Die Tradition des Chorsingens in Albanien
Suzana Turku, Chordirigentin und Vize-Ministerin für Kultur und Tourismus in der Republik Albanien
Die Musik-Kultur in Albanien ist genauso uralt wie das albanische Volk selbst, das unter dem Namen Pellazgë auf der Balkanhalbinsel lebte. Ein wichtiger Teil seiner Kultur ist die Kunst des Chorsingens.
In unserem Land wird das Chorsingen – abgesehen davon, dass es Teil unserer Folklore ist, also von unmessbarem Wert als Teil unseres kulturellen Erbes – im Rahmen der künstlerischen Kultur, die die Albaner während ihrer Geschichte als Nation immer gepflegt haben, hoch geschätzt.
Das unbegleitete albanische Singen im Volksstil, als Iso-Polyphonie bezeichnet und über die Jahrhunderte hinweg zu uns überliefert, ist heutzutage international bekannt; sein besonderer Wert ist anerkannt und durch die Tatsache bestätigt, dass die UNESCO es durch Aufnahme in die Liste der “Meisterwerke des mündlichen, nie aufgeschriebenen Erbes der Menschheit” geehrt hat.
Abgesehen davon, dass es Teil unserer Überlieferung ist, erfüllt das a cappella Singen bis heute das Musikleben unseres Landes mit seiner Energie. Die Iso-Polyphonie wird von den Bewohnern der südlichen Landesteile immer noch viel gepflegt, und sie basiert auf zwei Dialekten: Lab und Tosk, die beide unterschiedlichen Stil und Eigenheiten besitzen.
Das iso-polyphone Chorsingen hat die Chorkunst beeinflusst und ihr eine Richtung verliehen, und es gibt viele Querverbindungen. Nicht nur der traditionelle Volksgesang in Gruppen, sondern auch das Chorsingen hat sich in unserem Land wesentlich verbessert.
Schon gleich vom Anfang unserer Zeitrechnung an, im ersten Jahrhundert, zu der Zeit, als die Musik von der christlichen Religion beeinflusst war, gab es zahlreiche Musiker wie Nikete Dardani (340-414), gebürtig aus Dardanien, die mehrere geistliche Werke schrieben. Sein Meisterwerk ist ein Te Deum, das bis heute treulich den Geist der langen Tradition des Chorsingens in Albanien bezeugt. Der 7. Januar – im katholischen Kalender – ist immer seinem Andenken gewidmet.
Während der byzantinischen Ära, 4.-8. Jahrhundert, war der bekannte Jan Kukuzeli ein echtes musikalisches Talent und einer der großen Reformer der byzantinischen Musik, und auf Grund dieser Leistungen wurde er zum Leiter der kaiserlichen Kapelle in Konstantinopel ernannt. Während seiner Pilgerfahrt zum Berg Athos in Griechenland schuf er verschiedene geistliche Vokalwerke, darunter Die biblischen Psalmen (Nr. 117), Das Lied des Cherubs und Der große Papadik Iso [Der große Papst Gregor]. Darüber hinaus schuf er das ausgesprochen bedeutende kukuzelische theoretische System, das eine wesentliche Neuerung darstellte, und er beeinflusste die Entwicklung des byzantinischen musikalischen Alphabets.
Jan Kukuzeli schrieb viele geistliche Werke, die das künstlerische Niveau der Musik beeinflussten und die Kunst des Singens verbesserten. Wegen ihrer anhaltenden Beliebtheit und wegen der Werte, die in zwei seiner Stücke, Glaube an Propheten und Das Abendmahl, zum Ausdruck kommen, schrieb der italienische Musikwissenschaftler Giuseppe Ferrari in seinem Werk Albanien und die byzantinische liturgische Musik, Palermo, 1979: “ … diese zwei Werke kommen nicht nur in griechischen Klöstern, sondern auch in den großen Kathedralen zu Gehör. In der Kathedrale von Konstantinopel schmunzelte ich, als ich Werke von Kukuzeli hörte, und ich dachte an Durres und Kukuzeli, die so stolz darauf waren, Albaner zu sein … “.
