Jutta Tagger,
Ehemalige Redakteurin des International Choral Bulletin
Mit Willi Gohl hat die Welt einen Musiker und Musikpädagogen verloren, der mehrere Generationen von Musikern geprägt hat, zunächst in seiner Heimat, der Schweiz, und dann in Europa und der ganzen Welt.
Sein Leben war der Musik und ihrer Vermittlung gewidmet. Seine größte Liebe galt der Chormusik, er war aber auch ein ausgezeichneter Pianist, und als Cembalist bereiste er mit den bekannten „Kammermusikern Zürich“ die ganze Welt. Von den verschiedenen Chören, die er geleitet hat, ist es vor allem der Singkreis Zürich, der über 40 Jahre lang untrennbar mit seinem Namen verbunden war und der ihn in alle Welt begleitet hat.Willi Gohl war 27 Jahre lang Direktor des Konservatorium Winterthur und hat über viele Jahre hinweg Dirigier-, Schulmusik- und Chorateliers im In- und Ausland organisiert und geleitet.
Von Anfang an war er bei Europa Cantat dabei. Die Organisation entstand 1960 in Genf unter dem Namen Europäische Föderation Junger Chöre – EFJC (wurde aber erst 1963 ein eingetragener Verein). Als Atelierleiter hat er für sie auf vielen Festivals und Singwochen große Werke einstudiert. Besonders in Erinnerung werden aber die Offenen Singen bleiben, welche er auf einzigartige Weise leitete und für die er auch Songbooks gestaltete. In ähnlicher Weise hat er auch über 20 Jahre lang die Zimriya in Israel mit geprägt und an den Choralies von A Coeur Joie teilgenommen. Von 1965 bis 1994 war er fast ununterbrochen im Vorstand von Europa Cantat, und von 1978 bis 1982 im Vorstand der ISME (Internationale Gesellschaft für Musikerziehung).
Er liebte nicht nur die großen Chorwerke und Oratorien, sondernebenso die einfachen Volkslieder, für die er häufig neue Chorsätze komponierte. Auch seine eigenen Lieder und Texte sind im Volkston gehalten und einige davon sind in der Schweiz zu richtigen Volksliedern geworden. Generationen von Schweizer Schülern und Schülerinnen haben aus Singbüchern gesungen, die von ihm mitgestaltet worden sind. Noch mehr Menschen kennen Willi Gohl aber aus seinen legendären Offenen Singen im Schweizer Rundkfunk oder als Autor des wunderschönen Bandes „Das Grosse Liederbuch“ mit Illustrationen von Tomi Ungerer im Diogenes Verlag, 1975 erschienen.
Das Menschenverbindende war ihm wichtig, und der Chorgesang war sein „Werkzeug“ dafür. Schon 1972 nahm er mit seinem Chor am Internationalen Chorfestival des Lincoln Center in New York teil, das von Robert Shaw und Jim Bjorge geleitet wurde und unter dem Motto des Friedens und der Völkerverständigung stand. (Das Festival fand insgesamt fünf Mal statt und es gab auch Konzerte in Yale und im Kennedy Center in Washington, D.C.).
Vielleicht war dieses Festival ein Anstoß für sein starkes Engagement für die Schaffung einer internationalen Chororganisation, die dann 1982 in Namur (Belgien) unter dem Namen Internationale Föderation für Chormusik (IFCM) gegründet wurde. Folgerichtig wurde er sofort in das Präsidium gewählt, dem er bis einschließlich 1996 angehörte.
Seine pädagogischen Ideen kamenaber auch 1987 zum Tragenbeim Ersten Weltchorsymposium in Wien, das er in Rahmen einer Arbeitsgruppe mit vorbereitet hatte. Das damals erarbeitete „Format“ mit den Workshops, Masterclasses zur Aus- und Fortbildung – in vielen Ländern gab und gibt es immer noch keine Chorleiterausbildung – , der Präsenz einer Reihe der besten Amateurchöre der Welt als „Anschauungsmaterial“, usw., ist immer noch gültig.
1996 war Willi Gohl Juryvorsitzender für den UNESCO-Preis für die Förderung der Künste, der auf dem 4. Weltchorsymposium in Sydney (Australien) einstimmig an den finnischen Tapiolachor unter Leitung von Kari Ala Pöllänen verliehen wurde.
Willi Gohl war überall beliebt und verehrt. Er hatte eine ganz bersondere Gabe, Freude an der Musik und am Musizieren zu vermitteln. Seine humorvolle, lebendige und menschliche Art wird allen, die ihm begegnet sind, unvergesslich bleiben.
Willi Gohl hinterlässt seine Frau Verena und fünf Kinder, die alle Musiker sind.
Am 6. Juni 2010 wird in Winterthur ein Gedenkkonzert stattfinden.