Renommierte Ensembles arbeiten mit dem IFCM Wettbewerb für Chorkomposition zusammen
Andrea Angelini ICB Managing Editor and choral conductor & Graham Lack composer, ICB Consultant Editor
Beim zweiten internationalen IFCM Wettbewerb für Chorkomposition haben zwei international enommierte Vokalensembles sich großzügig zur Zusammenarbeit bereit erklärt. Diese enge Zusammenarbeit zeigt die pragmatische Seite von Preisverleihungen: die Chance für den
Preisträger, mit den Philippine Madrigal Singers zusammen zu arbeiten, die jenes Werk zur Uraufführung bringen werden, das den Hauptpreis gewonnen hat. Und ein Komponist, dessen Stück “Harmonieoriginalität” aufweist, kann es in einem Workshop hören, den VOCES8 ausschließlich zu
diesem Zweck durchführen. Die folgenden Interviews erläutern genau, warum und wie dies realisiert wird.
Interview mit Marc Anthony A. Carpio
Andrea Angelini: Zuerst möchte ich Ihnen sagen, wie glücklich wir sind über Ihre Bereitschaft zur
Zusammenarbeit mit der IFCM. Die Philippine Madrigal Singers sind sicherlich einer der besten Chöre
in Ihrem Heimatland und den Nachbarländern. Allem Anschein nach arbeiten Sie wirklich intensiv daran, seinen Bekanntheitsgrad im Ausland, besonders in Europa und Amerika, zu erhöhen. Könnten Sie unseren Leser etwas über Ihre Arbeit mit dem Chor erzählen? Wie fing die Geschichte an?
Marc Anthony A. Carpio: Die Philippine Madrigal Singers feiern 2013 ihren 50.Geburtstag. Der
MADZ, wie der Chor liebevoll genannt wird, wurde 1963 von Andrea Veneracion gegründet, einer treibenden Kraft beim Aufbau der Chormusik-Tradition in den Philippinen,.1992 wurde ich als Tenor Mitglied des Ensembles. Obwohl ich ausgebildeter Pianist bin, habe ich immer gern gesungen und
ich sah Andrea und den MADZ in einer Vorreiterrolle. Sehr schnell bekam ich große Lust, mit anderen
Chormusik einzustudieren.1994 gründete ich den Kilyawan Boys Choir, der sich jetzt in eine Vereinigung von Chören entwickelt hat, einschließlich des Kilyawan Männerchores und des Voces Aurorae Mädchenchores. Nach mehrjähriger Überlegung hat Prof. Veneracion 2001 beschlossen, sich von der Chorleitung zurückzuziehen und mich gebeten, ihre Arbeit als neuer Leiter der MADZ fortzuführen. Die enorme Verantwortung dieser Aufgabe erfüllte mich mit dem Gefühl der Ehre und Demut. Denn wir haben eine lange Tradition ausgezeichneter Chorarbeit. Mit ihrer Beratung und Ermutigung führe ich unsere Aufgabe und Verantwortung fort.
AA: Man sagt, die Musik sei ein Menschheitsgut, jedoch spiele die Tradition eine wichtige Rolle bei der korrekten Aufführungspraxis. Fühlen Sie sich wohl bei jeder Art von Musik, angefangen bei der Polyphonie der europäischen Renaissance, über das Repertoire des Barocks und der Romantik bis hin zu zeitgenössischen Werken? Oder führen Sie lieber Werke von Komponisten Ihrer Herkunftsgegend auf?
MAA.C: Der MADZ führt eine große Bandbreite von Musikstilen auf und hat eine ganz eigene Verbindung zu der Musik der Renaissance, besonders zu Madrigalen. Und ein Treffen unserer ehemaligen Sänger und Absolventen endet meist mit dem gemeinsamen Singen der Madrigale, die sie früher sangen. Doch der MADZ war auch immer daran interessiert, alle Musikrichtungen zu erkunden.
Von Anfang an hat unsere Gründerin Prof. Veneracion philippinische Komponisten – besonders unter unseren jeweiligen Mitsängern – aktiv ermutigt, zeitgenössische philippinische Chorwerke zu schreiben. Heute ernten wir die Früchte dieses langjährigen leidenschaftlichen Engagements. Wir haben auch den starken Wunsch, uns mit bisher eher fremden Kulturen und Traditionen zu befassen. Auf unseren Reisen entstehen Freundschaften und Verbindungen zu anderen Kulturen, indem wir ihre Musik einüben und aufführen, oft in ihrer eigenen Sprache. Wir haben uns angefreundet mit Komponist/innen aus aller Welt; und unsere freundschaftlichen Beziehungen werden gefestigt, indem wir ihre Werke aufführen.