Für den Zeitabschnitt nach Kukuzeli finden wir keine Informationen, durch die wir wesentlich Entwicklungen in der Musik-Kultur verfolgen könnten, aber zwischen dem vierzehnten und sechzehnten Jahrhundert finden wir Chorlieder, verfasst von vielen Albanern, die während der ottomanischen Invasion in den italienischen Landesteilen lebten, vor allem die geistlichen Chorwerke von Gjergj Danusch Lapacja mit seinem Werk Antifonarit (1532), das in der Diözese von Monopoli in Italien aufbewahrt wird.
Sogar in der Zeit der musikalischen Klassik und Romantik schrieben viele Albaner Chormusik, während sie im Ausland lebten. Besonders erwähnenswert unter diesen sind Mescha und Oratori von Luigi Albanesi (1821-1897) oder Ave Maria Coelorum von Mihovil Mijo Qurkovitsch (1852-1936), einem albanischen Komponisten, der in Kroatien lebte.
So können wir sehen, dass das Chorsingen in Albanien auf eine lange Geschichte des Fortschrittes und der Tradition zurückblicken kann, aber in manchen Fällen ist es wegen der 500 Jahre unter ottomanischer Besetzung und der sich daraus ergebenden politischen Probleme sehr schwierig, wissenschaftlich untermauerte Dokumentation zu finden, die dies beweisen.
Trotz all der Schwierigkeiten und Unterbrechungen in dieser Tradition während verschiedener Perioden in der politischen Geschichte von Albanien ist die Kunst des Chorsingens so uralt wie die Albaner selbst, die sie meist in Kirchen zur Aufführung bringen. Während all dieser Zeitabschnitte konzentrierten sich Chorschaffen sowie Aufführungspraxis ausschließlich auf das religiöse Leben.
Wir verdanken es der albanischen “Renaissance” im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, dass, trotz des Widerstandes gegen die Besetzung, die albanische Volksmusik neue Inspiration und Ausrichtung erlebte, nach dem Vorbild anderer europäischer Länder. Aus diesem Grunde wurde ein neuer Zugang zur weltlichen Chormusik nicht nur in Kirchen, sondern in anderen öffentlich zugänglichen Bereichen, sehr beliebt – ein Zugang, der den Befreiungskrieg und patriotische Werte betonte. Die Kunst des Chorsingens wurde durch heroische und patriotische Themen gekennzeichnet, die zur Förderung der albanischen Vorstellungen der Aufklärung während der Zeit der Befreiung in der albanischen “Renaissance” im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert eingesetzt wurden.
Die albanische Musik unterzog sich vielen Veränderungen, deren erste durch die albanische “Renaissance” bis zur Unabhängigkeitserklärung 1912 reichte: die Chormusik folgte dem Beispiel der patriotischen Musik anderer Balkanländer. Inzwischen wurden, zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, die ersten Chöre ins Leben gerufen, in engem Zusammenhang mit kulturellen und patriotischen Organisationen.
Zu den größten Komponisten dieser Zeit zählen Palokë Kurti, Fran Ndoja, Thanas Floqi sowie viele andere, die – neben der Komposition von Orchestermusik – viele Chorwerke und Lieder im Volkston schufen. Die Chorlieder, beseelt von demokratischen und patriotischen Motiven, verbreiteten sich im ganzen Land und wurden von Tag zu Tag bekannter und beliebter, mehr als jegliche andere Art Musik. Der Einfallsreichtum der Chormusik dieses Zeitabschnittes zeichnet sich durch große Schöpferkraft in Bezug auf Lieder mit patriotischen Motiven aus; diese waren vor der Unabhängigkeitserklärung von 1912 im ganzen Land das Hauptthema.
Die Texte von Chorliedern waren weitgehend durch den heldenhaften Kampf gegen die Besetzung inspiriert, mit dem die Albaner beschäftigt waren. Darunter finden wir Ihr tapferen Soldaten, Für das Vaterland, Wir Kerle, Meine Ehre ruft mich, Ich habe Heimweh nach dem Vaterland und Söhne von Skanderbeg[1], die immer noch zum zeitgenössischen Repertoire der albanischen Chormusik gehören. Viele der Autoren dieser Lieder wie Mihal Grameno, Asdreni (Alexander Stavre Drenova), Paschko Wasa, Hil Mosi waren gleichzeitig Führer der nationalen Unabhängigkeitsbewegung.
