Dr. Marian Dolan (USA)
Sammlungen sind eine gute Investition. Egal ob sich Ihr Chor in Argentinien, Rumänien, Indonesien oder Kanada befindet, Partituren zu kaufen ist in der aktuellen angespannten Wirtschaftslage eine echte Investition. Viele Chorleiter suchen daher Chorsammlungen als geschickte Möglichkeit um mehrere Partituren auf einmal zu kaufen — in einem Band und für weniger Geld als beim Einkauf von Einzelpartituren. Hier nun also ein paar Empfehlungen:
Chor aktuell (ISBN 978-3-7649-2439-3; Gustav Bosse Verlag/Bärenreiter) ist eine umfassende Chorsammlung, bestehend aus über 100 SATB-Partituren aus 35 Ländern und in fast genauso vielen Sprachen, die von 4 deutschen Chormusikpädagogen bearbeitet wurden. Etwa 50 Partituren sind Volkslieder, zur einen Hälfte aus Europa und zur anderen aus anderen Ländern wie Haïti, Bolivien, Kenia, dem Kongo, Madagaskar, Mazedonien, Mexiko, Samoa, Serbien, Slowenien, Südafrika, Tansania, Jamaika und der Ukraine. Die anderen über 50 Partituren sind gleichgewichtig unterteilt in weltlich, sakral und weihnachtlich. Viele der ursprünglich nicht-deutschen Texte sind zudem mit einer singbaren deutschen Übersetzung unterlegt, diese Methode ist aber nicht einheitlich für die gesamte Sammlung. Manche Partituren sind Originalsätze aus der Herkunftskultur („Haïti Chérie“ von Electo Silva; „Três Cantos Nativos“ von Marcos Leite; „Pusi Nofo“ von Chris Marshall); die übrigen internationalen Lieder arrangierten die Herausgeber selbst. Die meisten Werke sind a cappella. Ein paar Partituren beinhalten Akkord-Symbole, bedauerlicherweise aber keine Erklärungen für die Instrumentierung. Die meisten Stücke sind kurz und musikalisch auch für Ensembles aus anderen Kulturen oder Sprachgruppen zugänglich. Das Buch hat einen festen Pappeinband, ist gut gesetzt und einschließlich der Taktnummerierungen sehr gut lesbar. Die Textübersetzungen liegen üblicherweise sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch vor. Es existiert keine Aufnahme von Aufführungen, aber eine Audio-CD mit „99 Titeln und Texten von jedem nicht-englischen Lied“ ist verfügbar. Die Aussprache-Titel sind außerdem kostenlos im Internet zugänglich (http//bit.ly/4J6aLV). Diese Aussprache-Titel sind zwar eine nette Idee, bedürfen aber einer Überarbeitung. Manche sind viel zu schnell oder in einem von der Partitur abweichenden Rhythmus gesprochen; andere sind eher intoniert oder quasi gesungen statt klar und langsam mit besonderer Rücksicht auf Diphthonge und ungewöhnliche Konsonanten gesprochen. Rätselhaft ist auch, warum die englischen Texte bei diesen Audio-Aufnahmen ausgespart wurden. Trotz alledem ist dies eine der „globalsten“ einbändigen Chorsammlungen, die derzeit auf dem Markt sind. Wenn Sie nach einer verständlichen, gut zugänglichen, umfassenden Sammlung suchen, könnte dieser Band ein guter Anfang sein.
Partitursammlungen aus bestimmten Ländern oder Regionen werden möglicherweise zum Gebrauch in diesem Gebiet herausgegeben, oder auch für internationale Chöre, die das Repertoire dieser Gegend erkunden möchten. Zwei Sammlungen kommen zum Beispiel aus Finnland vom Verleger SULASOL: eine, die sich in erster Linie an finnische Chöre richtet, und eine für internationale Ensembles. SULASOL gibt drei Bände mit a cappella Partituren für gemischte Chöre in einer Reihe namens Sekakuorolauluja heraus, was soviel wie „Lieder für gemischte Chöre“ bedeutet: Sie sind vorwiegend für finnische Ensembles gedacht. Da alle Informationen ausschließlich auf Finnisch sind, ist auch kein Aussprache-Führer nötig! Wenn man allerdings die Breite, Tiefe und Zugänglichkeit dieser Partituren betrachtet, hätte man zusätzlich zu der Ausgabe von SULASOLs hervorragendem „How to Sing in Finnish“ („Singen auf Finnisch“) -Führer liebend gern eine englische Übersetzung der Informationen im Anhang. Band 3 zum Beispiel enthält 78 Werke, von denen die Hälfte von sowohl älteren als auch lebenden finnischen Komponisten stammen. Darunter sind: Chydenius, Johansson, Kekkonen, Kortekangas, Kostiainen, Kuula, Makaroff, Mäntyjärvi, Rautavaara, Sibelius. Zu den internationalen Komponisten zählen Bárdos („Dana-dana“), Čopi („Pie Jesu“), Erb („Shenandoah“), Kreek („Õnnis on inimine“), Sisask („Oremus“) und auch lateinische Motetten aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Der Notensatz ist deutlich und sehr gut lesbar.
