Der Stolz, Zipoliano zu sein

Von Milagro Brünner

 

Als Maestro Herbert Diehl 1956 durch die Straßen von Córdoba (Argentinien) ging, stellte er fest, dass es keine Kinder gab, die Instrumentenetuis mit sich trugen … lernten sie denn keine Instrumente? Wie sollte es künftig noch ausgebildete Musiker geben? Und er begann mit dem, was alle Kinder können, nämlich singen. Nach guter europäischer Tradition (er war Deutscher) bestand der Chor zunächst nur aus Knaben, aber da einige von ihnen Schwestern hatten, die während der Proben auf sie warteten, lud Maestro Diehl, dessen  Zuneigung zu Kindern wohlbekannt war, sie ein, sich doch an den Proben zu beteiligen, und von da an bestand der Chor ein für alle Male aus Jungen und Mädchen.

 

 

1961 gründete er zusammen mit Dorita Feit die Kindergesangsschule von Córdoba, damit alle Kinder des Chors zur gleichen Schule gingen und eine musikalische Ausbildung erhielten. Grundlegendes Ziel der Schule war „die Weiterentwicklung der Fähigkeiten musikalisch begabter Kinder“.

Auf diese Weise wurden immer mehr Chormitglieder zu Schülern  dieser Schule, bis es 1965 alle waren. In diesem Jahr übernahm Maestro Jorge Kohout die Leitung des Chors, der unter ihm ein exzellentes Niveau erreichte und sich ein Repertoire verschiedener Komponisten unterschiedlicher Epochen erarbeitete, das auf höchstem  musikalischem Niveau dargeboten wurde.

Nach seinem Tod im Jahre 1973 übernahm Memi Sánchez die Leitung, und mit ihr stieg die Anzahl der Konzerte sowie der nationalen und internationalen Konzertreisen.

So ist aus dem Kinderchor von Córdoba die  Kindergesangsschule von Córdoba geworden, die durch ihr brillantes Auftreten auf nationaler und internationaler Ebene zu einer Vergrößerung der Institution führte,  wodurch es im Lauf der Jahre zur Einrichtung des Vorbereitungschors kam (der aus neun- bis zehnjährigen Schülern der Grundschule besteht), in dem die Kinder durch tägliche Proben an die systematische Chorarbeit herangeführt werden sollen.

Der Jugendchor (der aus 15- bis 17jährigen Schülern der weiterführenden Schule besteht) entstand zur Weiterentwicklung und Perfektionierung des Chorgesangs der Jugendlichen.

Das Jugendflötenorchester ergänzt die umfassende musikalische Ausbildung der Jugendlichen,  insbesondere der Jungen, die sich im Stimmbruch befinden.

Die 11- bis 14jährigen Primar-und Sekundarschüler sind in der Kindergesangsschule von Córdoba zusammengefasst.

Die Schule öffnete ihre Pforten in den Korridoren des Teatro Rivera Indarte (dem heutigen Teatro del Libertador) unter großer materieller Armut, aber mit großer geistiger Kraft.

1968 wurde die Gesangsschule erweitert, indem man das sekundäre Niveau gründete, das wegen des angesehenen italienischen Komponisten und Organisten, der mit den Missionen nach Córdoba gelangte und eine großartige musikalische Arbeit entfaltete, den Namen Instituto “Domingo Zípoli” erhielt.

Damals gründeten die “Zipolianos” schon Klassen für die 4- bis 5jährigen Kinder des Vorschulalters, die über die Grundschule weitergeführt wurden bis hin zum Erreichen des Abiturs, des bachillerato, mit 17 Jahren.

Die allgemeine wie die musikalische Schulausbildung (beide obligatorisch) ermöglicht es den Schülern, täglich von 7.40 Uhr bis 17.00 Uhr den normalen, für alle Schulen verbindlichen Unterricht zu verfolgen, mit einer zusätzlichen Spezialausbildung in Musik, wozu noch eine tägliche Chorprobe von anderthalb Stunden kommt.

Sie schließen ihre Ausbildung mit dem Titel eines “Bachelor für Chorausbildung” („Bachilleres Preparadores de Coro”) ab, der ihnen die Lehrbefugnis als Musiklehrer an Grundschulen und als Chorleiter für alle Niveaustufen gibt.

Unsere Schule ist dem Erziehungsministerium der Provinz Córdoba unterstellt, weshalb sie öffentlich und gebührenfrei ist.

Für die Zulassung zu den Klassen des Kindergartens und des ersten Schuljahrs werden die natürlichen stimmlichen, gehörmäßigen und rhythmischen Voraussetzungen getestet; für die fortgeschrittenen Kurse werden zunächst diese natürlichen Voraussetzungen, und in einem zweiten Schritt die musikalischen Fächer, die nicht Gegenstand des Unterrichts waren, sowie die Englischkenntnisse evaluiert.