AA: Meine nächste – naheliegende – Frage ist Ihnen sicher schon oft gestellt worden: Aber ich bin immer wieder überrascht, wenn ich Ihre Sänger während einer Aufführung im Halbkreis sitzend sehe. Ich möchte Sie fragen, ob es einen besonderen Grund für diese Praxis gibt.
MAA.C: Scherzhaft antworten wir, dass wir nicht faul sind, obwohl wir während der gesamten Aufführung sitzen. Am Anfang wollten die ersten Mitglieder des MADZ den Verlauf eines Banketts wieder aufleben lassen: Damals versammelten sich die Gäste um die Tafel und sangen Madrigale. Die Tafel ist schon lange verschwunden, aber wir sitzen immer noch im Halbkreis. In dieser Sitzordnung – ohne Dirigenten oder stehende Solisten – sehen sich die Sänger, fühlen den Klang der Nachbarn und können einander hören. Die Sänger/innen müssen wissen, was innerhalb und außerhalb der Musik passiert. Diese Tradition des MADZ hat sich in fast 50 Jahren entwickelt.
AA: In letzter Zeit haben viele philippinische Chöre an wichtigen Chorwettbewerben, besonders in Europa, teilgenommen, wo sie fortwährend viele Preise gewinnen. Wie war es möglich, in solch kurzer Zeit solch gute Resultate zu erzielen? Haben diese Chorleiter ein Geheimnis, das sie nicht mit ihren Kollegen im “Alten Europa“ teilen wollen?
MAA.C: Es gibt keine Geheimnisse. Nur die große Leidenschaft, gemeinsam zu singen, viel harte Arbeit und auch eine Menge Spaß… das ist alles. Ich möchte deutlich hinzufügen, dass die Spiritualität der philippinischen Chöre, oder eigentlich der meisten Filipinas und Filipinos, auch in ihrem Singen lebt.
AA: Es wird dem Gewinner des IFCM International Wettbewerbs für Chorkomposition eine große Ehre sein, dass die Madrigal Singers sein Werk zur Erstaufführung bringen. Sie wissen natürlich noch nicht genau, was sie erwartet. Bisher haben Sie immer eng mit den Komponist/innen zusammen-gearbeitet. Halten Sie die Zusammenarbeit mit dem Komponisten des preisgekrönten Werkes für notwendig?
MAA.C: Nun, wir sind alle sehr aufgeregt bei diesem Projekt. Als Ausführende sollten wir die Musik so aufführen, wie der Komponist sie sich vorgestellt hat. Und das heißt enge Zusammenarbeit. So bereite ich jedes Stück vor, und ich freue mich darauf, genauso mit dem/der Gewinner/in vorzugehen..
AA: Nochmals vielen Dank für Ihre großzügige Zusammenarbeit.
University of the Philippines Madrigal Singers
Der Chor “University of the Philippines Madrigal Singers” wurde 1963 von der ´Nationalen Künstlerin´ Professor Andrea O. Veneracion gegründet. Er umfasst Studierende und Absolventen der verschiedenen Colleges der University of the Philippines (UP) und hat weltweit bei vielen angesehenen Wettbewerben ständig Preise gewonnen: Arezzo und Gorizia in Italien, Marktoberdorf in Deutschland, Spittal in Österreich, Neuchatel in der Schweiz, Tours in Frankreich, Varna in Bulgarien, Debrecen in Ungarn, Cantonigros, Tolosa und Torrevieja in Spanien. Das Ensemble kann sich rühmen, als erster Chor der Welt den European Grand Prix for Choral Singing zweimal gewonnen zu haben (1997 und 2007).
Das umfangreiche Repertoire des Chores umfasst Musik der Renaissance und Klassik, philippinische und internationale Volkslieder, zeitgenössische und avant-garde Musik, Opern und sogar Popmusik. Ihre Spezialisierung und Konzentration auf Madrigal-Gesang hat zu ihrer typischen Aufführungsweise geführt, nämlich im Halbkreis sitzend ohne Dirigenten zu singen.
Der Einfluss der UP Madrigal Singers auf die philippinische und asiatische Chor-Szene ist weitreichend. Seit 1963 sind mehr als 200 Sänger, die jetzt in der Organisation und Leitung von Chören aktiv sind, durch ihre Reihen gegangen. Diese Entwicklung führte schließlich zur Gründung von „Madz Et Al“, einem nationalen Netzwerk von ca. 60 Chören, die sich regelmäßig bei Festivals und Workshops treffen.