Der zweite Zeitabschnitt vertritt den musikalischen Fortschritt, der nach der albanischen Unabhängigkeitserklärung einsetzte, von 1912 bis 1944.
Dies war eine Periode, in der sich die berufsbezogenen und dynamischen Aspekte der albanischen Musik am stärksten entwickelten. Patriotische und kulturelle Organisationen, die während der albanischen “Renaissance” gegründet worden waren, setzten ihre Arbeit fort, indem sie sich um die Ausweitung und Entwicklung der Chormusik im ganzen Land bemühten. Innerhalb kurzer Zeit öffneten Kulturzentren in vielen Städten ihre Tore, darunter in Korçë, Schkodër, Gjirokastër, Elbasan, Vlorë, Durrës und Berat. Ihr Wirken verlieh dem künstlerischen Leben der wichtigsten albanischen Städte neue Energie und lieferte einen neuen Zugang zum Chorgesang.
Während dieses Zeitabschnittes war das Chorschaffen in allen Aspekten seiner Harmonien und Arrangements von patriotischen Themen beseelt. Die bekanntesten Komponisten dieser Periode waren Lee Kurti, Thoma Nasi, Martin Gjoka, Fan Noli und Kristo Kono, die viele religiöse und weltliche Lieder im Volksstil komponierten. Die Chöre wurden immer höher qualifiziert und attraktiver. Der Hauptgrund für diesen grundlegenden Fortschritt bestand in der Teilnahme und der Unterstützung, die von vielen Komponisten ausging, die im Westen studiert hatten.
Die wichtigste Vokalgruppe dieser Zeit war der Chor Lira, der 1920 in Korçë gegründet wurde, unter der Leitung des Komponisten Thoma Nasi, der in den USA Komposition studiert hatte. Später stand er unter der Leitung des Sängers Mihal Ciko und des Komponisten Kristo Kono, die beide in Italien ausgebildet worden waren. Zu ihren besten Werken gehören Vlora-Vlora und Hymni i Vatres [Hymne an den heimischen Herd], von Nasi, Çungrit lulja në mëngjes [Am Morgen wachte die Rose auf] und Zoge ku më je rritur [Wo wächst du?] von Kono. In späteren Jahren lieferte der Komponist Kristo Kono Beispiele zur Perspektive des Chorsingens im großen Rahmen, in Werken wie Albanische Chor-Rhapsodie Nr. 1 und Albanische Chor-Rhaspodie Nr. 2, 1938 und 1939 geschrieben.
Der Chor Lira löste sich 1939 auf, als Albanien von italienischen Truppen besetzt wurde, und nahm erst nach Kriegsende seine Arbeit wieder auf. Im Jahre 1932 wurde auch ein Mädchenchor gegründet: in der “Königinmutter-Schule” in Tirana unter Leitung der Sängerin Jorgjia Filce (Truja), die in Italien studiert hatte. Im Repertoire dieses Chores fanden sich viele Werke von europäischen Komponisten der Zeit, nicht nur von Albanern. Zwischen 1930 und 1940 wirkte der Chor auch in vielen Bühnenaufführungen mit.
Die Leistungen von Kirchenchören wie der Scuola Cantorum in Schkodër oder den Chören von Kirchen wie Schën Thanasi, Schën Gjergji und Schën Ilia in Korcë waren zu dieser Zeit erwähnenswert.
Die Scuola Cantorum an der Kathedrale von Schkodër wurde 1932 auf Initiative des Kardinals und Komponisten Vater Mikel Koliqi gegründet. In seinem Buch über Kardinal Mikel Koliqi, Sinfonie eines Lebens, schrieb Professor Gjon Simoni: “ … Die Werke, die Kardinal Mikel Koliqi zu religiösen Themen komponierte, wie Viri Galilei, Confirmat hoc Deus, Cor Jesu, Sacerdotes Domini und Ecce Sacerdos, nahmen einen Ehrenplatz im Repertoire ein …“
Die Tradition des Chorgesangs in Schkodër wird seit dem neunzehnten Jahrhundert gelobt, aber die Scuola Cantorum wird als ein besonders vorbildlicher Teil betrachtet. In dieser Hinsicht muss der katholischen Kirche von Albanien eine sehr wichtige Rolle zugeschrieben werden. Unter der Leitung von Kardinal Koliqi wurde der Chor zu einem Ort, an dem eine ganze Generation von Musikern aufwuchs und berühmt wurde: Prenkë Jakova, Çesk Zadeja, Tonin Harapi, Tish Daija, Simon Gjoni, um nur einige wenige zu nennen.