Jedes Jahr schreiben sich mehr als 90% der Schulabgänger problemlos für verschiedene universitäre Ausbildungswege ein, aber parallel dazu engagieren sie sich als Musiklehrer in verschiedenen Ausbildungsstufen, sowie als Chorleiter und/oder Stimmbildner offizieller, universitärer oder berufsbezogener Chöre.

Die mehrjährige Praxis täglicher Chorproben und die zusätzlichen theoretischen Kenntnisse in Gesangstechnik, Theorie und Geschichte der universellen sowie der argentinischen Musik, Werkanalyse, Harmonielehre, Musikpädagogik sowie musikalische Praktika und die fünfjährige Ausbildung zum Chorleiter (mit 13 Jahren fangen sie damit an Chöre zu dirigieren), ermöglicht es ihnen, am Ende der Sekundarstufe ein öffentliches Abschlusskonzert zu geben, mit Werken des universellen Repertoires von der Renaissance bis zum 20. Jahrhundert, wobei sie Chöre leiten, die von den eigenen Kurskameraden ausgebildet wurden.

Das hat Zípoli zu einer Fabrik für Chorleiter und Stimmbildner gemacht und die Musikgeschichte Córdobas in neue Bahnen gelenkt, denn zur Zeit gibt es keinen Chor, von welchem Niveau auch immer, der nicht den einen oder anderen Zipolianer in seinen Reihen hätte, und die Chorleiter bzw. Chorleiterassistenten der wichtigsten Künstlervereinigungen der Provinz sind Zipolianer.

Mit der Schaffung der “Hochschule zur Ausbildung von Chorleitern“ (“Tecnicatura Superior en Dirección Coral”) im Jahre 2007 vervollständigte sich der noch fehlende Teil des Ausbildungszyklus, so dass sich die Saat zu dem entfalten konnte, was sie heute ist:

die “Künstlerisch-musikalische pädagogische Hochschule der Kindergesangsschule Domingo Zípoli von Córdoba“ (“Instituto Superior de Educación Artístico Musical Domingo Zípoli-Escuela de Niños Cantores de Córdoba” ).

 

Sie besteht zur Zeit aus:

• 2 VORBEREITUNGSCHÖREN
• 4 KINDERCHÖREN VON CÓRDOBA
• 3 JUGENDCHÖREN: ZWEI WEIBLICHEN UND EINEM GEMISCHTEN    
• JUGENDFLÖTENORCHESTER

 

Während seiner langen Karriere hat der Kinderchor unter seinen verschiedenen Leitern weltweit zahlreiche Auszeichnungen erhalten:

• 1. Preis in Arnheim (Holland)

• Preis “Diapasón de Oro” (Frankreich) für den Verkauf von 40000 CDs von “Los Caminos del Barroco”
• 3. Preis in Tolosa (Spanien)
• Goldmedaille des Internationalen Chorwettbewerbs von Athen (Griechenland)
• 3. Preis in Arezzo (Italien)
• Würdigung bei der 50-Jahrfeier der UNO (USA)

 

Er hat sich an sinfonischen Chorkonzerten und Operninszenierungen im Teatro del Libertador beteiligt.

Der größte Preis ist aber, dass so viele hiesige Menschen durch das Engagement unserer Chorleiter am  Zípoli ihre Liebe zur Musik entdeckt haben, ebenso wie unsere Kinder…und deren Kinder….

Córdoba ist eine klingende Stadt.

Endlich kann man in unseren Straßen Kinder und Jugendliche sehen, die Instrumente tragen, sowie die endlosen Personengruppen, die sich an den Chorproben beteiligen, eine Landschaft, die genau dem Bild entspricht, das Maestro Diehl vor 50 Jahren vorschwebte.

Und heute können wir uns gerade so ausdrücken, wie Dora Feit es tat: “Am 3. April 1961 öffnet die Kindersängerschule ihre Pforten für Córdoba, und sie werden sich nicht mehr schließen, solange es noch einen ihrer Schulabgänger gibt”.

Wofür ich hiermit Zeugnis ablege.

 

 

Milagro Brünner De Flores. Absolventin des Instituto Domingo Zípoli als “Bachelor für Chorausbildung” und der Kunstakademie der Universidad Nacional von Córdoba mit dem Titel einer „Lizenziatin in musikalischer Komposition“. Sie war Assistenzleiterin des Chors der philosophischen und geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universidad Nacional von Córdoba. Sie ist Leiterin des  Kinderchors von Córdoba. Am Instituto Domingo Zípoli ist sie Professorin für Gesangstechnik sowie für Chorpraxis und Chorleitung. Sie hat als Dozentin einen Lehrstuhl in Coro III und Chorleitungstechnik III an der Hochschule für Chorleitung des  Instituto Domingo Zípoli. Zur Zeit ist sie als Assistenz-Chorleiterin des Städtischen Chors von Córdoba tätig.

 

Aus dem Spanischen übersetzt von Reinhard Kißler