Über die Arbeit mit mutierenden jugendlichen Männerstimmen in der Chorprobe

Ein Überblick über forschungsgestützte Strategien      

Von Rollo A. Dilworth, Associate Professor of Choral Music at the Boyer College of Music and Dance, Temple University. Email: radclef@temple.edu

 

Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts entstanden im Bereich der Musikerziehung beachtliche Forschungsergebnisse über die stimmliche Entwicklung von Jugendlichen. Forscher versuchten die verschiedenen Stadien der stimmlichen Entwicklung sowohl bei heranwachsenden Jungen wie Mädchen zu ergründen; die Ergebnisse dieser Studien dienten als grundlegendes Material für Lehrphilosophien und Methoden, die in Klassenzimmern und Chorklassen heute verwendet werden. Obwohl die Forschung deutlich gemacht hat, dass sowohl pubertierende Jungen wie Mädchen eine Art Stimmwechsel erfahren, gibt es vergleichsweise mehr Literatur über die Stimmentwicklung bei jugendlichen Knaben. Zusätzlich zu den stimmlichen Bedürfnissen der heranwachsenden Männerstimmen sind ziemlich wahrscheinlich auch die emotionellen, psychologischen und entwicklungsgemäßen Bedürfnisse, falls vorhanden, dieser jungen Männer anzusprechen, damit diese erfolgreich in Proben sein können und im Singprogramm während ihrer Oberstufenzeit bleiben können.

Die Wissenschaft, die sich auf mutierende Männerstimmen in der Oberstufe spezialisiert hat, stellt ein Rahmenwerk zur Entwicklung von Lehrtechniken in den Proben für Lehrer zur Verfügung. Abgeleitet aus und unterstützt von dieser Studie lassen sich die pädagogischen Leitlinien wie folgt kategorisieren:

  • Den Stimmwechsel verstehen
  • Beurteilung der Stimme
  • Platzierung der mutierenden Männerstimme
  • Erklären des Stimmwechsels
  • Klassifizieren und Bezeichnen der heranwachsenden Knabenstimme
  • Begleiten der allgemeinen stimmlichen Produktion und Entwicklung
  • Entwickeln von Vokalisen und Einsingen für die Probe
  • Anpassen von Tonhöhe und Phrasen in der Chorpartitur
  • Verwenden von Analogien und Bewegungen in der Chorprobe
  • Pflegen eines gesunden und produktiven Probenraums

Jene Kategorien sollen als Gliederung dieser Studie dienen, deren Zielsetzung es ist, forschungsgestützte Techniken und bewährte Erfahrungen anzubieten, um den Chorleiter im probenmethodischen Umgang mit mutierenden Knabenstimmen in der Mittel- und Oberstufe zu unterstützen.

 

Den Stimmwechsel verstehen

Bereitet man sich darauf vor, Chöre in der Oberstufe zu leiten, muss man als Dirigent darauf eingestellt sein, diesen Sängern im Umgang mit ihrer sich entwickelnden Stimme beistehen zu können. Daher ist einer der ersten Schritte für Lehrer für eine erfolgreiche Arbeit mit Jugendlichen in der Chorprobe, ein tiefgehendes Verständnis für den Stimmwechsel zu erwerben[1]. Bezüglich der männlichen Jugendlichen fordert Henry Lack, dass der Lehrer „die vokale Produktion für die wechselnde Knabenstimme verstehen muss; welche Stimme sie singen sollte und wie Probleme und stimmliche Belastungen zu vermeiden sind“[2] Der Chorleiter sollte sich nicht nur der physischen Veränderungen mit der stimmlichen Entwicklung des Heranwachsenden bewusst sein, er sollte auch die emotionalen Dimensionen verstehen, die mit dem Stimmwechsel einhergehen. Selbst wenn der Weg der physischen und emotionalen Entwicklungen bei jedem mutierenden Jugendlichen individuell ist, wird das Wissen um typische Verhaltensmuster männlicher Jugendlicher dem Chorleiter bei der Vorbereitung und Durchführung effizienter Proben helfen.

 

Beurteilung der Stimme

Zur angemessenen Vorbereitung der Proben und zur Festlegung der Ziele des Chorprogrammes ist es nötig, jede einzelne Stimme zu überprüfen. Vorausgesetzt, dass Jungen in der Mittel- und Oberstufe sich oft sehr bewusst über ihre heranwachsenden Körper sind, ist es für den Chorleiter wichtig, bei der Überprüfung ihrer Stimmen einfühlsam und kreativ zu sein. Allein schon wie die Überprüfung bezeichnet wird, kann Einfluss darauf haben, ob sich der Sänger wohlfühlt und damit wiederum auf den gesamten Nutzen der Überprüfung. David Friddle bietet beispielsweise den Begriff „voice check“ [Stimm-Check] an, um die Furcht, die häufig mit dem Begriff „Vorsingen“ [3] verbunden wird, zu vermeiden.

Eine akkurate Beurteilung der Stimme jedes Knaben ist absolut nötig, damit er der richtigen Stimmgruppe zugeordnet und mit seinen derzeitigen Fähigkeiten entsprechenden musikalischen Anforderungen betraut werden kann. Der Veteran der Chorpädagogik, Michael Kemp, unterstreicht diesen Punkt: „Bei Knaben, deren Stimme beginnt zu wechseln oder die mitten im Stimmwechsel sind, ist es wichtig, sich jederzeit darüber bewusst zu sein, welche Tonlagen sie derzeit singen können. Das erfordert, deren höchsten und tiefsten Töne alle paar Wochen zu überprüfen, um sicherzustellen, dass die Töne, die man von ihnen fordert, für sie auch möglich sind“.[4]

Der Autor empfiehlt eine Überprüfung Reihe für Reihe innerhalb der Chorprobe. So kann der Chorleiter regelmäßig Knaben entdecken, die stimmliche Schwierigkeiten haben, und ihnen Hilfestellung (oder einen anschließenden „Stimm-Check“) in einer freundlichen Weise anbieten.

