Von Daniela Vlad, Musikredakteurin bei Radio Iaşi
Das Gavriil Musicescu internationale Jugendchor Festival mit Wettbewerb vom 1.-7. Juli 2016 stillte wieder einmal mehr den Durst nach vokaler Harmonie in Iaşi, der alten Kulturhauptstadt Rumäniens, die im östlichen Teil des Landes liegt. Mit seinen über 350 000 Einwohnern und einem mehr als 165 Jahre alten Konservatorium gründete die aufblühende moldawische Stadt 2013 ein Chorfestival, das recht schnell wuchs und in diesem Jahr bei seiner inzwischen 4. Auflage mehr als 1000 Sänger aus rund 30 Chören erreichte. Vier der Chöre waren Ehrengäste und die anderen Teilnehmer der fünf Wettbewerbskategorien: Kinderchöre (Cantus Mundi), Musikschulen, sowohl weltlich als auch geistlich, Musikhochschulen und Theologische Hochschulen, junge Amateurchöre und junge liturgische Chöre.
Die Organisatoren waren die Association Iubire și Încredere (Liebe und Vertrauen), sie wurden umfangreich unterstützt von der Metropolitan Kirche Moldova und Bucovina, der öffentlichen lokalen und regionalen Verwaltung, also Stadtverwaltung und Bezirksregierung, dem Madrigal-Chor und Byzantinischen Chor, wichtige Institutionen in der Stadt, welche Veranstaltungsorte für Konzerte und Wettbewerbe zur Verfügung stellten: Die Kirchen Binecredinciosul Voievod Ștefan cel Mare și Sfânt und Sf. Sava, das Palas Einkaufszentrum, die Universitätsbibliothek Mihai Eminescu (BCU), das studentische Kulturhaus; weitere Partner waren Solidaritate și Speranță Foundation, Cantus Mundi Association, das rumänische Kulturinstitut, der Iași Schriftstellerverband, George Enescu University of Arts (UAGE), die Doxologia Druckerei und viele andere. Außerdem trugen auch die Medien zu einer größeren Verbreitung bei, da jedes Konzert live online übertragen wurde und auch jetzt noch auf der Homepage des Verbandes angesehen werden kann https://www.youtube.com/channel/UCFA7XKoV5oJQ7eiHr0sttkw.
Freier Eintritt zu den Konzerten und den attraktivsten Veranstaltungsorten, wie Palas Gardens, die Eminescu Bibliothek oder der Vorhof des Kulturpalastes versammelte hunderte von Zuhörern in den Konzertsälen und über 2000 draußen, sogar nachts, wo der Regen jeden hätte verscheuchen können.
Mit dem Musicescu Festival hat Iași eine neue Marke für die Stadt gewonnen, eine prestigeträchtige Veranstaltung auf einem guten künstlerischen und organisatorischen Level. Eine Vielzahl von verschiedenen Gruppen mit ausgewähltem Repertoire wurde von einer 13-köpfigen Jury bewertet, die größtenteils einen akademischen Hintergrund hat. Die Entscheidungen waren geprägt von hohem Urteilsvermögen, Integrität und Liebe zur Kunst und zur Professionalität, wie die Organisatoren es erwartet hatten, die erfüllt sind von dem Wunsch, wieder mehr Zuhörer für die Kunst der Chormusik zu begeistern. In diesem Land, in dem die kommunistischen Chöre es nahezu geschafft haben, den Menschen die Freude am Zuhören auszutreiben, sind diese Wiederherstellungsversuche (die eigentlich schon viel früher in den 90er Jahren hätten beginnen müssen) ein Segen und eine Hoffnung, dass die Kinder von heute wieder mit den vielen Wohltaten des Chorgesanges aufwachsen können.
Die Teilnehmer kamen aus der Republik Moldawien, der Ukraine, Rumänien und bezeugten damit, dass diese internationale Veranstaltung doch noch immer einen überregionalen Charakter trägt, aber ohnehin beabsichtigt niemand, mit den weltweit stattfindenden riesigen Chorfestivals zu konkurrieren. Die Herausforderung für das Musicescu Festival besteht darin, auch in Zukunft Chöre für die Teilnahme zu gewinnen, sogar solche aus dem eigenen Land. Deren Fernbleiben ist nicht dem Mangel an Werbung oder Organisatoren zuzuschreiben, sondern hauptsächlich der fehlenden finanziellen Unterstützung oder sogar schlichtweg den schlechten Reisebedingungen. Die Karpaten sind immer noch nicht gut mit Autobahnen zu überqueren, obschon schon seit Jahren viel in den Ausbau investiert wird, leider ohne den erwarteten Effekt. In diesem Licht betrachtet, verwundert es nicht, dass mögliche Festival-Sensationen wie die Studentenkantorei der Nord-Universität China, ein syrischer liturgischer Chor oder der Chor der Medizinischen Fakultät in Ternopol, Ukraine, nicht kommen konnten.
