Fair produzierte Instrumente

Franziska Kloos, Musikwissenschaftlerin, Österreich

In jeder Minute gehen Wälder in der Größe von 48 Fußballfeldern verloren. 46% der Wälder der Welt sind bereits zerstört.[1]  

Angesichts des menschengemachten Klimawechsels und seines wachsenden Einflusses auf unser Leben und das anderer Spezies, müssen wir unseren Verbrauch von Ressourcen auf allen Gebieten verändern. Musikinstrumente spielen in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle. Da die Traditionen des Instrumentenbaus im Laufe von Jahrhunderten entstanden, ist es unmöglich, sie in einem kurzen Zeitraum zu ersetzen. Ihr Funktionieren beruht auf so vielen Aspekten – genau wie Ökosysteme durch eine Vielzahl von Bedingungen und voneinander abhängiger Spezies feingestimmt sind. Anders gesagt: Wir schulden gleichermaßen der Natur, der Kunst und der Handwerkskunst Respekt! Aber wie beeinflusst Instrumentenbau die Erde und ihr Klima? Welche Optionen und Alternativen gibt es? Sehen wir an, wie wir einen Unterschied machen und den Weg zur Nachhaltigkeit verändern können.

Schrumpfende Wälder führen zur Abnahme der Vielfalt an Tierwelt, und sie verlieren ihre Fähigkeit das sensible Klima der Erde zu schützen. Extreme Wetterlagen, Stürme, Dürren und Überschwemmungen werden bereits jetzt zur Bedrohung für das Leben auf der Erde. Schutzmaßnahmen und Wiederaufforstung helfen, die immer schneller werdende Veränderung zu verlangsamen und tragen zu der kleinen Chance bei, dem Planeten wenigstens teilweise bei der Erholung zu helfen. Leider sind kostbare, langsam wachsende Hölzer, die traditionell beim Instrumentenbau verwendet werden, bereits völlig ausgestorben oder auf dem Weg dorthin. Darüber hinaus werden ganze Wälder abgeholzt, um seltene tropische Bäume zu gewinnen, die einzeln wachsen.

Bemühungen fanden statt, das Aussterben zu stoppen. Die CITES (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora [Konvention über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten wilder Fauna und Flora]) wurde zum Beispiel beschlossen, um den Markt zu regulieren. Das Schlagen von kostbarem und gefährdetem Holz und der Handel damit wurden verboten. Die Holzregulierung der EU verbietet den Handel mit illegal geschlagenen Hölzern. Und dennoch werden tropische Wälder vernichtet, kostbare Hölzer wie Rosenholz werden täglich aufgrund praktisch fehlender Kontrollen, komplexer Lieferketten und beschämend geringer Strafen gehandelt.[2] Zum Glück helfen einige Zertifikate den Verbrauchern beim Finden nachhaltiger Angebote. Die NAMM[3] arbeitet daran, nachhaltige Praktiken weltweit zu teilen und auszuweiten.[4] Der FSC (Forest Stewardship Council [Rat für Wälderverwaltung])[5] hat hohe ökologische und soziale Standards für den Holzhandel, auch für Musikinstrumente aufgestellt. Die Sound and Fair campaign [solide und fair Kampagne] liefert FSC-zertifiziertes afrikanisches Schwarzholz oder Ebenholz und garantiert absolute Transparenz der Lieferketten für ein Holz, das fast ausgerottet ist und üblicherweise für Holzblasinstrumente verwendet wird.[6] Taylor Guitars fördern in ihrem Ebony Project Wiederaufforstung[7], Martin Guitar engagiert sich für die Verwendung alternativer Hölzer und für Recycling[8]. In Bezug auf Zubehör bietet, Edgware[9] von BBICO[10] Produkte für Holz- und Blechblasinstrumente. Zu ihrer Mission gehören Toxin- und Erdöl-freie non-synthetische Produkte in biologisch abbaubaren und recyclebaren Verpackungen. Vandoren, globaler Spieler bei Rohrblättern für Holzblasinstrumente, reduziert die CO2-Emission bei der Produktion durch die Verwendung von Rohrabfall.[11]

Mit Blick auf die Zukunft stehen wir vor vielfachen Herausforderungen. Die Wiederaufforstung kann nicht mit dem derzeitigen Tempo der Abholzung konkurrieren. Aber wie kann man die Wälder schützen und gleichzeitig die künstlerischen Standards und die Klangqualität erhalten? Für ein Musikinstrument sind Materialeigenschaften wie die Dichte eines Holzes, seine innere 3D-Struktur und die daraus entstehende Stabilität und Flexibilität der Schlüssel zu allen Aspekten der Tonproduktion und -verbreitung. Diese Eigenschaften  hängen genauso von dem Boden ab, auf dem der Baum gewachsen ist wie von der Höhenlage und den Gesamtklima der Gegend. Die Sitka-Fichte ist dafür ein Beispiel. Im kühlen Klima von Alaska und Kanada wächst sie langsam und unter perfekten Bedingungen und erreicht dabei eine Dichte, die für den Bau von Gitarren ideal ist. Die schwindende Menge davon führt dazu, dass Produzenten von Gitarren sich für den Baumschutz engagieren. Neue und schnell gewachsene Bäume aus anderen Regionen können in der Regel nicht konkurrieren: Ihr Holz ist nicht so robust und nicht so resonant.

