Die II. Kinder - und Jugendchor - Weltmeisterschaft., St. Petersburg im Februar 2015

Von Romans Vanags, außerordentlicher Professor an der Lettischen J.Vitols Musikakademie, Künstlerischer Direktor für Interkultur

 

Chorwettbewerbe und Festivals finden jedes Jahr, oft sogar monatlich, überall auf der Welt statt. Deshalb ist es für manche Chöre und ihre Chefs schwer, zu entscheiden, an welchen Wettbewerben sie teilnehmen möchten. Einige Chöre entscheiden sich für den sogenannten Kulturtourismus und fahren an Orte, wo sie noch nicht waren, andere suchen den Vergleich mit hoch qualifizierten Chören wegen der härteren Konkurrenz, wieder andere bevorzugen besonders einfache Wettbewerbsbedingungen in Bezug auf Musikauswahl, Anforderungen und Zulassungsbedingungen. Um die Qualität des Wettbewerbs und eine hohe Beteiligung zu gewährleisten, müssen die Organisatoren oft nach neuen Formen und Inhalten suchen, damit ihr Wettbewerb etwas ganz Besonderes bietet.

Die “Kinder – und Jugendchor – Weltmeisterschaft “, die von der St. Petersburger Kulturagentur Inter Aspekt in Zusammenarbeit mit der staatlichen russischen Pädagogischen Universität Herzen veranstaltet wird, ist das Ergebnis einer Suche nach neuen Wegen. Der Wettbewerb richtet sich per Definition an eine bestimmte Kategorie von Chören, wobei ein Alterslimit die Zusammensetzung der Beteiligten und die Wettbewerbsregeln bestimmt. Auch das Wettbewerbsmodell selbst ist interessant: Ähnlich wie bei Sportveranstaltungen treten die Chöre in Achtelfinalen, Viertelfinalen und Halbfinalen gegen einander an, und nur die allerbesten dürfen an den Finalen teilnehmen. Dies erzeugt sicherlich Intrigen, aber auch wahren Wettbewerbsgeist. Ähnlich wie bei den von Interkultur organisierten “Welt – Chorspielen” ist der Kampf um den Meistertitel sehr leidenschaftlich, da durch dieses Sieb nur die leistungsfähigsten, in technischer und musikalischer Hinsicht stärksten Chöre das Finale erreichen.

 

All participants singing together
All participants singing together

In diesem Jahr fand die II. Kinder- und Jugendchor Weltmeisterschaft in St. Petersburg vom 15. bis zum 22. Februar statt und wurde von 30 Chören besucht, meist aus Russland und Osteuropa. Das ist verständlich, denn die augenblickliche geopolitische Situation ist für die Organisation groß angelegter, internationaler Kunst- und Kulturfestivals in der Region nicht sehr günstig. Ich möchte nichtsdestotrotz den Organisatoren, besonders Elena Brizina und Igor Matjukov, meine Anerkennung für ihre extrem professionelle und gleichzeitig aufrichtige Haltung aussprechen. Jede Wettbewerbsrunde wurde sehr präzise geplant, und die Aufführungen erfreuten sich eines großen öffentlichen Interesses. Ebenso waren Qualität und Objektivität durch die internationale Jury unter der Leitung von Sergei Jekimov, Komponist, Dirigent und Professor am St. Petersburger N. Rimsky-Korsakov Konservatorium gewährleistet. Ich selbst hatte das Vergnügen, mit meinen Kollegen Andrea Angelini (Italien), Milan Kolena (Slovakia), Vytautas Miskinis (Litauen) und Valeri Uspenski (Russland) zusammenzuarbeiten. Jeder dieser Experten ist von Chormitgliedern und Dirigenten der ganzen Welt anerkannt. Ich hoffe, dass sowohl die Expertenurteile als auch die Diskussionen nach dem Wettbewerb für die Chöre und ihre Dirigenten aussagekräftig waren. Jeder Wettstreit hat seine eigenen Anführer, aber auch Chöre, deren Vorstellung eine erfreuliche Überraschung ist. Der Anführer dieser Meisterschaft war von Anfang an der N. Rimsky-Korsakov Studentenchor des St. Petersburger Konservatoriums unter der Leitung von Anton Maksimov. Besonders lebendig war die Aufführung des Chors in der letzten Finalrunde. Die stimmlichen und technischen Fähigkeiten und das professionelle Training der Sänger bestimmten das Ergebnis und bestätigten eindrucksvoll den hohen Standard des Konservatoriums. Nach dem Wettbewerb dachte die Jury allerdings darüber nach, ob derartige Schul- und Universitätschöre nicht eine eigene Kategorie bekommen sollten, da bei einem Wettkampf in der gleichen Gruppe mit Chören ohne vergleichbare musikalische Erfahrung die Gewinnchancen für letztere sehr begrenzt sind. Ähnliche künstlerische Qualitäten im Wettbewerb zeigten der Daugavpils Stanislav Brok Musik Schulchor aus Lettland (unter der Leitung von Yevgeny Ustinskov) und der Simferopol Kindermusik Schulchor (unter der Leitung von Viktor Zaslavskiy). Der Kinderchor ‘Avrora’ aus Moskau unter der Leitung von Anastasia Belajeva begeisterte durch sein klares Klangbild, und der St. Petersburger Chor ‘Petersburg Stars’ unter der Leitung von Svetlana Galimova erreichte beim Publikum eine ganz besondere Resonanz. Diesem Chor, in dem Kinder mit Sehbehinderungen singen, gelang eine erstaunlich charmante und harmonische Aufführung!

