Chormusik in der Kirche[1]
Tomaž Faganel, Dirigent und Musikwissenschaftler, Dozent, Juror, Sänger
Mindestens bis Mitte des 19. Jahrhunderts sind kirchliche Musik und kirchliches Singen die wesentlichen Stützen für die Entwicklung der Musik in Slowenien: vom Mittelalter bis zur Reformation im 16. Jahrhundert, als die Slowenen die ersten Kirchengesänge in slowenischer Sprache sowie Renaissance Motetten und Messen des berühmten Handl-Gallus erhalten, und dann im 17. und 18. Jahrhundert in den kirchliche Zentren, Klöstern, Kapellen, Schulen und Musikzentren, z.B. der Jesuiten in Ljubljana seit 1597. Ihr Einfluss kann bis zum Ende des 18. Jahrhunderts verfolgt werden. Die dann aufgeführte Kirchenmusik ist auf Lateinisch und umfasst Neuerungen des barocken Stils, klassizistische Anklänge und alle Aufführungspraktiken jener Zeit.
Wirklich “slowenische” Kirchenchormusik gibt es erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, als Gregor Rihar als erster Komponist slowenische Lyrik vertonte und damit ihre Vitalität mit seinen Kompositionen unter Beweis stellte. Dieser “swing” in den Kompositionen wurde unter dem Einfluss des Caecilianismus gegen Ende des 19. Jahrhunderts verdammt, aber die slowenische Tendenz in der Kirchenmusik hielt an.
Ende des 19. Jahrhunderts ist der Kirchenchor häufig eine Stütze für die lokale Entwicklung der Laienmusik und des Chorlebens. Kirchenmusiker treten 1877 der Slowenischen Caecilianischen Gesellschaft bei; eine Schule für Kirchenmusiker wird in Ljubljana in demselben Jahr gegründet, und die Zeitschrift Cerkveni glasbenik (Kirchenmusiker) wird 1878 erstmals herausgebracht. Als Graduierter der Schule wird ein Organist und Chorleiter bis zum 2. Weltkrieg meist in seiner Gemeinde angestellt und stellt dort die wichtigste Person des kulturellen Lebens dar. Die Kirchenchöre werden innerhalb der Liturgie eingesetzt, Konzertaktivitäten sind selten. Sie führen geistliche Musik von slowenischen und anderen Komponisten auf, mit Orgel oder a cappella, Messen und Motetten auf Lateinisch, später auf Slowenisch, aber die Komponisten bleiben im traditionellen kirchlichen Rahmen und greifen nur selten andere Entwicklungen in der europäischen Musik auf.
Kirchliche Chormusik wird nach dem 2. Weltkrieg von der öffentlichen Kultur aufgrund der kulturell-politischen Lage ausgeschlossen. Die Ausbildung von Kirchenmusikern wird 1944 beendet, nach 1945 wird die Zeitschrift Kirchenmusiker nicht mehr herausgegeben. Die Kirchenchöre beteiligen sich noch am Ablauf der Liturgie, aber weniger intensiv, und sie werden aus der nationalen Gesangspyramide ausgeschlossen, und die Chorleiter arbeiten nun ehrenamtlich. Das kulturell-politische Klima beginnt sich in den späten 70er Jahren zu verändern. Kirchenmusik und Kirchenchöre treten nach und nach in der nationalen musikalischen Kultur wieder in Erscheinung, insbesondere nach 1991. Die Orgelschule in Ljubljana wird nach 1991 wieder eröffnet, andere Diözesen folgen, die Zeitschrift Kirchenmusiker wird ab 1976 wieder publiziert. Seit 1992 bietet die Abteilung für geistliche Musik an der Musikakademie in Ljubljana wieder ein europa-gemäßes Profil für die professionelle Ausbildung zum Kirchenmusiker an. Zwei Verleger veröffentlichen Kirchenmusik.
Kirchliche Chormusik ist in jeder der 786 Gemeinden lebendig, angefangen beim Gemeindesingen bis hin zu qualitätsvollen Choraufführungen und halb-professionellem Niveau. Das slowenische Repertoire der liturgischen Musik von der Renaissance bis auf den heutigen Tag bildet die Basis; der Schwerpunkt liegt auf dem post-caecilianischen Stil und der post-romantischen Tonsprache. Einige Chorleiter führen moderne sakrale Kompositionen ein, und sakrale Popmusik ist ein relativ stark verbreitetes Phänomen. Geschätzte 1000 Chöre sind aktiv[2], meist gemischte Chöre, mit ungefähr 15.000 Sängern, geleitet von Amateur- und Profichorleitern (oft ebenfalls Organisten), die meistens auf Honorarbasis arbeiten. Kirchenchöre, manche von ihnen an der Spitze der Slowenischen Chormusikbewegung stehend, nehmen an der Liturgiegestaltung teil und treten bei Kirchenkonzerten und auf dem Festival der Slowenischen Kirchenmusik auf.
[1] Der Inhalt bezieht sich auf die die Mehrheit repräsentierende katholische Kirchenmusik, wohingegen die Musik der 14 Slowenischen Protestantischen Kirchenmusikgemeinden, der einzigen Serbisch-Orthodoxen und der anderen christlichen Kirchen eine zusätzliche Analyse erfordern würde.
[2] In Slowenien und bei den slowenisch-ethnischen Minderheiten in Italien, Ungarn und Kroatien.
Übersetzt von Manuela Meyer, Deutschland
Edited by Steve Lansford, USA