Die richtige Beurteilung der Singstimme des heranwachsenden Jugendlichen beginnt damit, die ungefähre Tonlage der Sprechstimme des Knabens zu bestimmen, die ungefähr 2 bis 3 Halbtöne über der tiefsten Note der Singstimme liegt.[5] Terry Barham und Darolyne Nelson schlagen vor, dass der Junge Ihnen „Hallo“ sagt und Sie ihn ausgehend von der Tonhöhe des gesprochenen Wortes als Grundton der Tonart zu einer gesungenen Melodie „Hallo-o-o-o-o“ auf „do do re mi re do“ führen.[6] Wie bei den meisten Stimmübungen am Beginn eines Überprüfungsprozesses ist es wichtig, den Sänger langsam und behutsam anzuleiten und dabei auf jedes Zeichen stimmlicher Belastung bei jeder Transposition zu hören. Vokalisen mit einem kleinen Umfang wie einer Terz können auch von Knaben mit einem eingeschränkten Tonumfang erfolgreich gemeistert werden.

Basierend auf den Forschungen von Barham und Nelson hat der Autor die folgende Übung entwickelt (die in jeder notwendigen Tonart und Transposition ausgeführt werden kann), um eingangs den Tonumfang einer Knabenstimme zu testen. Die Vokalise im Umfang einer Terz im Jazz-Stil besteht nur aus Ganz- und Halbtönen (auf- und absteigend):

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Figure 1. Rollo Dilworth, Jazz-Style Warm-up © 2012 by Hal Leonard Corporation. Reprinted by permission.

Eine übliche Phrase, die man benutzt um Stimmen zu testen, besteht aus einem absteigenden Dreiklang „so bis do“ in einer für den Sänger bequemen Lage. Übereinstimmend mit der Forschung, erlaubt diese Art von „Einsingen“ dem Sänger, nach und nach vom höheren zum tiefen Register die Stimme zu entspannen, immer im Umfang einer Quinte. Jonathan Reed empfiehlt, bei solcherart Übungen einen resonanzreichen Vokal (wie „i“) und einen perkussiven Konsonant (wie „b“) zu nutzen[7].

Neben der Verwendung zusammengestellter Vokalisen ist es auch vernünftig, den Jugendlichen darum zu bitten, ein ihm vertrautes Lied zu singen. In einer jüngeren qualitativen Studie schreibt Barham: „Das Feststellen der Sprechstimmlage ist für mehrere Lehrer das Vorspiel um ein bekanntes Lied in der entsprechenden Tonart zu singen.“[8] Eine kurze Liste von bekannten Melodien, empfohlen von Experten in diesem Gebiet, enthält Jingle Bells[9], Rock around the Clock[10], My Country, Tis of Thee[11] und We will Rock You[12]!.

Neben der Aufgabe, den Stimmumfang des Sängers auf einem Notizblock oder Vorsinge-Formular festzuhalten, schlagen Barham und Nelson, Conrad sowie Freer vor, die Veränderungen im Stimmumfang auch im Klassenzimmer auf einer Wandtafel oder am Mitteilungsbrett zu dokumentieren[13]. Indem der Fortschritt des Stimmumfangs eines jedes Knaben dargestellt wird, hofft man, dass die Schüler Kameradschaft und ein tieferes Verständnis über die individuellen Unterschiede des Stimmwechselprozesses entwickeln.

 

Klassifizieren und Bezeichnen der heranwachsenden Knabenstimme

Eine richtige Überprüfung der mutierenden Knabenstimme ermöglicht dem Chorleiter, den individuellen Stand ihrer stimmlichen Entwicklung festzustellen und sie so in die richtige Stimmgruppe in der Chorprobe einzuordnen. Über die Jahre wurden verschiedene forschungsgestützte Modelle entwickelt, die unterschiedlichen Stufen des Stimmwechsels für mutierende Jugendliche zu dokumentieren. Diese Modelle schlagen drei[14], vier[15], bis zu sechs[16] Kategorien der stimmlichen Entwicklung der Mutanten vor. Auch wenn die jedes Modell betreffenden Feinheiten über den Rahmen dieser Studie hinaus gehen, ist es doch wichtig, die zur Beschreibung der verschiedenen stimmlichen Entwicklungsstufen verwendeten Terminologien vorzustellen: Einige dieser Modelle benutzen die Begriffe „Sopran“, „Alt“, „Alt-Tenor“; „noch nicht gewechselt“ und „Mittelstimme“ für Stimmen in der prämutanten Phase oder Übergangsphase. Begriffe für Stimmen, die gefestigter sind, sind „Tenor“, „neuer Bariton“, „sich festigender Bariton“, „Bass-Bariton“ und „Bass“. Barhams Umfrage bei über 40 „Master teachers“ für Chormusik in der Mittelstufe zeigt, dass 86% die Begriffe „Tenor“, „Bariton“ oder „Bass“ verwenden, während 60% den Begriff „noch nicht gewechselte Stimme“[17] verwenden. Nur 38% der befragten Chorleiter benutzen den Terminus „Sopran oder Alt“ und 21% benutzen die Begriffe „Oberstimme“ oder „Cambiata“[18]. Selbst wenn die Anzahl der für diese Studie befragten Lehrer relativ gering war, können die Resultate dennoch als Hilfestellung für heutige Chorleiter bei der Bezeichnung der im Stimmwechsel begriffenen Knabenstimme dienen. Paul Roe glaubt, dass „der junge Mann keine weibliche Bezeichnung für seine Stimme wünscht“[19]. In Übereinstimmung mit Roe und begründet auf der jahrelangen Erfahrung in der Arbeit mit mutierenden Jugendlichen macht Leck deutlich, dass „ein Knabe nicht als Sopran oder Alt bezeichnet werden möchte“.[20] Das soll nicht heißen, dass alle Knaben, gleich ob vor dem Stimmwechsel oder währenddessen, aus Gründen der Einfachheit und um die Moral zu erhalten, unter einem allumfassenden „Bariton“ zusammengefasst werden sollten. Leck bringt folgendes Beispiel als Warnung, alle Mittelstufenknaben als „Baritone“ abzulegen:

In einem desaströsen Beispiel stellte ein Mittelschullehrer eine Gruppe von Mädchen auf die eine Seite und bezeichnete sie als Soprane, eine andere Gruppe von Mädchen auf die andere Seite und nannte sie Alt. Alle 25 Jungen wurden Bariton genannt und in die Mitte gestellt. Dies ergab Ton-Cluster, weil viele Jungen nicht die Tonhöhen erreichten. Die Knaben waren nicht stolz auf die Töne, die sie erzeugten, und reagierten mit heftigen Disziplinproblemen. Auch wenn es verwirrend sein mag, zu entscheiden, welche Stimmlage sie singen sollen, ist es doch wichtig, Sänger nicht in eine Schublade zu stecken.“[21]

Friddle macht deutlich, dass „Teenager fragile Egos haben; ihre männliche Identität beginnt erst sich auszubilden; daher ist es wichtig, Begriffe zu finden, die ihnen ermöglichen, sich in der ihnen neu zugewiesenen Stimmgruppe wohl zu fühlen“[22]. Es sollte hier erwähnt werden, dass einige Chorleiter Nummern zur Bezeichnung der Stimmen (wie „Stimme I, Stimme II, Stimme III, Stimme IV“) anstelle der traditionellen Begriffe „Sopran“, „Alt“, „Tenor“, „Bass“ benutzen. In Hinblick auf die psychologische und seelische Entwicklung unterstreicht Barham den folgenden Punkt: „Wie Knaben musikalisch bezeichnet werden ist nicht so wichtig als ständig ihr Selbstwertgefühl zu nähren und ihnen zu helfen, ihre allgemeine Entwicklung, persönlich wie musikalisch, im Laufe des Jahres wahrzunehmen.“[23]

 

Chorbesetzungen und -aufstellungen mit heranwachsenden Männerstimmen

Ob jugendliche Männerstimmen im reinen Männer- bzw. Knabenchor besser aufgehoben seien oder eher in gemischten Chorproben mit Jungen und Mädchen, diese Debatte dauert an. Und auch hinsichtlich gemischter Chorproben wiederum haben Fachleute unterschiedliche Vorschläge dazu, wie die heranwachsenden jungen Männer bei der Sitzordnung zu berücksichtigen sind. In beiden Besetzungen (Jungen bzw. Jungen und Mädchen) ist der Stand der Stimmentwicklung ein wesentlicher Faktor für das Bevorzugen bestimmter Choraufstellungen.

In einem Beitrag aus dem Jahr 1960 spricht sich Robert Conrad eindringlich für gemischte Chorbesetzungen aus und begründet dies wie folgt: „Um Jungen und Mädchen nachhaltig für das Singen zu interessieren, arbeitet man besser mit gemischten Gruppen anstatt mit reinen Knaben- bzw. Mädchenchorgruppen.“[24] Neben weltanschaulicher Präferenz für gemischte Chorproben kann auch schlicht die Stundenplanung dafür sorgen, dass im Schulbetrieb Jungen und Mädchen keine separaten Chorproben bekommen.

In jüngeren Schriften und Erörterungen zum Thema haben zahlreiche Wissenschaftler und Pädagogen die Vorteile gleichgeschlechtlicher Chorproben in der Mittelstufe unterstrichen. So nennen Befürworter von Chorproben, in denen Jungen unter sich sind, folgende Vorteile:

  • „Soziale Konflikte sind so gut wie beseitigt, denn Mittelstufenschüler arbeiten viel besser mit, wenn Jugendliche des anderen Geschlechts nicht dabei sind.“[25]
  • „So kann mit den Jungen in geschützter Umgebung an Themen wie Stimmwechsel oder Falsett und am Aufbau des Stimmumfangs gearbeitet werden.“[26]
  • „Wenn jemand seine Stimme noch nicht beherrscht, empfindet er dies, wenn nur Jungen dabei sind, weniger unangenehm.“[27]
  • „Wo junge Männer unter sich sind, sind sie weniger befangen und dadurch leichter zum Singen zu motivieren.“[28]
  • „Ein jugendlicher Männerchor ist eine weitere Möglichkeit, während der Pubertät die Lust, engagiert zu singen, aufrecht zu erhalten. Der entstehende Kameradschaftsgeist erzeugt eine Bindung, die der musikalischen Arbeit zuträglich ist.“[29]

In einer Versuchsstudie fand Swanson heraus, dass es nützlich sei, diejenigen Jungen, die am Anfang ihres Stimmwechsels stehen, und jene, die sich schon in einer späteren Phase des Stimmwechsels befinden, in voneinander getrennten Klassen unterzubringen.[30] Über einen neunmonatigen Zeitraum, von September bis Mai, zeigten die Mittelstufenschüler aus der Versuchsgruppe im Schnitt einen größeren Stimmumfang, umfassenderes musikalisches Können und auch ganz allgemein eine positivere Einstellung zur Musik.[31]

Wenn man bedenkt, dass es während eines Schultags nicht immer möglich ist, separate Chorproben für Mädchen und Jungen einzurichten, könnten Chorleiter vor oder nach dem Schulunterricht eine eigene „Extra-Chorprobe“ für die Jungen in Erwägung ziehen. Setzt man solche „Sonderproben“ für heranwachsende Männerstimmen an, bietet sich dieser Gruppe die Gelegenheit, unter sich zu sein und in geschützter, angenehmer Umgebung zu singen.

Betrachtet man die Aufstellung gemischter Chöre, so schlägt Freer vor, die Jungen eher an eine der beiden Seiten zu setzen anstatt in die Mitte des Chores.[32] Konträr hierzu meint Don Collins zu der Frage der Aufstellungen, Jungen im Mittelstufenalter erforderten stetige Aufmerksamkeit, weswegen sie vorn in der Mitte des Chores zu platzieren seien und die Mädchen dahinter sowie links und rechts daneben.[33] Cooper und Kuersteiner sprechen sich dafür aus, im Chor die heranwachsenden Männerstimmen (sowohl Baritone als auch Knaben im Stimmwechsel) in den vordersten Reihen zu platzieren, während die Mädchen in den hinteren Reihen Platz nehmen;[34] Jungen, die in tonale oder stimmliche Schwierigkeiten geraten, sollten zwischen stärkeren Sängern sitzen.