Is it Spring in Finland? ist SULASOLs neue Sammlung von 14 finnischen romantischen Partituren, die vom Komponisten Jaakko Mäntyjärvi hervorragend bearbeitet wurden. Abermals sind alle Partituren a cappella und für verschiedene gemischte Chorbesetzungen. Jaakkos kontextbezogene, kulturelle und biographische Anmerkungen (auf Englisch) öffnen für Nicht-Finnen das Tor zum Verständnis dieser bedeutenden und schönen Epoche finnischer Chormusik . Er liefert eindeutige Aussprache-Führer, sowohl für die finnischen als auch für die schwedischen Texte. Zu den Komponisten gehören Sibelius (4 Partituren), Palmgren (3), Kuula (3), Madetoja (3) und Sallinen (1). Da er auch zum professionellen Übersetzer ausgebildet ist, liefert Jaakko zu den Partitur-Originalen auf Finnisch oder Schwedisch auch singbare englische Übersetzungen. Meine einzige Kritik ist, dass die Größe der Musik/Texte ein wenig geringer ist als bei den meisten Partituren. Davon abgesehen ist diese Sammlung ein ausgezeichneter Startpunkt, wenn Sie damit beginnen möchten, mit Ihren Sängern die finnische Chormusik zu erkunden.
Der norwegische Dirigent Kåre Hanken hat eine überwältigende Anthologie, Norwegische Chormusik 1905-2005 (ISBN 82-7093-532-8; Norsk Musikforlag) gesammelt und bearbeitet. Dieser Hardcover-A4-Band ist die Sammlung eines Dirigenten von 45 Partituren für gemischte Stimmen, die, so hofft der Herausgeber, „Neugierde säen werden, sich eingehend mit dem Chorrepertoire einer aufregenden und reichen Periode zu befassen“. Da die Partituren auch einzeln verfügbar sind, ist dieser Band eher als Referenz für Dirigenten denn als Buch für individuelle Sänger gedacht. Eine vollständige Liste der Komponisten und Partituren gibt es unter (http://bit.ly/5JI28F). Teil 1 / 1905-1955 beinhaltet Grieg, Valen, Sandvold, Solberg und andere. Teil 2 / 1955-2005 beinhaltet Hovland, Nystedt, Kverno, Sommerro, Gjeilo und andere. Teil 3 / Volkslieder beinhaltet Sätze von Sløgedal, Sæverud, Alnæs, Kruse, Egge und Nystedt. Alle diese Partituren sind a cappella, oft mit divisi-Hinweisen. Die Partituren sind von der Schwierigkeit her moderat bis anspruchsvoll. Dirigenten mit erfahrenem Ensemble werden hier viel chorisches Gold finden. Der Band beinhaltet zwei CD-Aufnahmen von sechs erstklassigen norwegischen Chören. Komponisten-Biographien und andere Informationen sind auf Norwegisch und Englisch. Der Notensatz variiert von Partitur zu Partitur, da diese Faksimiles von bereits existierenden Druckausgaben sind, die alle auch einzeln für den Chor bestellt werden können.
Sind Sie daran interessiert, das aufregende, rhythmische und sehr facettenreiche lateinamerikanische Chorrepertoire mit Ihrem gemischten Chor zu erkunden? Dann sind die folgenden Sammlungen ausgezeichnete, gut zugängliche Ausgangspunkte. Die renommierte Chor-Maestra María Guinand ist Ihre Führerin via Makumbebé: Latin American Choral Repertoire (Carus Verlag 2.302), Band 1 der Carmina mundi – Reihe. Diese Volkslied-Sammlung beinhaltet 12 gemischt-stimmige a cappella Werke aus Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Ecuador, Peru, Uruguay und Venezuela. Eine vollständige Liste der Partituren/Komponisten ist auf der Carus Website (http://bit.ly/5J6o3d) verfügbar. Marías Erfahrungen als Herausgeberin von Earthsongs, lateinamerikanischen Partituren, spiegeln sich auch in der Bearbeitung dieser Sammlung wider: erläuternde Informationen, englische Übersetzungen der Texte, ausgezeichnete Richtlinien für Percussion- und Gitarren-Begleitungen, Komponisten-Biographien und ein kurzer Aussprache-Führer.
Der angesehene argentinische Dirigent/Komponist/Musikologe Néstor Zadoff bearbeitete Polyphonies latino-américaines, zwei Sammlungen lateinamerikanischer gemischt-stimmiger a capella Partituren für Editions À Cœur Joie. Die Partituren beider Bände stammen aus Argentinien, Kolumbien, Bolivien, Peru, Venezuela und Uruguay. Band 1 enthält zehn Werke, die von Transkriptionen historischer Sätze wie „Hanac Pachap“ und „Ecce vidimus eum“ aus dem 17. Jahrhundert bis zum venezolanischen joropo „La Puerca“ und dem Chorsatz von Piazzollas klassischem Tango „Adios Nonino“ reichen. Zu den 9 Partituren des 2. Bandes zählen 2 sakrale Motetten aus dem 18. Jahrhundert, Faveros leidenschaftliches „Te Quiero“, der kubanische Klassiker „Guantanamera“ und das überschwängliche candombe „Ronda Catonga“ aus Uruguay. Die wesentlichen Informationen über die Partituren und Übersetzungen erscheinen auf Französisch und Spanisch. Wünschenswert wäre es, dass sowohl die Carus- als auch die À Cœur Joie-Sammlungen CDs oder mp3s von authentischen Aufführungen dieses wundervollen Repertoires als akustische „Wegweiser“ für Nicht-Latino Sänger und Dirigenten herausbringen würden.