Dennoch fehlte es nicht an Überraschungen, und ich werde nun von einigen Entdeckungen des diesjährigen Festivals berichten.
Der griechische Dirigent Antonios Aetopoulos, Mitglied des Byzantinisch-Griechischen Chores in Athen, war in die Kommission für liturgische Musik eingeladen, zusammen mit Nicolae Gheorghiță, Professor an der staatlichen Musikhochschule Bukarest (UNMB) und Adrian Sârbu, PhD Student am UAGE Iași, den ich hier zitiere: “Liturgische Musik ist Gebet, Kunst und Wissenschaft zugleich … dieser Wettbewerb ist kein normaler Wettbewerb, weil er zum Ziel hat, uns als Familie zusammen zu bringen.”. Adrian Sârbu ist auch Organisator einer anderen Veranstaltung, die das Festival doppelt, nämlich die “Masterclass Byzantinischer Gesang” in ihrer 9. Auflage, bei der alle vorgenannten Mitglieder eingeladen sind. Der erste Preis in dieser Abteilung ging an den Vlach-Byzantine Chor der Erzdiözese Buzău, unter der Leitung von Archimandrit Constantin Stoica. Alle Gewinner eines ersten Preises wurden am 7. Juli ins wunderschöne National-Theater Vasile Alecsandri zur Festival-Gala eingeladen, während nach jeder Wettbewerbskategorie alle Teilnehmer Konzerte in Kirchen, Open air oder anderen Veranstaltungsräumen der Stadt hatten.
Eine der frischesten Entdeckungen waren die Kinderchöre, nicht viele an der Zahl, aber hörenswert. Der erste Preis in der Unterkategorie Amateure ging an den Angeli Kinderchor von der Angeli Music Association in Iași. In nur acht Monaten konnte er mit seiner Dirigentin Mirela Palamariu, einer jungen Sängerin aus dem akademischen Chor Gavriil Musicescu der Iași Philharmoniker, ein ansehnliches Repertoire erarbeiten und überzeugten mit einem sehr lebendigen Klang, der aus dem ganzen Körper kam und in Liedern wie “Rhythm of life” von Cy Coleman bemerkenswert homogen klang.
In der Semi-professionellen Kategorie ging der erste Preis an den Solo Music Chor aus Odessa, Ukraine, unter der Leitung von Ievgeniia Bondar. Der Chor wurde in einer dem dortigen Konservatorium angeschlossenen Schule gegründet, um den Schülern ein Übungsfeld zu bieten. Das Konzert nach dem Wettbewerb gestalteten sie zusammen mit dem Nationalen Kammerchor Madrigal unter dem Dirigat der inspirierenden Anna Ungureanu, die sich auch mit viel Arbeit für das Cantus Mundi Kinderchor Programm auf nationaler Ebene einsetzt. Leider war ihr Abend vor dem spektakulären Kulturpalast der einzige stürmische und kalte Abend in der ganzen Woche.
In der Kommission für Gymnasien, Universitäten und junge Amateur-Chöre saßen lokale, nationale und internationale Persönlichkeiten der Chormusik: Professor PhD Nicolae Gîscă vom UAGE Iași, Professor PhD Ioan Golcea vom UNMB (Vizepräsident der Madrigal Stiftung und ehemaliger Student des Madrigal Gründervaters, Marin Constantin), Dr. Andrea Angelini von der Internationalen Föderation für Chormusik in Italien, Professor Mstislav Yurcenco von der Musikhochschule in Kiew, Ukraine, Dirigent Adrian Ardeleanu vom Bezirkszentrum für Erhalt und Verbreitung der traditionellen Kultur Iași und Professor George Dimitriu vom UAGE Iași.
In der Galavorstellung am Schluss hörten wir die prämierten Chöre aus zwei dieser Kategorien; den Resonance Choir von der Iurie Fedcovici Chernivtsi National Universität, Ukraine, mit der Dirigentin Olha Churikova-Kushn und den Studentenchor der Nationalen Technischen Universität Kiev, Ukraine, unter der Leitung von Ruslan Bondar, beide Chöre legten den Focus hauptsächlich auf ihr nationales Repertoire.
Mit Blick auf diesen Umstand gab Andrea Angelini in einem Interview mit dem nationalen Radiosender in Iași dem Wunsch Ausdruck, dass das Repertoire durchaus internationaler werden könne, betonte aber, dass Schwächen in der Stückauswahl nicht zu schlechteren Wertungen bei der Jury geführt habe.