Roe empfiehlt, dass Knaben-Soprane neben Sopranen und Altstimmen singen sollten, wobei darauf zu achten sei, dass sie am Rand ihrer Stimmgruppe und benachbart zu den Tenören und Bässen sitzen.[35] Colins wie auch Roe berücksichtigend, möchte der Verfasser folgende gemischte Aufstellung für Jugendstimmen vorstellen:

A2   A1   S2   S1

T1   T2   B1 B2

Eine solche Formation begünstigt mindestens drei pädagogische Ziele:

  • Tenöre und Altstimmen können bei Bedarf voneinander die Töne abnehmen,
  • Knaben im Stimmwechsel können auf leichte Weise zwischen den Männerstimmlagen wechseln, und
  • durch das Sitzen in den vordersten Reihen kann den jungen Männerstimmen die Aufmerksamkeit des Chorleiters zuteilwerden.

Unabhängig davon, ob sich die Diskussion auf Fragen gleichgeschlechtlicher kontra gemischter Chorarbeit konzentriert oder etwa auf die genauere Position der Männerstimmen innerhalb der jeweiligen Formation, so wird das Platzieren der jungen Sänger nicht nur den Probenablauf selbst beeinflussen, sondern auch ihre musikalische (möglicherweise auch die emotionale und psychische) Entwicklung.

 

Unterrichtung der Sänger über das Thema Stimmwechsel

Es ist überaus wichtig, den jungen Sängern den Verlauf des Stimmwechsels zu erklären und miteinander darüber zu sprechen, sowohl mit den Jungen als auch mit den Mädchen. Laut Roe habe „der Lehrer in jeder Klasse das Thema Stimmphysiologie zu behandeln.“[36] Wenngleich Fachleute unterschiedliche Auffassungen darüber äußern, wieviel Wissen in welcher Ausführlichkeit zu vermitteln sei, besteht gemeinhin Einigkeit darüber, dass der Chorleiter während der Probenarbeit, wie auch andernorts, jede Gelegenheit nutzen möge, den Jungen wie den Mädchen das Thema Stimmwechsel mit verständlichen Begriffen nahezubringen. Auf Grundlage seiner Versuchsstudien aus den 1960er Jahren schlägt Frederick Swanson für die Unterweisung von Jungen in die Stimmwechselprozesse folgendes vor:

„…Stimmwechsel bei Jungen: die Stimme wird tiefer, satter, kräftiger, und sie bewegt sich in ihrem Umfang in Richtung Tenor oder Bass. So wirst du bald eine neue Stimme haben, möglicherweise eine noch schönere; es wird sich dir eine ganz neue Art zu singen eröffnen. Aber es gibt nichts umsonst — alle Jungs müssen da hindurch, bevor sie Männer werden. Zeitweise wirst du mit dieser neuen Stimme kaum vernünftig umgehen können, und vielleicht wirst du das Singen in gewisser Weise neu zu lernen haben.“[37]

Obwohl dies stilistisch einen Sprachduktus vergangener Zeiten widerspiegelt, dürften die Kernpunkte dessen, was Swanson hier mitteilt, für die Lehrkraft beim Entwickeln der eigenen „Sprache“ hilfreich sein — unter Verwendung „heutiger Fachsprache.“ Die Chorleitung entscheidet, auf welche Weise sie den Sängern den Stimmwechsel erklärt, und Freer merkt hierzu an, neue Fachbegriffe seien einheitlich zu verwenden, so dass die Jugendlichen diese erfolgreich in ihren Wortschatz übernehmen können.[38]

 

Anleiten zum richtigen Singen und Begleiten der Stimmentwicklung

Fachleute raten Chorleitern zu großer Sorgfalt bei der Arbeit mit männlichen Jugendstimmen. Auch wenn die konkreten Herangehensweisen vielfältig sind und variieren, lassen sich den Forschungsergebnissen folgende Grundprinzipien entnehmen:

  • auf angemessene Körperhaltung und Atemtechnik bestehen[39]
  • zwecks Verbindung der Kopfstimme mit der sich entwickelnden Bruststimme abwärtsgewandte Übungen verwenden[40]
  • die Kopfstimme mit leichtem, kopfstimmigen Klang durch die Übergangslage (passaggio) gen Bruststimme führen [41]
  • mittels Beobachten und Zuhören sicherstellen, dass die Stimmen beim Singen unter keinerlei Druck geraten[42]
  • die vor dem Einsetzen des Stimmwechsels gewohnte Gesangstechnik wiederholen bzw. noch einmal vermitteln [43]
  • geeignete Übungen verschiedenster Machart anbieten, anhand derer die zweckmäßigen Gesangstechniken wirkungsvoll veranschaulicht werden, darunter auch das Singen in hoher oder tiefer Lage [44]
  • den Jungen erlauben, in einer Lage zu singen, in der sie sich sehr wohlfühlen [45]
  • den Jungen erlauben, stimmlich zu pausieren, sobald sie Stimmermüdung verspüren [46]

 

Gestaltung der Stimmbildungs- und Einsingeübungen für die Chorprobe

Bezüglich Einsingeübungen für Jungen im Jugendalter findet sich in der Fachliteratur ein geläufiges Prinzip: einer Jungenstimme an den Rändern des Stimmumfangs die Höhe wie die Tiefe zugänglich zu machen. Manche Wissenschaftler und Chorleiter bezeichnen den obersten Bereich der Jungenstimme als „hohe Lage“ bzw. „hohe Stimme“, während andere den Begriff „Falsett“ verwenden. Obwohl einige Chorpädagogen diese Bezeichnungen synonym verwenden, sollte man beachten, dass andere Fachleute hier durchaus Unterschiedliches meinen. So nimmt Phillips an dieser Stelle eine Differenzierung vor, indem er anmerkt, „die reine Kopfstimme“ klinge „bei Jungen in und nach der Mutation in der eingestrichenen Oktave ganz ähnlich wie die vorpubertäre Jungenstimme.“ [47] Phillips vermerkt weiter, der Klang der Kopfstimme erscheine voller und freier als jener des „Falsetts“ (matter, ungestützter Klang, typischerweise mit hochstehendem Kehlkopf). [48] Ungeachtet der verwendeten Begriffe „ist es wichtig, den ganzen Stimmumfang zu trainieren und die jungen Männer zu ermutigen, so hoch oder so tief zu singen, wie ohne Forcieren möglich ist.“ [49] Roe fasst seine Auffassungen auf folgende Weise zusammen:

„Der Lehrer darf nicht auf Kosten der Entwicklung der tiefen Lage die Stimme im höheren Register überlasten. Nun lassen viele Stimmbildner die Schüler nur in der Tiefe singen (Jungen werden nur mit ihrer tiefen Stimme unbefangen singen), doch dieses Vorgehen wird beinahe genauso viele Probleme aufwerfen wie das Konzentrieren auf die Höhe. Ein didaktisch angemessenes Vorgehen unterstützt den Ausbau der tiefen Lage, den Erhalt der hohen Lage und die Weiterentwicklung der Mittellage, bis sich beide Bereiche zu einem ausgeglichenen, zusammenhängenden Registerraum zusammenfügen.“ [50]

Mit dem Ziel, den vollen Ambitus zu erarbeiten (verknüpft mit dem Prinzip, die Kopfstimme behutsam nach unten ans Brustregister anzubinden), haben zahlreiche Pädagogen Einsingeübungen für Jungenstimmen konzipiert. Solche Beispiele enthalten entsprechende abwärtsführende Übungen, die im Bereich zwischen a’ und c” beginnen.

Auf Grundlage seiner Untersuchungen schlussfolgert Freer, „der in jeweils passender Oktave unisono singende gemischte Jugendchor“ verfüge über einen „Umfang von etwa einer Sexte, ungefähr vom g aufwärts bis zum e.“ [51] Dies impliziert, dass, wenn es um die Erweiterung des Stimmumfangs geht, ein Unisono-Einsingen für jugendliche Sänger möglicherweise nicht immer das Effizienteste ist. Für das Entwerfen eines angemessenen Einsingens für Jugendliche gibt Freer, alternativ zu Übungen auf konkreter Tonhöhe, folgende Anregungen: a) Übungen ohne konkrete Tonhöhenvorgabe erstellen, b) Übungsmelodien direkt vom zu probenden Repertoire ableiten, und c) Improvisationsmodelle erdenken, durch die das Gesangliche geschult wird — hierbei aber den Schülern die Wahl der passenden Tonlage überlassen. [52] Ein Beispiel sei eine Übung namens „Scribble“ [53] („Kritzelei“), bei der eine zufällige Wellenlinie (mit Hügeln und Tälern) an die Tafel gezeichnet wird. Die Schüler werden gebeten, auf Übe-Silben zu singen, während der Chorleiter (oder einer der Sänger) die Abschnitte der Schlangenlinie an der Tafel nachzeichnet. Stimmbildnerische Ideen wie „Scribble“ ermöglichen es den Schülern, angemessen ihre eigene Stimmlage zu erkunden, ohne an konkrete Tonhöhen gebunden zu sein.

 

Anpassen von Tonhöhen und Melodielinien

Wenn man bedenkt, dass viele männliche Heranwachsende während ihrer stimmlichen Entwicklung mehrere Veränderungen in ihrer Singstimme erfahren, und dass für diese Sänger einiges Chorrepertoire dieser Entwicklung nicht Rechnung trägt, mag es für den Chorleiter sinnvoll erscheinen, die notierten Tonhöhen zu verändern. Barham bietet fünf Lösungsvorschläge an: Transposition, Stimmentausch, Oktavverlagerung, Stimmverdopplung und Schreiben einer neuen Stimme.

Transposition. Chorleiter müssen in der Lage sein, Singeübungen und ausgewähltes Repertoire in Tonlagen zu transponieren, die für die Sänger am angenehmsten sind. Wiseman behauptet, dass „das Ohr des Lehrers ständig in Alarmbereitschaft sein und er in der Lage sein muss, Übungen und Lieder zu transponieren in jede Lage, die passend und angenehm ist.“[54]

Stimmentausch. Chorsänger werden ermutigt, wenn nötig in andere Stimmgruppen zu wechseln, um Töne zu singen, die ihren momentanen Stimmkapazitäten gerecht werden. Sally Herman hat eine Abhandlung über „Stimmschwenken“ entwickelt, die einen Eckpunkt ihrer Chorleitungsphilosophie darstellt.

„Ein weiterer, sehr wichtiger Teil erfolgreichen Notenlesens und Probens besteht darin, alle Schüler während des größten Teils der Probe im besten Bereich ihres Stimmumfangs (Tessitura) zu belassen. Das gilt besonders für den männlichen jugendlichen Sänger. In jedem Vokalwerk sollten Sie die Sänger innerhalb eines bestimmten Abschnitts nach Stimmumfang nummerieren und ein Arbeitsblatt entwickeln, um die einzelnen Stimmen nach bester Eignung sowohl für den Sänger als auch für die Musik unter einander zu tauschen. Ein Bariton könnte vier Takte lang zweiten Tenor singen und dann für drei Takte zum Bariton schwenken.“[55]

Oktavverlagerung. Eine einfache Lösung für den Fall, dass die Stimmlage für Jungen zu hoch wird, ist, sie um eine Oktave nach unten zu verlagern. Barham glaubt, dass diese Technik sowohl für Stimmen im Violin- als auch im Bassschlüssel genutzt werden kann.[56] Aus Erfahrungswerten warnen wir vor exzessivem Gebrauch von Oktavverlagerung für Baritone und Bässe. Generell erscheint diese Ersatztechnik für diese Stimmgruppen nur notwendig zu sein, wenn die geschriebenen Töne unter oder über die Notenlinien fallen oder steigen. Baritone und Bässe sollten ihre neue Stimme finden, wenn die Töne auf den Notenlinien liegen – sonst werden sie weiter tiefe Noten singen (was einfacher erscheinen mag), zu Ungunsten der Erweiterung ihrer hohen Singlage.

