Stathis Oulkeroglou, Komponist, Chorleiter, Direktor des Agios Stefanos Konservatoriums, Generalsekretär der Pan-Hellenic Association of Choral & Instrumental Ensembles’ Conductors.
Für Griechenland ist das Thema “Chor” ein uraltes. Ich meine, wir können es zuerst in der alten griechischen Tragödie vor mehr als 2500 Jahren entdecken. Der “Chor“ in der historischen Tragödie tanzt und singt während der Fortgangs des Handlungsablaufs, wie es der Chor in der klassischen Oper tut.
Nach der Errichtung des Byzantinischen Reiches beginnt die im antiken Griechenland gepflegte rationale Denkweise stetig zu verschwinden. Jetzt können wir beobachten, dass in der westlichen Kultur Kunst auf der Basis der altgriechischen Denkweise entsteht, während in der byzantinischen Zivilisation die “mystische“ Art zu denken des Orients Einfluss gewann. Währenddessen beginnt die Musik, ihren eigenen Weg mit Elementen zu verfolgen, die sie entweder als orientalische oder als westliche Musik charakterisieren. Genauer gesagt, Chormusik in der Kategorie des “östlichen“ Byzanz ebenso wie in der des “westlichen“ Römischen Reiches basierten grundsätzlich auf der Messe der christlichen Kirche, die bereits in die östliche und westliche Kirche geteilt war.
Aufgrund des oben Gesagten wurde der Wunsch nach einer vollständigen Trennung aller Charakteristika zur Notwendigkeit.
Nach dem Fall des Byzantinischen Reiches und während der Zeit des Ottomanenreiches war die griechische Musik geistliche Musik, die wir heute Byzantinische Musik nennen. Sie ist nicht polyphon, sondern nutzt eine zweite Stimme als eine Art Orgelpunkt, nämlich isokratis. Jedoch beweisen einige entdeckte Manuskripte, dass in manchen Fällen die byzantinische Musik auch von der Polyphonie Europas beeinflusst wurde.
Ende des 19. Jahrhunderts erschien in der griechischen Gemeinde in Wien eine Gruppe von Musikern, die, bezaubert durch die europäische Polyphonie und Homophonie, byzantinische einstimmige Melodien in drei- oder vierstimmige Chorsätze umwandeln wollten. Diese Art des Arrangements wurde nie von der griechisch-orthodoxen Kirche oder vom (orthodoxen) Ökumenischen Patriarchat akzeptiert.
Während des 18. und 19. Jahrhunderts beobachten wir, dass in einigen hellenistischen Gebieten, die der westlichen Kultur sehr nahe standen, Polyphonie und Homophonie entweder durch Chöre (auf den Ionischen Inseln) oder durch Oper, Orchester und andere Kapellen (Ionische Inseln, Smyrna , Konstantinopel) gepflegt wurden.
Nach 1828, als Count Kapodistrias der erste Gouverneur des neuen Griechischen Staates wurde, nahm er große Mühen auf sich, den Griechen die europäische Musik nahezubringen, da sein eigenes Musikverständnis auf Korfu und in Westeuropa, wo er aufwuchs, ausgebildet wurde und ebenso in Russland, wo sich seine politische Karriere entfaltete. Aber seine Bemühungen waren erfolglos.
In der Folge wurde 1833 der bayerische Othon A’ (Otto Friedrich Ludwig) als erster König des neuen Griechenlands gekrönt. Seine Spaziergänge in Athen (der neuen Hauptstadt des Staates) wurden von Kapellen begleitet, die europäische Märsche spielten. Die pompösen Uniformen der Musiker mit ihren Hüten und Federbüschen fanden großen Anklang bei den Athenern, was zur Folge hatte, dass sie sich an den Klang europäischer Musik gewöhnten. Stück für Stück “verwestlichte“ sich das Leben der Athener in allen seinen Facetten, sogar im Hinblick auf die Kleidung. Wir können auf Portraits aus dieser Zeit Männer sehen, gekleidet in einen traditionellen griechischen Kilt (fustanella) mit europäischem Hemd, Krawatte und Mantel und dem ottomanischen Fez auf dem Kopf.