Selbst während des zweiten Weltkriegs gab es andere Chöre wie den orthodoxen Kirchenchor, der 1942 auf Initiative von Visarion Xhuwani, Erzbischof der unabhängigen orthodoxen Kirche von Albanien, gegründet wurde. Von seiner Gründung bis 1945 stand der Chor unter der Leitung der schon erwähnten Sopranistin Jorgjia Filce. Sie war mit den Schülerinnen und Schülern der “Königinmutter-Schule” und der Technischen Schule von Tirana sehr unternehmungslustig. Der Chor hielt seine Tradition der Kirchenmusik sogar in anderen Städten wie Durrës und Elbasan aufrecht. Nach 1945 wurde der Chor von Kostandin Trako dirigiert, der seine Ausbildung als Chorleiter in Bukarest in Rumänien erhalten hatte. Unter seinem Einfluss machten die interpretative Leistungsfähigkeit und das Repertoire des Chores Fortschritte.
Darüber hinaus wurde während des zweiten Weltkriegs auch ein Männerchor ins Leben gerufen: im Rundfunkzentrum von Tirana, unter Leitung des Sängers Mihal Ciko, bis er 1947 an den albanischen Philharmonie-Chor angeschlossen wurde. Der Chor bemühte sich sehr um die Interpretation und Einrichtung von chorischer Volksmusik für Männerstimmen. Andere Chöre wurden während des zweiten Weltkriegs gegründet, wie der antifaschistische Jugendchor, der sich 1944 in der Nähe von Tirana unter Leitung von K. Trako zusammenfand, sowie viele andere, wie der unter Leitung von Gaqo Awrazi, der nach Kriegsende zum Künstlerischen Chorensemble der Volksarmee wurde.
Die Lieder, die während des Krieges entstanden, wurden als Partisanenlieder bezeichnet. Sie waren Geisteskinder der revolutionären Lieder aus anderen Teilen der Welt, meist vom Balkan. Sie zeigten auch den Einfluss der patriotischen Lieder, die während der nationalen “Renaissance” entstanden waren, von Stadtliedern und anderen, und sie besaßen eine enge Verbindung zu Volksliedern, indem sie die albanischen Volksmetrik von Takten wie 7/8, 5/8, 4 + 5/8. einsetzten.
Die begeisternden Partisanenlieder waren bekannt für ihren Geist des Einsatzes und der Tapferkeit. Marsch Partizan, Malet me blerim mbuluar, Patrizani n’luft po schkonte, Schqiponjat Partizane sind selbst heute die bekanntesten Lieder. Zu den berühmtesten Komponisten von Partisanenliedern gehörten Dhora Leka, Kristo Kono, Konstandin Trako, Sofokli Paparisto und Mustafa Krantja.
Der dritte Zeitabschnitt betrifft jeglichen musikalischen Fortschritt zwischen dem Ende des zweiten Weltkriegs und 1960. Zu Anfang dieser Periode machte die albanische Musik entscheidende Entwicklungen durch. Viele musikalische Ausbildungsstätten wurden gegründet, darunter solche für das Chorsingen. Auch die erste albanische Musikschule nahm ihre Arbeit auf. In späteren Jahren sollte diese einen riesigen Beitrag zur Ausbildung von Komponisten leisten. Nach Kriegsende, unter dem Druck der kommunistischen Ideologie, wurde die Chormusik im ganzen Land aufgefordert, die kommunistisch geprägte nationale Propaganda zu unterstützen.
Während dieser Phase wurden viele Chöre gegründet, wie das Künstlerische Chorensemble der Volksarmee (1945), der staatliche Philharmonische Chor (1947) der 1953 Teil des Theaters für Oper und Ballett wurde, der Chor des staatlichen künstlerische Ensembles für Volksmusik und –tanz (1957) sowie die erste Musikschule, Jordan Misja (1964). Diese diente als Vorbild: andere Chöre wurden landesweit in der Nähe anderer kultureller Zentren auf die Beine gestellt, und sie wurden zu einem sehr wichtigen Element im kulturellen Leben Albaniens.