Stimmverdopplung. Die Idee, dass zwei Stimmgruppen in Oktaven singen, kann erfolgreich den Stimmtausch ausgleichen. Bei zweistimmigen Stücken können Tenöre die Sopranstimme und Baritone/Bässe die Altstimme mitsingen. Unveränderte Stimmen können in der Lage singen, die am besten zu ihrer momentanen Stimmlage passt. Barham sagt, dass „die Kombination von Oktavverdopplung und Oktavverlagerung möglicherweise zu den eigentlich notierten Tonhöhen rückführen kann und eine neue Stimme erzeugt.“[57] Statt zweistimmige Stücke in die SATB-Probe einzubringen rät Jerry Blackstone, Literatur zu nutzen, die explizit für Tenöre und Bässe geschriebene Stimmen enthält, weil Verdopplung der Stimmen durch Oktavierung ungewollt dazu führen kann, dass diese Männerstimmen sich in ihrer Rolle zweitrangig fühlen.[58]

Schreiben einer neuen Stimme. Gelegentlich mag die Stimme eines jungen Mannes nur ein paar wenige Töne nicht erreichen. Für diesen Fall könnte es sinnvoll sein, eine neue Stimme zu schreiben. Leck schlägt vor, dass Jungen, die ihre neue Stimme kennenlernen, eine einfache Linie singen sollen, z. B. die Melodie.[59] Roe pflichtet Leck bei, dass „es evtl. notwendig sein könnte, einfache Linien für Problemstimmen zu schreiben“[60] und, dass dann „nur eine Stimme zur Zeit eine Melodielinie in ihrer Lage singen soll.“[61] Kemp fasst die Strategie der Tonhöhenanpassung für Heranwachsende folgendermaßen zusammen: „Was auch immer Sie für die jungen Sänger kreieren, versuchen Sie vor allem die Tonhöhen zu nutzen, die sie mit dem größten Selbstvertrauen singen können.“[62]

 

Einbindung von Analogien und Bewegung in die Probe

In den vergangenen Jahren gab es eine wachsende Zahl an Studien zu Konzepten von Analogie und Bewegung in der Probe. Dabei gab es allerdings nur eine geringe Menge an Studien, die Analogien- und Bewegungsstrategien für junge männliche Heranwachsende angeboten haben. Sowohl Frederick Swanson als auch Patrick Freer haben den Nutzen von Sportanalogien mit jungen Männern in der Chorprobe thematisiert. Bezogen auf dieselbe experimentelle Studie, die vorher in diesem Artikel schon zitiert wurde, fand Swanson heraus, dass, wenn „man die Analogie der Entwicklung von Fähigkeiten im Sport nutzte, [das Forscherteam] den Jungen die Idee vermitteln konnte, dass ‚Aufbauen von Übungen’ die Kontrolle und Wachstumsmöglichkeit verbessern würde.“ Dafür benutzten Swanson und seine Forscherkollegen Sportbegriffe, wenn sie über Vokaltechniken sprachen. Die folgende Tabelle stellt die von Swanson und seinem Team thematisierten Konzepte und die verbalisierten Analogien heraus, die den Jungen präsentiert wurden:[63]

VOKALTECHNIK

SPORTANALOGIE (verbalisiert)

Atemübungen

„Jeder Schwimmer oder Läufer braucht gute Atemgewohnheiten, die ihn unterstützen.“

Entspannter, weiter Rachen

„Jeder Schlagmann [Anm. d. Red.: Baseball] braucht einen entspannten Schwung.“

Skalen und Arpeggios zur Erweiterung des Ambitus

„Jeder Golfspieler muss seine Weite verbessern.“

Vokalformung und Fokus im Ton

„Jeder Basketballer muss seine Treffsicherheit verbessern.“

In seinem Video mit dem Titel Success for Adolescent Singers (Erfolg für heranwachsende Sänger) fordert Freer Schüler auf, Singen als eine athletische Erfahrung zu sehen, in der alle Muskeln in ihren Körpern auf eine sehr gesunde Art und Weise benutzt werden sollen.[64] In einer neueren Studie findet Freer folgendes heraus:

Die Tatsache, dass es starke Gemeinsamkeiten in den physischen Grundlagen von Singen und Gewichtheben gibt, bietet Chorleitern die einmalige Möglichkeit, Singen in der Phase des pubertären Stimmwechsels neu auszurichten in eine athletische Aufgabe. Um den Wechsel zu erfassen, müssen Chorleiter mit Analogien und Beschreibungen von parallelen und verwandten Aktivitäten untermauern, was Schüler bereits aus ihren Erfahrungen aus Athletik und Krafträumen wissen.“[65]

Freer präsentiert ein Programm physischer Aktivitäten, das Jungen im Mittelstufenalter ermöglicht, gesunde Entspannung, Ausrichtung der Haltung, Atmung und Tonproduktionsmuster zu erlernen.

In Bezug auf die Studien empfehlen wir folgende sportbasierte Technikübungen für heranwachsende Jungen:

 

Posture Perfect! (Ein Rap)

Ziel: Eine gute Singhaltung bewahren.

Vorgaben: Rappe den Rap unten und füge die gewünschten Bewegungen dazu aus.

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Rollo Dilworth, Posture Perfect!, aus: Choir Builders © 2006 by Hal Leonard Corporation. Wiederverwendet nach Genehmigung.

Atmen mit dem Basketball

Ziel: Herstellung einer kontrollierten Zwerchfellatmung.

Vorgaben: Nimm eine gute Haltung ein und tue so, als würdest du einen Basketball bis zur Taille prellen. Während du den imaginären Ball prellst, beginne, Atempulsationen mit einer Länge von Viertelnoten und dem Geräusch „tss“ zu machen. Wenn es Zeit ist, den Ball zu „versenken“, sollten die Sänger beide Arme anheben und den Wurf des Balles simulieren, dabei weich das Wort „swish“ sagen. Mit Einsatz des Lehrers, und ohne einen Schlag zu verlieren, können die Schüler „tss“ dreimal machen, danach ein „swish“, dann viermal „tss“ und „swish“ bis „tss“ zum neunten Mal erreicht wird und die Übung mit einem finalen „swish“ beendet wird.

Bungeeband

Ziel: Die Kopfstimme zu erreichen.

Vorgaben: Platziere den Zeige- und Mittelfinger der einen Hand in der anderen (sodass sie aussehen wie Beine einer Person). Die „Person“ sollte eine Brücke herunterspringen und dabei eine „Sirene“ in Kopfstimme nachahmen. Die Tonhöhe sollte konstant sein und sich ändern, je nach Position des Springers. An einem Punkt sollte das Bungeeband den Springer wieder an seinen Ursprungsort in die Höhe zurückziehen, zurück auf die Plattform (die andere Hand).