Eine andere Entdeckung des diesjährigen Musicescu Festivals war der Akademische Kammerchor der Chernivtsi Philharmonie, geleitet von Nadia Selezynyova. Er war zusammen mit anderen ukrainischen Chören zu einem Konzert am 5. Juli in den Kulturpalast eingeladen, auf die Bühne der wunderschönen Henri Coandă Halle, von deren Decke lauter hölzerne Engel auf die Zuschauer herabsehen. In einem Interview mit Radio Iași enthüllte Frau Seleznyova einige der Geheimnisse, die diesen 1993 gegründeten Chor so herausragend machen: Er setzt sich zusammen aus Sängern, die sich nicht scheuen, jede Art von Stimmklang zu erzeugen, vom spezifischen offenen Klang der ukrainischen Folklore bis Klassik oder Jazz, was für einen Chorsänger schon ziemlich unglaublich ist. Frau Seleznyova hat zwei Abschlüsse in Chorleitung und Gesang am Konservatorium in Chernivtsi abgelegt, danach studierte sie an der Tchaikovsky Akademie in Kiew bei Professor Eleonora Vinogradova, einer großen Vertreterin der Russischen Chormusik mit Spezialisierung auf Kinderchor (Frau Eleonora Vinogradova ist Leiterin der Knabenchores in Kiew). Nach diesen Studien legte sie an derselben Akademie noch eine Prüfung in Opernleitung ab und erwähnte neben ihren Abschlüssen noch internationale Projekte wie den Tag der Chinesischen Kultur in Kiew, Opernregie in Donizettis “Das Glöckchen” im Opernstudio des Konservatoriums, Touren als Solistin mit dem Kammerorchester Kiew und ihre sechsjährige Mitgliedschaft im Khreschatyk Chor in Kiew. Mit all diesen Erfahrungen wurde sie eingeladen, den Kammerchor der Philharmonie Chernivtsi aufzubauen und zu leiten, die Ergebnisse zeigen ihre Kunstfertigkeit, ihr Talent und ihre Ambitionen.
In der Abschlussgala durften wir diesen Chor erneut hören, zusammen mit anderen besonderen Gästen, wie dem Erz-Psaltic Chor der Erzdiözese Iași unter der Leitung von Archimandrit Ciprian Rusu, den Kinderchor des Radios Bukarest unter der Leitung von Voicu Popescu, einer leuchtenden Persönlichkeit in unserer Chorwelt, Jurymitglied in internationalen Wettbewerben und mit seinen Chören präsent auf vielen großen internationalen Veranstaltungen, des Weiteren dem Tronos Chor der Patriarchen Kathedrale in Bukarest unter der Leitung von Erzdiakon Protopsalt Michael Bucă und dem orthodoxen Männerchor Armonia der Tomis Erzdiözese unter der Leitung von Iulian Dumitru (Gewinner einer Goldmedaille für Folklore auf den Welt Chorfestspielen in Cincinnati, Ohio, 2012).
Durch die Gala, wie auch durch alle Wettbewerbskategorien, führte die bezaubernde künstlerische Leiterin der Musicescu Festivals, Daniela Doroșincă, und der rumänische Fernsehjournalist Cătălin Sava in einer wunderbaren Show mit vielen angesehenen offiziellen Gästen, die die Preise überreichen durften. Daniela Doroșincă, die über eine riesige Chor-Erfahrung als Mitglied im Akademischen Iași Philharmonie Chor Gavriil Musicescu verfügt, ebenso über einen PhD in Chormusik und selbst einen Kinderchor leitet, schaffte es zusammen mit ihrem Mann Mihai Doroșincă von der Binecredinciosul Voievod Ștefan cel Mare și Sfânt Kirche wieder einmal, ein wunderbares Team von Freiwilligen aus der Iubire și Încredere Association zusammenzustellen und ein Heer von Partnern und Media-Partnern zu mobilisieren und zeigte damit, dass Hartnäckigkeit und Leidenschaft Wunder bewirken können, wo üblicherweise Mittelmaß gewinnt. Die Stadt Iași hat ein bemerkenswertes Potential für Chorevents, die auch zur Touristenattraktion werden könnten. Auf die Plätze, fertig, los!
Daniela Vlad, Radiomoderatorin seit 1990, arbeitet für Radio Iaşi, die größte Radiostation der rumänischen Sendeanstalten. Sie studierte Musikwissenschaft am Iaşi Konservatorium und absolvierte mehrere Praktika im Journalismus bei Radio France, BBC und Radio Niederlande. Sie ist eine gefragte Radiokorrespondentin beim George Enescu Festival, ebenso bei anderen nationalen Jazz-, Pop- und Weltmusik-Festivals und für verschiedene nationale Musik-Wettbewerbe, darüber hinaus wurde sie als Jurymitglied für Pop und Chormusik eingeladen. Im Frühjahr 2000 wurde sie als Jurymitglied für den Welt-Musik-Wettbewerb Ethnosfera von Radio Polen eingeladen und übernahm 2002 dort den Vorsitz. Email: danielavlad@yahoo.com
Übersetzt aus dem Englischen von Heide Bertram, Deutschland