Neben dem folklore-verhafteten Chorgesang erschienen andere Musikarten, wie die Kantate, die Vokal-Suite, Vokal-Rhapsodie, das vokale Gedicht, das Oratorium und viele Bühnenwerke, in denen der Chor eine wichtige Rolle spielt.
Die berühmtesten Chorwerke dieser Zeit sind die vokal-sinfonischen Gedichte wie Borowa und Labëria von K. Kono und Dasma Schqiptare von K. Trako, die vom staatlichen Philharmonischen Chor aufgeführt wurden. Neben diesem nationalen musikalischen Repertoire bestand riesiges Interesse an internationalen Komponisten, und albanische Chöre begannen damit, in anderen Ländern wie den UdSSR, China, Nordkorea, Vietnam aufzutreten.
Die interpretativen Leistungen der Berufschöre nahmen ständig zu, durch Lehrgänge und Schulen. Dank Komponisten, die im Ausland studiert hatten, wie Kono, Trako, Jakova und Dhora Leka, Cesk Zadeja, Tisch Daija, Simon Gjoni, und anderen, die in östlichen Musikschulen studiert hatten, erreichte die Chormusik ein sehr hohes Niveau. All diese Persönlichkeiten trugen zur Verbesserung und zum Modernisieren der Chormusik in Albanien bei.
Die vierte Periode erstreckt sich von 1960 bis 1990. Während dieses Zeitabschnittes erreichte die albanische Musik das Niveau einer voll entwickelten Kultur mit ihren unverwechselbaren Eigenschaften und mit einer nationalen Identität. Gut ausgebildete Chöre wurden im ganzen Land immer aktiver. All dies wurde durch die Gründung neuer Musikausbildungsstätten ermöglicht, die Gründung des ersten Konservatoriums (1962), Zugang zu mehr Information über berufsmäßig ausgeübte Musik im Ausland, und bessere Organisation von Veranstaltungen, usw. …
Viele der Komponisten, Dirigenten und Sänger, die in der albanischen Musikschule studiert hatten, verhalfen der großen nationalen Chortradition zu einer wahren Blüte. Diese Zeit erlebte eine neue Üppigkeit der musikalischen Kreativität, und eine neue Dimension in Bezug auf die Organisation von Veranstaltungen machte sich bemerkbar. Die Verantwortlichen konzentrierten sich zunehmend auf Musik für die Bühne und auf Kreativität in Bezug auf vokale Konzerte.
Der ersten albanischen Oper, Mrika von Prenkë Jakova, folgten viele andere von diversen Künstlern, darunter Kono, Grimci, Nova, Gaci, Harapi, Mula, Kapidani und Zoraqi. Das Hauptthema ist immer noch der albanische Widerstand gegen Besatzungen über die Jahrtausende. Sehr häufig beschwören diese Opern den Geist von Skanderbeg und den antifaschistischen Widerstand des albanischen Volkes während des zweiten Weltkriegs herauf. Ein Überblick über die albanische Oper dieser Zeit würde die Vorherrschaft von grandiosen Szenen aufzeigen, in denen die Rolle des Chors besonders wichtig war.
Die erfolgreichsten Opern sind Skënderbeu von P. Jakova, Lulja e Kujtimit von K. Kono, Zgjimi von T. Harapi und Komisari von N. Zoraqi.
Wir finden sogar hervorragende Beispiele des Chor-Konzertes, beispielsweise Kënga e maleve, die Vokal-Suite Vullnetarët, Poema e Dritë von T. Harapi, die Kantate Komisari von F. Ibrahimi, das Oratorium Partizani von T. Hoshafi, Chor-“Gedichte” wie Përse mendohen këto mali und Shqiponjat fluturojnë lartë von T. Daia.
Gleichzeitig mit diesen Werken für die Bühne und den Konzertsaal wurden Volksliedbearbeitungen für Chor beliebt; viele Komponisten wie Cesk Zadeja, Tonin Harapi und Milto Vako lieferten ihre Beiträge mit Werken wie Schkon djali termal, Kur me zbret nga Woskopoja und Kuwelesch zemra ime von C. Zadeja und Pranvera filloi me ardhe von Harapi.