Sport spielen

Ziel: Mit energiereicher und stetiger Atemstütze

Vorgaben: Chorsänger sollen Bewegungen benutzen, um die Bewegung einer sportlichen Übung zu simulieren, während sie unten stehende Übung auf neutralen Silben singen. Der Lehrer (oder Leiter) kann die spezifische Silbe und Sportaktivität mit den Tonhöhen verändern. Die Sänger sollten angeleitet werden, gleichzeitig einzuatmen und ihre Hände vorzubereiten für die Sportaktivität während der Pausen. Sie sollen die ausgesuchte Sportaktivität simulieren, während sie die Übung singen und dabei darauf achten, dass die Bewegung und die Stimme bis zum Ende der Übung durchgehalten wird. Es können beispielsweise folgende Sportarten imitiert werden: einen Football werfen, eine Baseballkeule schwingen, eine Bowlingkugel rollen, eine Frisbee werfen oder einen Basketball werfen.

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Bild 3. Rollo Dilworth, Playing Sports © 2012 by Hal Leonard Corporation. Wiederverwendet nach Genehmigung.

Ähnlich zu Freer glaubt Phillips, dass „die Schüler, wenn sie sich auf den physischen Aspekt des Singens konzentrieren, lernen, dass Singen derselben körperlichen Vorbereitung bedarf, wie der Sport.“[66] Obwohl er sich in seiner Diskussion nicht explizit auf Heranwachsende bezieht, glaubt Robert Shewan, dass physische Freiübungen in eine weiterführende Chorprobe eingeführt erfolgreich werden können, wenn sie in musikalische Konzepte wie Rhythmus und Tempo einbezogen sind.[67]

Neben und als Ergänzung der Sportanalogie glauben einige Forscher, dass Körperbewegung in der Probe jungen Männern in ihrer musikalischen und emotionalen Entwicklung helfen kann. Cookseys Arbeit enthält mehrere kinästhetische Ansätze, entwickelt, um jungen Sängern beim Singen zu helfen. Blackstone und Leck schlagen vor, den Arm im Bogen über den Kopf zu schlagen und wieder abwärts, um die Kopfstimme zu erreichen und den Atem und die Tonproduktion zu halten.[68] Aus der emotionalen Perspektive – und evtl. auch aus einer erzieherischen – schlägt Freer vor, dass heranwachsende Jungen mehrere Möglichkeiten zur Bewegung während der Chorprobe haben müssen.[69] Barham schlägt sogar die gelegentliche Nutzung von Choreographie für Jungen in diesem Alter vor.[70]

 

Eine gesunde und produktive Probenatmosphäre erhalten

Es ist wichtig für Chorleiter, eine positive und gesunde Probenatmosphäre für die jungen Sänger zu kreieren und zu halten. Basierend auf der hier vorgestellten Literatur und den Erfahrungen des Autors werden folgende Strategien angeboten:

  • Erzeugung einer Atmosphäre der Sicherheit und des Vertrauens, sodass die Jungen sie selbst seien können[71]
  • den Jungen zugestehen, dass sie sich in Richtung einer Unabhängigkeit in ihrer Musikalität bewegen[72], dabei ihre Stimme kontrollieren[73]
  • Anbieten eines hohen Niveaus und einer Struktur für die Probe[74]
  • Ehrlichkeit und Takt im Umgang mit den Sängern[75]
  • Nutzung positiver Verstärker und Mutmacher, um Selbstbewusstsein aufzubauen[76]
  • Demonstrieren, dass Singen eine lohnende Aktivität ist[77]
  • Herstellung von Gruppen Gleichaltriger, die sich im Ensemble unterstützen[78]
  • Flexibilität üben[79]
  • ständiges Einfordern von gesundem Singen, dazu gehören besonders die Nutzung der Kopfstimme, eine gute Haltung und gestütztes Atmen[80]
  • darauf vorbereitet sein, einen Jungen in eine andere Stimmgruppe wechseln zu lassen beim ersten Zeichen des Unwohlseins[81]
  • Erhalten einer offenen Kommunikation, speziell bezüglich Gesangstechnik[82]
  • flüssige Probengestaltung durch häufigen Wechsel von Übungen, etwa alle 10 bis 12 Minuten[83]

 

Fazit

Diese Studie präsentiert eine Auswahl an Strategien, die im Chor und in der Arbeit mit heranwachsenden Jungen genutzt werden können. Zusätzlich zu der Präsentation einiger bekannter forschungsbasierter Techniken aus der Literatur hat der Autor versucht, einige eigene Probenstrategien zu zeigen, die ein direktes Ergebnis aus der eigenen Forschungsarbeit sind. Die Hoffnung ist, dass Chorleiter, die diese Studie lesen, nicht nur angespornt werden, die vielen auf den vergangenen Seiten vorgestellten Techniken in ihre Probenarbeit einfließen zu lassen, sondern auch inspiriert werden, Strategien und Aktivitäten zu entwickeln und zu erforschen, die in ihren spezifischen Bedingungen funktionieren.

 

Mit freundlicher Erlaubnis des Choral Journal, der Zeitschrift der ACDA. Der Artikel wurde zuerst dort im April 2012 veröffentlicht.

 

Übersetzt aus dem Englischen von Stefan Schuck, Deutschland

Übersetzt aus dem Englischen von Andreas Mattersteig, Deutschland

Übersetzt aus dem Englischen von Florian Sievers, Deutschland

 

 