Unter der Leitung von Marc Anthony Carpio schaffen viele Komponist und Arrangeure
fortwährend neue Werke oder Bearbeitungen von philippinischen, asiatischen und internationalen Liedern für die UP Madrigal Singers, wodurch die Chorliteratur weltweit erweitert wird.
Als Anerkennung ihres umfassenden und erfolgreichen Bemühens um die Förderung der kulturellen Diversität, des interkulturellen Dialogs und einer Kultur des Friedens wurde die Gruppe kürzlich mit der UNESCO – Nominierung als ´Künstler für den Frieden´ (Artists for Peace, Juli 2009) geehrt. In ähnlicher Weise wurde sie mit dem Guidoneum Award (September 2010) der `Concorso Polifonico Guido d’ Arezzo Foundation` für ihre ´künstlerischen Aktivitäten und die Förderung des Chorgesangs´ ausgezeichnet, nachdem sie den European Grand Prix for Choral Singing 2007 gewonnen hatte.
Die UP Madrigal Singers fühlen sich sozialem Engagement verpflichtet und veranstalten u.a. Konzertreisen in weitentlegene Gegenden der Philippinen, die selten von Chormusikern besucht werden Mit ihren zwei jährlichen Konzertreisen ins Ausland sind die UP Madrigal Singers die aktivsten nationalen „Botschafter des Guten Willens“. Im August 2011 war die Gruppe einer der herausragenden Chöre beim „9. Weltsymposium für Chormusik“ in Puerto Madryn, Argentinien. Anschließend gab sie einige Freundschaftskonzerte in anderen Landesteilen und auch in Paraguay und Uruguay.
Marc Anthony A. Carpio
Marc Anthony Carpio schloss sein Klavierstudium an der University of the Philippines mit dem Bachelor – Prädikat Summa cum laude ab und kehrte sofort als Lehrer im Klavierfach an das College zurück. 2001 wurde er von Prof. Andrea Veneracion als ihr Nachfolger in der Leitung der Philippine Madrigal Singers auserkoren. Er hat seitdem das Ensemble auf zahlreichen internationalen Touren geleitet. 2004 gewann sein Chor den 1. Preis für beide Kategorien „Habanera“ und „Polyphony“ beim Wettbewerb „Certámen Internacional de Habaneras y Polyphony“ in Torrevieja, Spanien. Er war auch Sieger beim 35. „Florilege Vocal de Tours“, Frankreich (2006) und beim European Grand Prix for Choral Singing 2007 in Arrezzo, Italien. Als viel gefragter Dozent für Chormusik führt er oft Intensivkurse und Workshops sowohl landesweit in den Philippinen als auch in verschiedenen asiatischen und europäischen Ländern durch. Er hat auch die Leitung des „Consortium of Voices“, einer Chorgemeinschaft bestehend aus dem Kilyawan Boys Choir, dem Kilyawan Men´s Choir und dem Voces Aurorae Girls Choir. Zur Zeit ist er Lehrer in der Abteilung der Dirigenten-Ausbildung am UP College of Music und auch als hoher Tenor und Begleiter tätig.
Übersetzt aus dem Englischen von Christa Sondermann, Deutschland
Revised and edited by Graham Lack, UK
Interview mit Barney Smith, Künstlerischer Leiter von VOCES8
Graham Lack Wann ist VOCES8 zu einem professionellen Chor geworden?
Barney Smith Wie schön, mit so einer leichten Frage zu beginnen. Das war 2007.
GL Und was bewog Sie dazu?
BS Darauf ist auch leicht zu antworten. Wir hatten ein paar Jahre zuvor einige wichtige Wettbewerbe gewonnen, einen Ersten Preis in Gorizia 2005 und beide Ersten Preise – für unser geistliches und für unser weltliches Programm – 2006 in Tolosa. So schien dies ein logischer Schritt.
GL Aber ein großer…
BS Ja, natürlich war das ein riesiger Schritt, den Status eines Amateurchors aufzugeben und den Sprung in die Welt des professionellen Musizierens zu wagen.
GL Sie bedauern aber diesen Schritt jetzt nicht?
BS Nein, überhaupt nicht, nicht einen Augenblick lang.
GL Was genau hat das für das Ensemble bedeutet?
BS Was einem gleich in den Sinn kommt, ist das Wort ‘Verpflichtung’. Vorher hatten wir nur auf einer ad hoc Basis gearbeitet, wir übten, wenn wir es für erforderlich hielten, lernten neue Stücke, wenn wir dachten, das sei notwendig und versuchten, so weit wie möglich voraus zu planen.