In den letzten Jahren hat Oxford einige Chorsammlungen veröffentlicht, darunter auch jene, die von Komponist und Dirigent Bob Chilcott zusammengestellt und bearbeitet wurden. 5 Songs for Upper Voices (ISBN 978-0-19-335920-8) ist eine Sammlung von Partituren, die für diverse Sopran-/ Jugendchorfestivals in Auftrag gegeben worden waren. Die Texte sind auf Englisch, die Besetzung ist einstimmig, zwei Stücke sind mit Klavierbegleitung und das Niveau ist erreichbar. Für das besinnliche „Circles of Motion“ wurde mit „Eagle Poem“ ein Text der amerikanischen Ureinwohnerin Joy Harjo verwendet, Kit Wrights „Red Boots On“ bekommt von Chilcott eine funkig-jazzige Fassung, und im nachdenklichen „All Things Pass“ wird ein schöner Text von Lau-Tzu aus dem 6. Jahrhundert verarbeitet.
Arbeiten Sie mit Jugendchören und suchen vergeblich nach SAB Partituren? Dann werfen Sie einen Blick auf Oxfords SongStream Sammlungen, die von Bob Chilcott und Peter Hunt zusammengestellt und bearbeitet wurden. Die website jedes Bandes enthält pdf-Partiturproben (http://bit.ly/8Zzqxf and http://bit.ly/5nMACu) von einigen der 10 Partituren, in SAB Besetzung, gewöhnlich mit Klavier. Mit den Textenkönnen sich junge Leute gut identifizieren. Das Aufgebot an Musikrichtungen in Band 1 umfasst unter anderem „Aka-Tonbo“ von Kousaku Yamada, eine dynamische Fassung des Spirituals „Swing Low, Sweet Chariot“ und das rumba-artige, energische „Shake the Bottle“, vollständig mit Kuhglocken, Congas und Tomtoms. Band 2, An American Journey, beinhaltet kanadische Komponisten (Eleanor Daleys „Erosion“ und Mark Siretts Arrangement des traditionellen Québecois-Liedes „Les Raftsmen“), das mexikanische Schlaflied „Señora Santa Ana“, Alberto Graus Arrangement des traditionellen venezolanischen Liedes „El Gavilán“, verschiedene U.S. Folksongs und Ysaye Barnwells sehr emotionalen Satz „Wanting Memories“, den sie für das berühmte afro-amerikanische Frauen-Ensemble Sweet Honey in the Rock schrieb. Bleibt zu hoffen, dass Oxford diese dringend gebrauchte SAB-Reihe mit einer noch breiteren Spanne an internationalem Repertoire weiterführt.
Die sakralen Chorsammlungen PraiSing von Bärenreiter (www.baerenreiter.com) umfassen bisher vier Bände: Bulgarien, Israel, Russland und Schweden. Jeder Band, bearbeitet von einem einheimischen Herausgeber , beinhaltet 8 bis 12 originale Sakralwerke von Komponisten des entsprechenden Landes. Auch hier sind alle Partituren für gemischt-stimmige a cappella Chöre und von moderatem Anspruch. Manche Partituren haben eine gekürzte Fassung für Keyboard. Es gibt keine Aussprache-Führer oder Aufnahmen, und nur minimale Anmerkungen zu den Komponisten oder den Partituren. Manche Partituren haben eine singbare englische Übersetzung unter dem Originaltext.
Kennen Sie andere Chorsammlungen, die in dieser Kolumne diskutiert werden könnten? Dann senden Sie mir bitte eine E-Mail mit Ihrer Empfehlung. Bis dahin: haben Sie eine wunderbare Zeit mit dem Erkunden der Musik unserer weltumfassenden Chorfamilie!
Marian E. Dolan gründete das “The Choir Project” in Naples, Florida (USA) und ist dessen künstlerische Leiterin. Sie hat für vier Verlage internationale Partituren herausgegeben und war für die IFCM Vorsitzende der „Voices“-Konferenzen in Südafrika und im Baltikum. Sie hat MM-, MMA- und DMA-Abschlüsse in Chorleitung von der Yale University und gehörte zum Kollegium der Emory Universität (Atlanta). Sie leitet auch “honor choirs” (für bestimmte Projekte zusammengestellte Chöre, aus ausgewählten Sängern bestehend), Workshops und Reading-Sessions sowohl in den USA als auch in anderen Ländern. Sie hat mehr als 35 neue Kompositionen in Auftrag gegeben. E-Mail: mdolan@aya.yale.edu
Übersetzt aus dem Englischen von Elisabeth Sicker, Deutschland