Zur selben Zeit kamen viele Musiklehrer aus Österreich, Frankreich und Italien nach Athen und begannen, Musikunterricht für die Kinder reicher Eltern anzubieten. Auf diese Weise wurde europäische Musik in Athen bekannt. Sehr bald wurde dieses “Projekt“ auf alle Stadtgebiete Griechenlands übertragen, dessen Grenzen sich weiter nach Norden und Osten ausbreiteten.
Zeitgenössische Forscher haben Konservatorien (inoffizielle Musikschulen) und Chöre in westlichem Stil seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts in mehreren Gegenden Griechenlands registriert. Hinter ihnen allen steht immer ein europäischer Musiker, der nach Griechenland kam und dort auch lebte.
Während des nationalen Widerstands gegen Deutschland wurden viele Künstlergruppen gebildet (Theater, Chöre usw.), die über die Dörfer zogen, um die Menschen zu unterhalten und sie zu ermutigen, den Widerstand zu unterstützen. Akis Smyrneos, Alekos Xenos und Dinos Pandas waren drei der berühmten Dirigenten solcher Chöre, die auch Partisanenlieder komponierten, die im ganzen Land bekannt wurden.
Nach dem 2. Weltkrieg tauchen diese Chöre wieder auf: die einen, die neu zusammengestellt wurden, und andere, die schon vor dem Krieg existierten und aufgelöst wurden oder während der Kämpfe und dem Hunger der Besatzungszeit überlebten.
Die 80er Jahre sind eine besondere Ära in der griechischen Chormusik aus folgenden Gründen:
- Der wichtige Dirigent Antonis Kontogeorgiou kam zurück nach Griechenland, nachdem er sein Studium beendet und schon eine beträchtliche Karriere in Deutschland gemacht hatte, und gründete den staatlichen Rundfunkchor.
- Die Einrichtung von Chören durch die Gemeinden und kulturellen Gesellschaften kam in Mode. Danach entstanden überall im Land Chorfestivals und Chöre – gute, mittelmäßige, schlechte und sehr schlechte – letztere geleitet von Dirigenten, die von Chorleitung überhaupt keine Kenntnis hatten.
- Das griechische Kultusministerium interessierte sich für Chormusik und entschied, Griechenland in 4 Chorzirkel einzuteilen. Es beauftragte vier wichtige Persönlichkeiten für Chorkunst mit der Aufsicht: die Dirigenten Antonis Kontogeorgiou und Yiannis Mantakas und die Komponisten und Dirigenten von Chormusik Michalis Adamis und Stefanos Vassiliadis.
Unglücklicherweise werden heute, nach so vielen Jahren chorischer Aktivitäten und Entwicklung, viele gute und schlechte Chöre und einige Festivals aufgegeben, sei es aus wirtschaftlichen Gründen oder aus Mangel an ideologischem Durchhaltevermögen. Einige gute Chöre sind weiter aktiv, aber die meisten derer, die es schaffen zu überleben, sind schlechte oder sehr schlechte Chöre.
Es gibt eine Vielzahl von Vereinigungen, denen die Dirigenten sowie die Chöre angehören. Die Älteste ist die Union of Choirs in Greece, der die Chöre angehören. Aber die wichtigsten Vereinigungen sind die Pan-Hellenic Association of Choral & Instrumental Ensembles’ Conductors und die Hellenic Choirs’ Association.
Email: mousic@otenet.gr
Stathis Oulkeroglou, composer, choir conductor, Director of Agios Stefanos Music School, General Secretary of the Pan-Hellenic Association of Conductors of Choral & Instrumental Ensembles
Übersetzt aus dem Englischen von Anne Uhlig, Deutschland
Edited by Will Masters UK