[1] Anthony L. Barresi, “The Successful Middle School Choral Teacher,” Music Educators Journal 86, no. 4 (January 2000): 23-28.
[2] Henry Leck and Flossie and Jordan, Creating Artistry Through Choral Excellence, (Milwaukee: Hal Leonard Corporation, 2009).
[3] David Friddle, “Changing Bodies, Changing Voices: A Brief Survey of the Literature and Methods of Working with Adolescent Changing Voices,” Choral Journal, 46, no. 6 (December 2005): 32-43; 46-47.
[4] Michael Kemp, The Choral Challenge: Practical Paths to Solving Problems, Chicago: GIA Publications, 2009).
[5] Janice Killian, “A Description of Vocal Maturation among Fifth- and Sixth-Grade Boys,” Journal of Research in Music Education 47, no. 4 (Winter 1999): 357-369.
[6] Terry J. Barham and Darolyne L. Nelson, The Boy’s Changing Voice: New Solutions for Today’s Choral Teacher, (Van Nuys, CA: Alfred Publishing Co, Inc., 1991).
[7] Jonathan Reed, “The Vocally Proficient Choir: Working With Male Voices,” in The School Choral Program: Philosophy, Planning, Organizing, and Teaching, ed. Michele Holt and James Jordan, 241-252. (Chicago: GIA Publications, 2008).
[8] Terry J. Barham, Strategies for Teaching Junior High & Middle School Male Singers: Master Teachers Speak, (Santa Barbara: Santa Barbara Music Publishing, 2001).
[9] Ibid.
[10] Ibid.
[11] John M. Cooksey, Working with Adolescent Voices, (St. Louis: Concordia Publishing House, 1999).
[12] Roger Emerson (arranger), Pop Warm-ups & Work-outs for Guys, (Milwaukee: Hal Leonard Corporation, 2009).
[13] Terry J. Barham and Darolyne L. Nelson; Robert M. Conrad, “Developing the Boy’s Changing Voice,” Music Educators Journal 50, no. 5 (April-May 1964): 68, 70; Patrick K. Freer, Getting Started with Middle School Chorus, 2nd edition, (Lanham: Rowan & Littlefield Education, 2009).
[14] Irvin Cooper and Karl O. Kuersteiner, Teaching Junior High School Music, (Boston: Allyn and Bacon, 1965); Frederick Swanson, The Male Singing Voice Ages Eight to Eighteen, Cedar Rapids, IA: Ingram, 1977).
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[17] Barham, “Strategies for Teaching Junior High and Middle School Singers,” 19.
[18] Ibid.
[19] Paul F. Roe, Choral Music Education, 2nd ed, (Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall, Inc., 1983).
[20] Leck, 191.
[21] Ibid, 190.
[22] Friddle, 44.
[23] Barham, “Strategies for Teaching Junior High and Middle School Singers,” 20.
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[26] Walter Lamble, A Handbook for Beginning Choral Educators, (Bloomington, IN: Indiana University Press, 2004).
[27] Roe, 191.
[28] Christopher D. White and Dona K. White, “Training for Changing Male Voices,” Music Educators Journal 87, no. 6 (May 2001): 39-43, 53.
[29] Phillips, 76.
[30] Frederick J. Swanson, “When Voices Change: An Experiment in Junior High Music,” Music Educators Journal 46, no. 4 (February-March 1960): 50, 53-54, 56.
[31] Ibid.
[32] Patrick K. Freer, “Between Research and Practice: How Choral Music Loses Boys in the ‘Middle,’” Music Educators Journal 94, no. 2 (November 2007): 28-34.
[33] Don L. Collins, Teaching Choral Music, (Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall, 1993).
[34] Cooper and Kuersteiner, 57.
[35] Roe, 180.
[36] Roe, 178.
[37] Swanson, “When Voices Change,” 53.
[38] Patrick K. Freer, Success for Adolescent Singers: Unlocking the Potential in Middle School Choirs, DVD series. Edited by Piero Bonamico. (Waitsfield, VT: Choral Excellence, 2005).
[39] Cooksey, Herman, Phillips.
[40] Cooksey, Phillips, Leck, Ingram and Rice.
[41] Barham, “Strategies for Teaching Junior High and Middle School Singers,” 36; Jerry Blackstone, Working With Male Voices: Developing Vocal Techniques in The Choral Rehearsal, DVD. (Santa Barbara: Santa Barbara Music Publishing, 1998).
[42] Shirley W. McRae, Directing the Children’s Choir: A Comprehensive Resource, (New York: Schirmer Books, 1991); Cooksey.
[43] Mary Copland Kennedy, “’It’s a Metamorphosis:’ Guiding the Voice Change at the American Boychoir School,” Journal of Research in Music Education 52, no. 3 (Autumn 2004): 264-280.
[44] White and White, 42; Leck, 193.
[45] Leck, 188.
[46] Ibid, 193.
[47] Philips, 50.
[48] Ibid.
[49] Lamble, 49.
[50] Roe, 182.
[51] Patrick K. Freer, “Choral Warm-Ups for Changing Adolescent Voices,” Music Educators Journal 95, no. 77 (March 2009): 57-62.
[52] Ibid, 58.
[53] Freer, Success for Adolescent Singers.
[54] Herbert Wiseman, The Singing Class, (New York: Pergamon Press, 1967).
[55] Herman, 36.
[56] Barham, “Strategies for Teaching Junior High and Middle School Singers,” 74.
[57] Ibid, 74.
[58] Blacksone, Working With Male Voices.
[59] Leck, 190.
[60] Roe, 182.
[61] Ibid.
[62] Kemp, 88.
[63] Swanson, “When Voices Change, 53.
[64] Freer, Success for Adolescent Singers.
[65] Patrick K. Freer, “Weightlifting, Singing and Adolescent Boys,” Choral Journal 52, no. 4 (November 2011): 32-41.
[66] Phillips, 25.
[67] Robert Shewan, Voice Training for the High School Chorus, (West Nyack, NY: Parker Publishing Company, Inc., 1973).
[68] Blackstone, Working With Male Voices; Henry Leck, The Boy’s Changing Expanding Voice: Take the High Road, DVD. (Milwaukee: Hal Leonard Publishing, 2001).
[69] Freer, “Between Research and Practice,” 34.
[70] Barham, “Strategies for Teaching Junior High and Middle School Singers,” 33.
[71] Leck, “Creating Artistry,” 191.
[72] Patrick K. Freer, “Adapt, Build, and Challenge: Three Keys to Effective Choral Rehearsals for Young Adolescents, Choral Journal 47, no. 5 (November 2006): 48-55.
[73] Kennedy, 274.
[74] Barresi, 24; Hook, 24.
[75] Barham and Nelson, 18.
[76] Barham and Nelson, 20; Hook, 24; Leck, 190.
[77] White and White, 42.
[78] Ibid.
[79] Barresi, 24.
[80] McRae, 152; Roe, 176.
[81] Blackstone, Working With Male Voices
[82] Leck, 192.
[83] Freer, “Adapt, Build, and Challenge,” 51.