GL Damals waren Sie alle noch Studenten…
BS Ja, an der Westminster Cathedral. Und wir hatten so viele Ideen, Wünsche und unsere eigenen Träume. Die harte Realität des Musikgeschäfts schien weit weg, Gott sei Dank. Als wir dann die Wettbewerbe gewannen, wussten wir aber, dass wir etwas zu bieten hatten. Und wir hatten das Gefühl, dass das ein erster Schritt auf der Leiter nach oben war. Es ging um die ewige Frage, ob man die Arbeit aufgeben solle, mit der man seinen Lebensunterhalt verdient? Wir waren aber alle jung und, denke ich, recht ehrgeizig, wenn ich so zurückschaue, und so setzten wir uns einfach hin redeten über die Sache.
GL Und der Rest ist Geschichte.
BS Ja, so kann man sagen. Wir hatten auch Glück, und viele Menschen haben uns von Anfang an unterstützt.
GL Und wann genau war dieser Anfang?
BS Es gab einige Startversuche, aber ein Ereignis ist hervorzuheben, nämlich ein Konzert in Oklahoma 2009, das wir auf Einladung der ACDA (Amerik. Chorleiterverband, Anm. der Übersetzerin), auf ihrem Kongress gaben. Dort haben wir verstanden, dass man uns wirklich zuhörte und dass wir tatsächlich in der Lage waren, anderen Zuhörern unsere Musik nahezubringen.
GL Also was ist bei VOCES8 anders? Wie unterscheidet sich das Ensemble von anderen, die in der ganzen Welt Konzerte geben?
BS Wir sind acht SängerInnen, das bedeutet, dass wir unheimlich flexibel sind. Wir können ebenso gut Bach-Motetten für Doppelchor (bei denen jeder eine Stimme übernimmt) wie Renaissancemusik oder zeitgenössische Werke oder auch Filmmusik singen.
GL Es sieht so aus, als würden Sie bei manchen Werken jeden Sänger eine bestimmte ‚Rolle spielen‘ lassen.
BS Genau! Das ist der Trick. Wir benutzen keine weiblichen Altos, sondern Kontratenöre, somit können wir zwei Soprane für die hohen Stimmen einsetzen, Tenöre und Baritone in der Mitte und einen starken Bass für die tiefen Stimmen, und sind so in der Lage, die Plätze je nach Art der Musik zu tauschen.
GL Was alles mit der Tessitura zu tun hat…
BS Genau. Jeder von uns besitzt einen sehr großen Stimmumfang, in dieser Hinsicht haben wir Glück. Die Überschneidung eines Sängers oder einer Sängerin mit der Nachbarstimme ist riesig und gibt uns die Möglichkeit, interessante Klangfarben und –mischungen zu erreichen. In der Brahmsschen Mottete ‘Warum ist das Licht gegeben’ – für SSATBarB – haben wir Chris und Andrea die Melodie singen lassen, die anderen haben die Chorakkorde übernommen und ich singe darüber das zweigestrichene gis!
GL Was? Über dem Liniensystem beim Violinschlüssel?
BS Richtig.
GL Was geschieht also, wenn Dingle ein Solo hat? Ist er dann eine Art Lead-Bass?
BS Sie werden es nicht erraten, wenn Sie uns nicht im Konzert haben singen hören: Ich singe den Bass!
GL Aber Sie sind doch Kontratenor…
BS Ja natürlich, ich kann aber meine ‘normale’ Stimme benutzen, sozusagen als mein Zweitinstrument, und die Basslinie übernehmen. Das macht Spaß, und ich hoffe, ich klinge gut.
GL Ein Journalist hat einmal gesagt, dass es einen neunten Sänger gäbe. Ist das ein Insiderwitz oder gibt es den?
BS Nein, der ist nicht Sänger sondern Arrangeur; es handelt sich um Jim Clements.
GL Der von Anfang an dabei war…
BS Stimmt. Wir waren von Anfang an zusammen und sind es erfreulicherweise immer noch.
GL Was hat er diesem aufregenden Mix beizusteuern?
BS Ohne Jim wären wir nicht da, wo wir heute sind. Seine Sätze sind maßgeschneidert für Voces8. Er versteht wirklich, wie die Gruppe funktioniert, weiß, was bei den äußeren Stimmen los ist und wie die inneren sich mischen und miteinander verschmelzen.
GL Ich habe inzwischen eine ganze Reihe von diesen Bearbeitungen gehört und muss sagen, dass sie wirklich außergewöhnlich sind …
BS Sie sind eine Art Luxusgüter. Sie passen uns wie angegossen.
