Spirituell-inspirierte Chormusik teilen: Gemeinsamkeiten und vielversprechende Bräuche entdecken

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Matthias Balzer & Ki Adams

Spirituell-inspirierte Chormusik teilen – ein neuer, innovativer und relevanter Schwerpunkt auf Chortreffen und Choraktivitäten auf der ganzen Welt. Diese Thematik stand im Zentrum der gut besuchten Podiumsdiskussion und des damit verbundenen Dialogs am Mittwoch, dem 26. April 2023, beim Weltchorsymposium (WSCM) in Istanbul, Türkei.

Das Podium setzte sich zusammen aus Teilnehmer*innen diverser Länder mit verschiedenen kulturellen Hintergründen:

  • Ki Adams (Kanada), IFCM und Moderator der Diskussion
  • Matthias Balzer (Deutschland), Internationale Föderation Pueri Cantores
  • Gábor Móczár (Ungarn), IFCM
  • Ramona Wegenast (Deutschland), Marktoberdorf Music Sacra International
  • Naomi Faran (Israel), Moran Chor
  • Hussein Janmohamed (Kanada), Komponist und unabhängiger Wissenschaftler
  • Sherryl Sewepagaham (Kanada), Komponistin und Mitglied der Little Red River Cree Nation

Die Diskussion konzentrierte sich umfassend auf den Einfluss, den ein bewusster Austausch spirituell-inspirierter Musik diverser kultureller und religiöser Gemeinschaften auf die Entwicklung eines tieferen Verständnisses von Sänger*innen füreinander und letztlich für eine friedvollere Welt haben könnte.

Die Diskussionsteilnehmer*innen waren sich einig, dass bereits 70% der Chorkompositionen, die bei internationalen Chorevents aufgeführt werden, einen spirituellen Ursprung haben, obwohl sie in der Regel von Chorleiter*innen und ihren Chören oft ohne religiösen Hintergrund oder Verbindung ausgewählt werden.

Dieses kompositorische und programmatische Phänomen wurde als guter Startpunkt für die Kreation und Vorbereitung neuer Begegnungen und Austauschformate gesehen, nicht ausschließlich durch die Musik selbst aber durch ihre Herkunft und ihren Hintergrund. Dies ist umso mehr für den Chorgesang gültig, da die Kombination von Wort und Musik einen viel konkreteren und ganzheitlicheren Zugang zu anderen Kulturen und Religionen ermöglicht, als jede theoretische und akademische Diskussion.

Dieser Austausch spirituell-inspirierter Chormusik kann besonders auf Chor-Festivals und bei Chor-Wettbewerben realisiert werden, bei denen Ensembles verschiedener religiöser/spiritueller Kontexte teilnehmen und bei denen die Vorbereitung und Performance von Kompositionen stattfindet, die Musik verschiedener spiritueller Ursprünge kombinieren.

Einige Podiumsteilnehmer*innen beschrieben ihre eigenen produktiven Erfahrungen mit dieser Art des Austauschs:

  • Sherryl Sewepagaham, deren Arbeit mit dem Vancouver Jugendchor (Kanada) Chormusik beinhaltet, deren Wurzeln in den verschiedenen spirituellen Praktiken der muslimischen und indigenen Gesellschaften liegen.
  • Hussein Janmohamed, der in seinen Kompositionen für Chor bewusst verschiedene spirituelle Hintergründe kombiniert.
  • Ramona Wegenast, deren zweijähriges Festival Musica Sacra International Musiker*innen der großen Weltreligionen für Konzerte wie auch Diskussionen und Workshops mit Schulkindern der Region für eine Woche in Marktoberdorf, Bayern/ Deutschland zusammenführt,
  • Naomi Faran, die ihre ermutigenden Erfahrungen einbrachte, wenn Sängerinnen und Sänger von verschiedenen, manchmal sogar verfeindeten Regionen, in einem Ensemble gemeinsam Musik machen.

Die Initiatoren der Podiumsdiskussion, Gábor Móczár und Matthias Balzer, verliehen ihren Standpunkten Ausdruck, dass Spiritualität ein wichtiger Teil der menschlichen Persönlichkeit darstellt, egal auf welche Weise sie in verschiedenen Religionen und spirituellen Praktiken einen Ausdruck findet. Im Zusammenhang mit der Universalität der Musik über alle Sprachen und kulturelle Grenzen hinweg, kann eine Realisierung dieses einzigartigen „Teilens spirituell-inspirierter Chormusik“ daher auf der eine Seite den Bedarf transzendenten Ausdrucks zwischen menschlichen Wesen ansprechen aber auch zugleich das gegenseitige Verständnis füreinander in einer vielpoligen, durch zahlreiche Konflikte gezeichneten Welt fördern.

Zusammen mit Ki Adams, der die Podiumsdiskussion umsichtig moderierte, waren sich alle Podiumsteilnehmer einig, dass diese WSCM-Veranstaltung der Anfang weiterer Entwicklungen sein kann, bei denen Best-Practice-Beispiele und Ideen gesammelt und weitere konkrete Realisierungen unterstützt werden sollen.

Alle Teilnehmer, auch das Publikum, waren sich einig in der Meinung, dass diese Idee des fokussierten Austauschs intensiver verfolgt und so weit wie möglich in zukünftige Chorveranstaltungen und -wettbewerbe eingeplant werden sollte.

Das Podium wurde umrahmt von und strukturiert durch kurze musikalische Vokalbeiträge von Roula Abou Baker (Libanon), Sherryl Sewepagaham (Kanada) und Hussein Janmohamed (Kanada), deren Qualität und ausgeprägte stilistische und spirituelle Vielfalt das Publikum bezauberten.

Übersetzt aus dem Englischen von Brigitte Riskowski, Deutschland

 

Matthias Balzer wurde 1955 in Fulda geboren. Nach dem Abitur studierte er von 1975 bis 1979 Kirchenmusik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main, u.a. Orgel bei Prof. Edgar Krapp und Chor- und Orchesterleitung bei Prof. Helmut Rilling. Während seines Orgelsolostudiums, das er 1982 abschloss, nahm er Unterricht in Kammermusik und Klavierbegleitung bei Prof. Rainer Hoffmann und Prof. Hartmut Höll sowie Cembalounterricht u.a. bei Johann Sonnleitner. Von 1980 bis 1995 arbeitete Balzer als Kirchenmusiker an St. Nikolaus in Friedrichshafen am Bodensee. Dort war er u.a. Gründer und künstlerischer Leiter der jährlich stattfindenden “Internationalen Orgelakademie Bodensee”. In der Zeit von 1995 bis 2021 war Matthias Balzer Kirchenmusiker im Bistum Trier und leitete die dortige Bischöfliche Kirchenmusikschule. Von 2007 bis 2019 war Matthias Balzer Präsident des Deutschen Kinder- und Jugendchorverbandes Pueri Cantores. matthias.balzer@pueri-cantores.de

Übersetzt aus dem Englischen von Sibylle Walter, Deutschland

Ki Adams stammt aus Birmingham, Alabama (USA) und hat eine Ehrenprofessur an der Memorial University von Neufundland (Kanada) inne, wo er 25 Jahre lang Musik lehrte und Education-Programme durchführte. Zur Zeit ist er Vorstandsmitglied der IFCM und Präsident der World Youth Choir Foundation und ist Co-Gründungsdirektor von The Singing Network, einem Kollektiv, das etliche Gelegenheiten für Gesang und Chorgesang schafft, wobei die Bandbreite von Workshops, Seminaren, Meisterklassen bis hin zu Gesprächen beim International Symposium on Singing and Song reicht. kiadams@mun.ca

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