktion, während Ngapo und ich wie stolze Eltern auf der Hinterbühne nervös in die Monitore schauten.

1979 wurde der New Zealand Youth Choir und 1986 der NZ Secondary Student’s Choir von Dr. Guy Jansen gegründet. Diese Chöre sollten jungen Sängern  Möglichkeiten bieten, die es sonst in ihren Regionen nicht gab. Es gab zwei bis drei Treffen pro Jahr, zu denen die Sänger aus allen Landesteilen zusammen kamen, um zu singen. In den vergangenen Jahren sind sie zusammen mit dem NZ Symphony Orchestra, mit Künstlern wie Dame Kiri Te Kanawa und Jonathan Lemalu und unter Dirigenten wie Vladimir Ashkenazy (Mahlers 8. Sinfonie), Howard Shore (Herr der Ringe) und James MacMillan und dem Hilliard Ensemble (The Quickening) aufgetreten.

Die Mitgliedschaft der Nationalchöre ist von den Choraktivitäten im ganzen Land abhängig. Terence Maskells frühere Arbeit mit den Chören des Aorere Colleges und seine gegenwärtige Arbeit mit dem Graduate Choir, zum Beispiel, hatten zur Folge, dass sich in den Reihen der nationalen Chöre nun vorzügliche polynesische Chorsänger befinden. Aufgrund der demographischen Veränderung von Neuseeland in den vergangenen Jahren werden die Nationalchöre des Landes mit jener kulturellen Mischung bevölkert, die Neuseeland ihr zuhause nennt.

Die tiefere Einsicht ist, dass diese drei Chöre Exzellenz im Chorgesang vertreten: der Secondary Students’ Choir nimmt Sänger im Alter von 14 bis 18 Jahren auf, der NZ Youth Choir solche im Alter von 18 bis 25 und Voices NZ Chamber Choir möchte ein professioneller Kammerchor werden. Alle Chöre streben danach, Werke neuseeländischer Komponisten zur Perfektion zu bringen und nationalen Repräsentanten von Aotearoa (Māori Bezeichnung für Neuseeland) auf der ganzen Welt die Ehre zu erweisen.

 

Voices NZ Artistic team before lecture at WSCM9 Left to right Rowan Johnston, Christine Argyle, Karen Grylls, Horomona Horo
Voices NZ Artistic team before lecture at WSCM9 Left to right Rowan Johnston, Christine Argyle, Karen Grylls, Horomona Horo

 

http://www.choirsnz.co.nz NZ Youth Choir und Voices NZ Chamber Choir

http://www.nzsschoir.com/contact NZ Secondary Students’ Choir

 


[1] Die Beipiele der Nationalchöre schließen folgende Chöre ein: The National Male Voice Choir, The National Māori Choir, New Zealand Secondary Students’ Choir (1986), New Zealand Youth Choir (1979), Voices New Zealand Chamber Choir (1998)

[2] Taonga pūoro bezieht sich auf die traditionellen Māori Musikinstrumente

[3] Elise Bradley ist die ehemalige Leiterin des NZ Secondary Students’ Choir, derzeit ist sie Künstlerische Leiterin des Toronto Children’s Chorus

[4] Kapahaka ist in Neuseeland allgemein bekannt als Māori Performing Arts: kapa bedeutet rank oder Rang und haka ist ein Māori Tanz.

[5] Waiata bedeutet Lied

[6] Die Redewendung Tihei mauri ora bezieht sich darauf, wie Hineahuone (die erste geschaffene Frau) ihr Leben eingehaucht wurde. tihei ist wie das Niesen, wenn ein Kind geboren wird, mauri ist die Kraft und ora das Leben.

 

Karen GryllsKaren Grylls, ONZM, Stellvertretende Leiterin der Undergraduate Studien, Außerordentliche Professorin für Dirigieren und Leiterin der Chorstudien an der University of Auckland, leitete den Auckland Dorian Chor (1985-1998), hatte die Position der musikalischen Leiterin für den TOWER NZ Youth Choir 1989 inne und gründete den TOWER Voices NZ im März 1998. Zusätzlich zu ihrer Funktion als Leiterin dieser beiden nationalen Chöre leitet Karen auch den Kammerchor der Universität Auckland und leitet Kurse zu Techniken des Ensemble-Singens für Chöre. Sie graduierte sowohl an der Otago als auch an der Auckland Universität und absolvierte ein Postgraduierten-Studium in Dirigieren und Musiktheorie an den Universitäten von Washington und Seattle, wo sie 4 Jahre bei Professor John Rahn, Abraham Kaplan und Joan Catoni-Conlon studierte. 1985 kehrte sie nach Neuseeland zurück, um an der Auckland University zu lehren und die Leitung des Auckland Dorian Choir  zu übernehmen. Im August 2011 wurde der Voices NZ Chamber Choir ausgewählt, um Neuseeland bei dem 9. Welt Chor- Symposium in Puerto Madryn, Argentinien, zu vertreten. Karen ist sehr gefragt als Chorspezialistin, und es gibt viele CD-Einspielungen mit Chormusik unter ihrer Leitung. Einladungen, als Jurymitglied zu fungieren, haben sie nach Australien, Singapur, Tolosa, Hong Kong, Gorizia und Xiamen geführt. 1996 wurde sie von der Universität mit einer besonderen Auszeichnung für ihre Lehrtätigkeit in Musik geehrt und 1999 erhielt sie die Neujahrsauszeichnung ONZM für ihre Leistungen im Bereich der Chormusik. Ebenso wurde ihr vom Verband der neuseeländischen Komponisten (Composer’s Association of NZ) für ihre Verdienste um die Musik Neuseelands ein Preis verliehen ( KBB Citation for Services to NZ music) und der Lilburn Trust Award. TOWER Voices CD “Spirit of the Land” erhielt 2006 die Auszeichnung Tui Award for “Best Classical Album”. E-mail: k.grylls@auckland.ac.nz 

 

Aus dem Englischen übersetzt von Ursula Wagner, Frankreich

Edited by Irene Aurebach, England