Rezensiert von Jonathan Slawson, Journalist
Viele von Ihnen waren vermutlich genauso begeistert von den diesjährigen Olympischen Spielen wie ich. Dieses Mal fesselten mich besonders die Wettkämpfe der Turnerinnen und Turner. Hier werden die Kontrahenten nicht nur an der Schwierigkeit ihrer Übung gemessen, sondern auch an der Eleganz, die sie bei der Ausführung der Übung zeigen. Einer der Aspekte, die mich bei den Auftritten am meisten beeindruckt, ist das hohe Maß an Grazie welches die Kampfrichter bei der Schlusslandung erwarten. Die Turner sollen, nachdem sie eine Unzahl Sprünge, Salti und Schrauben gezeigt haben, auch noch landen ohne zu wackeln!? Gute Übergänge zwischen den verschiedenen Übungen und speziell die abschließende Landung sind besonders wichtig für ein erfolgreiche Leistung.
Dieselbe Grazie wird von Chören erwartet – nur, anstatt von Schlusslandungen sprechen wir von Schlussakkorden. Das Sofia Vokalensemble meistert derlei (stimm-)akrobatische Übungen und präsentiert seine Musik mit solch einer Raffinesse, einer Eleganz und Nuancierung, dass es für den Zuhörer so klingt, als sei es einfach. Abgesehen von vielen anderen Eigenschaften haben die Sängerinnen und Sänger ein außergewöhnliches Verständnis für Phrasierung und intonationsreine Schlussakkorde.
Diese Ausgabe der Wahl des Kritikers beschäftigt sich mit A Spotless Rose, einer CD mit größtenteils A cappella-Musik, welche das Sofia Vokalensemble zusammen mit der Sopranistin Jeanette Kohn, Bartoscz Cajier (Violine) und dem Organisten Henrik Ariestrand aufgenommen hat.
Gründer und Leiter dieses Chores, des diesjährigen europäischen Chor-Grand Prix-Gewinners, ist Bengt Ollén. Der Wettbewerb (dieses Jahr in Slowenien) ist einer der renommiertesten seiner Art und die teilnehmenden Chöre sind Gewinner von sechs bekannten Chorwettbewerben in Europa.
Neben anderen Wettbewerben gewannen sie 2009 ebenfalls den Grand Prix beim internationalen Chorfestival in Norwegen sowie 2008 den Grand Prix im italienischen Gorizia. Das Sofia Vokalensemble konzertiert regelmäßig in Südafrika, Deutschland, Slowenien, Italien, Hong Kong, Irland, Griechenland, Venezuela und Russland. Sollten Sie einmal die Gelegenheit haben, dieses Ensemble live zu hören, sollten Sie diese unbedingt wahrnehmen. Bis dahin biete ich Ihnen meine höchste Anerkennung für diese Aufnahme an.
Das Eröffnungsstück Bereden vag for Herran (Arr. Anders Bond) beginnt mit einem kristallklaren Frauenstimmen-Unisono und zeigt den prächtigen europäischen Klang, einheitliche Vokale, fast perfekte Intonation und das Wichtigste: einen ausgeprägten Sinn für die Richtung der Phrasen zur Kadenz bei sensibler Behandlung der vorletzten Note. Beim folgenden Stück, dem eindringlichen und dissonanten Nu vantar hela jorden des Arrangeurs Gunnar Hahn zeigen sie eine enorme dynamische Bandbreite.
Das Repertoire ist eine Herausforderung – die Musik zu hören: keine.
Bemerkenswert ist auch die Schönheit und Ausgewogenheit der Solostimme in Ingvar Lindholms,Madonnans vaggisa, welche die herausragende Qualität dieser Aufnahme herausstellt. Die CD ist brillant produziert und nicht zu sehr bearbeitet, wie vieles andere in unserer hochtechnisierten Gesellschaft.
Gefallen wird Ihnen ebenso Marias vaggisa von Fredrik Sixten, eine kunstvolle Variation von Stille Nacht und das phantastische Corpus Christi von Trond Kverno. In diesem Schlaflied-ähnlichen Stück navigieren die Sänger meisterhaft durch komplizierte Modulationen und beweisen ein gutes Gespür für Wiederholungen: Jede Repetition bringt eine Vertiefung in die musikalische Komplexität. Komponisten wiederholen Phrasen aus bestimmten Gründen – das Sofia Vokalensemble erneuert jede Phrase so, dass sie jedes Mal neu klingt.
Dem Corpus Christi folgt Guds son ar fodd von Otto Olsson, in dem die Männer ihre Strahlkraft zeigen. Beeindruckend ist der unerschütterliche Orgelpunkt im Bass, auf dem die Melodie schwebt.
Der Grundstein dieser Zusammenstellung ist für mich There is no rose of such vertu von Fredrik Sixten. Besonders der Beginn zeichnet dieses lebhafte Bild einer aufgehenden Blüte. Trotz der anspruchsvollen Stimmführung schaffen die Sängerinnen und Sänger es, dieses Stück mit einer unglaublichen Leichtigkeit zu singen.
Weitere Informationen über das Sofia Vokalensemble finden Sie hier:
http://www.sofiavokalensemble.com/?lang=en
Kostenlose Hörproben gibt es hier:
Jonathan Slawson erwarb seinen Bachelor of Music am Westminster Choir College (USA) und studiert momentan in einem Masterstudiengang Nonprofit Management. Seine beruflichen Interessen liegen in der Kunsterziehung, der Politik und im Management. Er ist Berater der Entwicklungsabteilung für die Bravo Lincoln Center Kampagne, die Hauptkampagne zur Erlangung der nötigen Gelder für die Sanierung des Lincoln Center (New York). Davor war er für die Leitung des Lincoln Centers und dessen Beziehungen zur Bevölkerung verantwortlich. Daneben hat er für Disney’s und In Tune Monthly geschrieben, arbeitete als Herausgeber des Lehrerführers bei New World Stages (Stage Entertainment) und an einem Theater. Er unterrichtete Musik an der Maureen M. Welch Grundschule, am New Jersey Performing Arts Center und am Stagestruck Performing Arts Center. Jonathan Slawson ist Mitglied des Akademierats der Blair Academy of Governors und erhielt 2009 den Preis des Präsidenten des Westminster Choir College, die höchste Auszeichnung der Universität.
Übersetzt von Florian Sievers, Deutschland