Das Modell dieser Meisterschaft verlangte von den Dirigenten, ihr Programm taktisch so zu planen, dass ihre Aufführungen in jeder Runde technisch und künstlerisch besser wurden. Chören, die ein geeignetes Programm gewählt hatten, gelang es, das Interesse des Publikums und der Jury bis zum Finale des Wettbewerbs zu erhalten. Es ist den Organisatoren hoch anzurechnen, dass sie den Chören die Gelegenheit gaben, ihre Programme in den berühmten und akustisch ausgezeichneten Konzerthallen von St. Petersburg aufzuführen – nämlich in der großen Halle des St. Petersburger N. Rimsky-Korsakov Konservatoriums sowie in der staatlichen akademischen M. Glinka Kapelle. Diese Konzerthallen, in denen schon die besten Künstler der Welt aufgetreten sind, werden den Sängern und Dirigenten sicherlich in Erinnerung bleiben. Jeder Chor hatte überdies die Möglichkeit, während des Festivals unabhängige Konzerte zu geben. Außerdem konnten die Teilnehmer auch ein Konzert in einer der berühmtesten Kirchen Russlands – der Spaß na Krovy (Auferstehungs- oder Bluterlöserkirche) besuchen.

Children's Choir Allegri (Novouralsk, Russia)
Children’s Choir Allegri (Novouralsk, Russia)

Die Organisatoren hatten alles sehr sorgfältig geplant, so dass jeder Chor mit angemessenen Gedenkpreisen und Diplomen ausgezeichnet wurde. Ich habe bisher noch nie so viele Unterstützer gesehen, die ihre jeweiligen Favoriten mit speziellen Sympathiepreisen auszeichnen wollten. Bei der Abschlussfeier fühlte sich jeder Chor als Gewinner, die Augen der Kinder strahlten und ihre Herzen waren mit Freude erfüllt.

Abschließend sei gesagt, dass solche Chorwettstreite viel zur Entwicklung eines jeden Chors beitragen und das Selbstbewusstsein der jungen Sänger stärken. Ich würde mich freuen, wenn die St. Petersburger Organisatoren nicht stehen blieben und weiter neue, kreative Ideen entwickelten. Für die nahe Zukunft des Wettbewerbs wäre es wichtig, Chöre aus ferneren Regionen anzuziehen, um das echte Gefühl einer Weltmeisterschaft zu erzeugen. Ich hoffe, dass in der Welt Friede wird und dass dieses Musikfestival, bei dem Kinder- und Jugendchöre zusammen musizieren, zu diesem Frieden beiträgt.

 

Romans Vanags hat einen Abschluss vom Emils Darzin’s Musikcollege sowie von der Abteilung „Chor- und Orchester Leitung“ des staatlichen Lettischen Jäzeps Vitols Konservatoriums in Riga (das inzwischen Lettische Jäzeps Vitols’ Musikakademie heißt). Er hat Diplome sowohl in Chorleitung als auch in Musikpädagogik. Außerdem ist er ausgebildeter Symphonieorchesterdirigent. 2003 erlangte er seinen Master in Musikwissenschaft. Romans Vanags’ arbeitete bisher v. a. als Dirigent und Lehrer. Mehrere Jahre (von 1984 bis 2004) war er Chefdirigent des Lehrerchors Vanema, und seit 1990 leitet er den Frauenchor Minjona der Lettischen Universität. Seit 1987 ist er Chefdirigent und künstlerischer Direktor des Knabenchors der Jäzeps Medins Musikschule. Von 1990 bis 1993 arbeitete er mit dem Symphonieorchester des Jäzeps Medins College. Seit 1987 ist Romans Vanags bei der Lettischen Musikakademie in Riga als Professor für Chorleitung angestellt. Email: romans@latnet.lv

 

Übersetzt aus dem Englischen von Silke Klemm, Belgien