Also scheinen regionale, neu gewachsenen Hölzer keine Lösung zu sein. Große Hoffnungen werden jedoch auf thermische mechanische Modifikationen gesetzt. Seit 2017 hat an der Universität Eberswalde ein Forschungsprojekt für nachhaltige Entwicklung eine wegweisende Technologie entwickelt: Hölzer wie Rotbuche werden durch dauerhafte Erhitzung ohne Sauerstoff getrocknet; das Material wird bis zum benötigten Punkt dichter. In Zusammenarbeit mit der Reinhardt Best Acoustics GmbH stellten sie bei der Frankfurter Musikmesse Gitarren aus thermo-modifizierten einheimischen Klanghölzern vor.[12]

Im Netzwerk SubMat4Music arbeiten der Eberswalder Professor Alexander Pfriem und sein Team mit Herstellern von Klangholz, Händlern und Instrumentenbauern zusammen: “Unsere Mission besteht darin, die akustischen Eigenschaften von Klanghölzern zu reproduzieren und zu verbessern und langlebige Produkte mit hoher Kundenakzeptanz zu schaffen.” Auch biologische Verfahren wurden untersucht: Die Reduktion der Holzdichte mit Hilfe von Pilzen könnte in Zukunft dabei helfen, das dynamische Spektrum und die Vielfalt der Klangfarben von Soloviolinen neu zu definieren.[13]

Verbundwerkstoffe zeigen einen weiteren Weg zum nachhaltigen Musizieren. Ekoa, eine Mischung aus Flachsleinen und Bioharz, hat einige beachtliche Eigenschaften. Flachs ist anspruchslos und wächst innerhalb von 100 Tagen. Seine starken Fasern wiegen wenig und sind leicht zu formen, dennoch sieht Ekoa wie Holz aus und klingt auch so. Warwick Music bietet für Anfänger robuste Blechblasinstrumente aus recyclebarem ABS-Plastik.[14] Légères synthetische Rohrblätter für Fagott werden für ihre Zuverlässigkeit und Langlebigkeit geschätzt.[15]

Die Suche nach nachhaltigen Alternativen für das Musizieren können zu neuen akustischen Welten führen wie beim Vegetable Orchestra[16]. Das Ensemble spielt auf Instrumenten aus frischem Gemüse, sie kochen nach dem Konzert Suppe aus dem Gemüseabfall. Da die Fantasie keine Grenzen kennt: wer weiß, wie unsere nachhaltige musikalische Zukunft klingen mag….

 

Franziska Kloos studierte an der Folkwang Universität der Künste in Essen Musikerziehung (für Höheres Lehramt) und Musikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Dramaturgie für Konzert und Musiktheater, mit Fagott als Hauptfach-Instrument. Während ihres Studiums arbeitete sie als selbstständige Lehrerin und als Musikjournalistin für Schott Music. 2017 veröffentlichte sie das Buch “Jennifer Walshe: Spiel mit Identitäten” (nur auf Deutsch erhältlich) über die irische Komponistin Jennifer Walshe. Sie arbeitet seit der Saison 2017/18 als Musiktheater-Pädagogin in Österreich an der Grazer Oper und wird ab der Saison 2021/22 eine ähnliche Rolle am Theater Erfurt übernehmen. E-Mail: franziska.kloos@posteo.de

 

Übersetzt aus dem Englischen von Lore Auerbach, Deutschland

 

[1] https://onetreeplanted.org/pages/tree-facts
[2] https://www.sueddeutsche.de/wissen/zerstoerung-des-regenwalds-holzschmuggel-1.2865747
[3] National Association of Music Merchants: https://www.namm.org/about
[4] https://www.namm.org/issues-and-advocacy/regulatory-compliance/sustainability
[5] https://fsc.org/en
[6] https://www.soundandfair.com See also http://www.swisswoodsolutions.ch/de/sonowood — https://www.eben-holz.org
[7] https://www.taylorguitars.com/ebonyproject/
[8] https://www.martinguitar.com/sustainability.html, see also https://www.leonardo-guitar-research.com
[9] https://bbico.com/introducing-edgware-by-bbico/
[10] British Band Instrument Company: https://bbico.com
[11] https://vandoren.fr/en/faq-tips/
[12] https://www.deutschlandfunk.de/frankfurter-musikmesse-2017-zwischen-krisenstimmung-und.807.de.html?dram:article_id=383395
[13] https://nph.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1469-8137.2008.02524.x
[14] https://warwickmusicgroup.com
[15] https://www.legere.com/products/bassoon-reeds/
[16] https://www.vegetableorchestra.org