GL Was ist das musikalische Geheimnis?
BS Es ist eigentlich ganz einfach. Eine einzelne Stimme ist ein Solo. Drei Stimmen einstimmig sind eine Stimmgruppe. Und zwei gleiche Stimmen sind bei dieser Art des Singens im Allgemeinen so schwer zu verschmelzen, dass Jim einige andere Möglichkeiten zulässt, wie z. B. einen Sopran und einen hohen Tenor einstimmig oktavierend.
GL Er hat offenbar ein unglaubliches Gehör…
BS Ich glaube, er ist recht intuitiv und weiß, welcher Klang zu jedem Stück am besten passt. Seine Harmonien sind erstaunlich, sie halten uns wirklich auf Trab. Das andere ist, was macht er mit der Melodie? Sie ist nicht so oft im Sopran zu finden, wie Sie vielleicht denken, er lässt sie nämlich wandern.
GL So haben Sie alle die Chance, sie mal zu singen…
BS Wir kommen alle an die Reihe und geben sie von einem Sänger an den nächsten weiter. Das ist nicht so leicht, wie es klingt. Man muss wirklich zuhören, was jeder singt. Die anderen Stimmen sind einfach so anders als die eigene Stimme, und es besteht die Gefahr, dass man sich treiben lässt und mehr zuhört als selber singt.
GL Jim geht sehr geschickt mit dem Diskant um, das ist natürlich ‘typisch Britisch’.
BS Das ist wahr und ist wohl der Grund, weshalb wir auch beschlossen haben, Michael Tippetts ‘Go Down Moses’ auf unserer neuesten CD, ‘Choral Tapestry’ aufzunehmen. Da gibt es einige Melodiebögen drin. Wir sind der Ansicht, dass es zu unserer Tradition gehört. In ‘I Wonder as I Wander’, einer von Jims Bearbeitungen, kann man gut hören, wie sehr er Teil des Ganzen ist.
GL Da ist auch eine erstaunliche Stelle in der Sopranstimme bei ‘Once in Royal David’s City’, einer Bearbeitung eines anderen Komponisten, der angefangen hat, für Voces8 zu arbeiten, Thomas Hewitt Jones.
BS Noch so ein Glücksfall. Er steht noch am Anfang seiner Karriere, aber wir schätzen seine Leistungen bereits sehr. Er hat ein so bekanntes Weihnachtslied in etwas ganz Besonderes verwandelt. Es wird auf unserer nächsten CD, einer Weihnachtsplatte, zu hören sein, die später in diesem Jahr herauskommt.
GL Die James Bond-Bearbeitungen sind wohl ebenfalls typische Werke von Jim. Sie sind auch sehr subtil.
BS Das denken wir auch. Manchmal weist er nur auf die Bondmelodie hin, die ja jeder kennt, sie braucht also nicht voll zitiert oder hervorgehoben zu werden. Wir sind eher auf der Seite des Understatement zu finden, so wie der Charakter gespielt werden sollte. Und es gibt auch viel bei den Backgroundstimmen zu hören; wenn Sie die Augen schließen, dann sehen Sie gleichzeitig, wie der Film abläuft.
GL Jetzt sagen Sie uns noch etwas über die Olympischen Spiele in London. Wie kam das Projekt zustande?
BS Das war eine weiterer Glücksfall für uns. Thomas hatte mit dem Entwicklungsteam gearbeitet und eine Reihe von Stücken für kurze Animationsfilme geschrieben. Eines Tages hatte er die kluge Idee – wir dachten jedenfalls, es war eine – der Partitur Singstimmen hinzuzufügen. So kamen wir dazu, mit dem British Film Orchestra im Studio zusammenzuarbeiten. Eine weitere neue Erfahrung für uns…
GL …und was für ein Gegensatz zu Palestrina…
BS Wir sind im 21. Jahrhundert und machen Musik fürs 21. Jahrhundert. Das hat mit dem Handwerkszeug zu tun und damit, so viele verschiedene Dinge so gut wie möglich zu machen. Nächstes Jahr sind wir auf Tournee in Japan und singen den ‘Messias’ mit einem kleinen Orchester und nur acht Stimmen für den Chor und die Solisten.
GL Aber Sie können doch nicht alles für alle machen?
BS Nein, aber wir glauben, dass es zwei Arten von Musik gibt, die gute und…
GL …die nicht so gute?
BS Sie haben es auf den Punkt gebracht.
Aus dem Englischen von Jutta Tagger, Frankreich