In der Zeit zwischen 1960 und 1990 führte wirtschaftliche Blüte zu verstärkter kultureller Aktivität im ganzen Land. Von 1967 an gab es in Tirana das “Maikonzert”, an dem Kinderchöre aus vielen Musikschulen aus dem ganzen Lande zusammen mit Berufschören teilnahmen. Dieser vierte Zeitabschnitt brachte technische Perfektion in Bezug auf Gesangstechnik und Stimmqualität mit sich.
Bis 1967 setzten die orthodoxen und die katholischen Kirchenchöre ihr Chorsingen fort. Später untersagte die kommunistische Diktatur die Ausführung religiöser Riten, und mit der Schließung und Zerstörung aller religiöser Gebäude wurden auch die Chöre unterdrückt. Obwohl die Chormusik im Lauf der Jahre Fortschritt gemacht hatte, so konnte sie kaum unbeschadet der kommunistischen Propaganda und Ideologie entgehen.
Der fünfte Zeitabschnitt reicht von 1990 bis heute, eine Periode, die den Niedergang der Diktatur und die Wiederherstellung der Demokratie einschließt.
Nach 23 Jahren Schweigen kehrte die Chormusik in die orthodoxen und katholischen Kirchen zurück, unter Leitung von Persönlichkeiten wie Gjon Simoni, Gjon Kapedani, Milto Vako und Zef Coba, mit vielen hochrangingen Kompositionen, darunter Deus in adiutorium intende, Requiem von Harapi, De Profundis, Ave Maria und Stabat Mater von G. J. Simoni und weltliche Stücke wie Rini më e bukur se Pranvera (Kantate für gemischte Chöre) 10 Kenge për kor mikst, Dremit liqeni, Requiem për humbjen e ëngjëjve von F. Ibrahimi, Gaudeamus, Lutjet e Nënë Terezë und Lotet e Planetit von A. Peci.
Andere Chöre nahmen in dieser Zeit ihre Arbeit auf: Kori i vajzave të AA (1992) unter Leitung von M. Vako, Pax Die (1993) und Engjejt e vegjel (2001) unter Leitung von S. Turku, Rozafa Expression unter Leitung von Z. Coba sowie die Wiederaufnahme des Chors Lira in Korça, unter J. Nano.
Während dieser Zeit wurden albanische Chöre international aktiv. Der Kammerchor Pax Dei, den ich selbst leitete, nahm von 1994 bis 2000 an mehr als 50 landesweiten und internationalen Veranstaltungen teil, unter anderem in Italien, der Schweiz, Frankreich, Deutschland, Israel, Zypern und Griechenland.
Die Chöre Rozafa Expression und Lira nahmen ebenfalls an solchen Veranstaltungen teil, in Schodër, Korcë, Durrës, Tirana und in Griechenland, Montenegro, Italien und Mazedonien. Die Kunst des Chorsingens hat, obwohl sie kaum mehr als ein Jahrhundert alt ist, eine sehr wichtige Rolle in der Musik-Kultur von Albanien gespielt. Die Chormusik ist im ganzen Land bekannt und beliebt und nimmt im Vergleich zu anderen Musikarten eine vorherrschende Rolle ein.
Das Lied und der Gesang haben die Albaner durch die Jahrhunderte ihres Kampfes für Freiheit, Unabhängigkeit und Wohlstand begleitet.
Abgesehen von der Tatsache, dass der Chorgesang ein wertvolles nationales Erbe darstellt, so ist er auch die beste Methode, Solidarität und gegenseitige Zuneigung zum Ausdruck zu bringen, und er besitzt nicht nur kulturelle Werte, sondern er spielt auch eine erzieherische Rolle für die kommenden Generationen.
Zum Abschluss möchte ich Ihnen allen aufs herzlichste für Ihre Aufmerksamkeit und für das Interesse, dass Sie am traditionellen Chorsingen in meinem Land bewiesen haben, danken. Danke.
[1] Skanderbeg (Gjergj Kastrioti) ist eine der wichtigsten Gestalten in der Geschichte Albaniens, ein Nationalheld, der im 15. Jahrhundert gegen die ottomanischen Türken kämpfte. Der Name ‘Skanderbeg’ ist aus Iskander Bey abgeleitet, dem Namen, den die Türken ihm gegeben hatten.
Übersetzt von Irene Auerbach, England
Edited by Helen Baines Clayworth, Spain &
Gillian Forlivesi Heywood, Italy