Von Roger Schmidt, freier Journalist
2016 fanden die 9. World Choir Games im größten Land der Welt statt: in Russland. Die Stadt der Winterolympiade 2014 begrüßte 283 Chöre und 12.000 Teilnehmer aus aller Welt im Olympiapark und dem Stadtzentrum.
Während einer elftägigen Reise durch die globale Szene der Chormusik hatten Teilnehmer und Zuschauer Gelegenheit, Chormusik vom Besten zu erleben. Vor dem herrlichen Hintergrund des Schwarzen Meeres traten die Teilnehmer in spannenden Wettbewerben, fröhlichen Freundschaftskonzerten und hochklassigen Festkonzerten auf.
In Zeiten globaler politischer Herausforderungen waren die 9. World Choir Games eine wichtige Plattform des interkulturellen Austausches, eine einigende Kraft zwischen allen Völkern und ein Symbol für den Frieden für alle Länder auf der Erde. INTERKULTR organisierte die World Choir Games in enger Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium der Russischen Föderation, der Region Krasnodar und der Stadt Sochi.
Der Kulturminister der Russischen Föderation, Vladimir Medinsky, erklärte, dass das Hauptziel für die Durchführung der World Choir Games darin bestand, die Chorkultur in Russland zu unterstützen. „Wir versuchen Chöre zu unterstützen. Wir bemühen uns, mindestens einen Chor an jeder Schule zu haben. Das zweite Ziel bestand darin, den Kurort Sochi zu fördern. 12.000 Teilnehmer kamen zu dieser Veranstaltung, 9.000 von ihnen aus dem Ausland. Viele von ihnen werden Sochi in guter Erinnerung behalten.“
Zu den Höhepunkten der World Choir Games 2016 gehörten die traditionelle Parade der Nationen durch die Stadt Sochi sowie der Festival Stage Choir mit etwa 1.500 Sängern aus sechs verschiedenen Nationen. Insgesamt fanden während der ganzen Veranstaltung 106 Wettbewerbs- und Festkonzerte statt, und die Sänger bewiesen ihr chorisches Können in einer Gesamtzahl von 450 Wettbewerbsauftritten.
Gemeinsames Singen führt Nationen zusammen
Der globale und vereinende Charakter der Veranstaltung wurde am deutlichsten während der Abschlussveranstaltung, mit einem Auftritt von etwa 1.500 Sängern aus Ägypten, dem Libanon, Namibia, China, Nigeria und dem Gastgeberland Russland. „Die IX. World Choir Games waren eine unglaublich inspirierende Veranstaltung, die Tausende von Sängern, Dirigenten, Lehrern, Kunstvermittlern wie auch Familienangehörige und das Publikum in der schönen russischen Kurstadt Sochi zusammenbrachte“, so Elena Sharkova (USA), eine der Dirigentinnen des Festival Stage Choirs. „Ich hatte die Ehre, Mitglied des Juryteams zu sein, die USA im Weltchorrat zu vertreten und den Festival Stage Choir zu dirigieren. Musik und Gemeinschaft mit mehr als 300 Sängern von Australien bis Russland und von China bis Südafrika zu schaffen war eine zutiefst freudvolle Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Unsere Proben waren intensiv und zielgerichtet, aber immer erfüllt vom Geist der Freundschaft und Kameradschaft: wir lachten viel über Dinge, die oft ‚lost in translation‘ waren, und es kam oft zu spontanem Tanzen.“
Die Besetzung zusammen mit dem Programm „Choral Fireworks – Spirit oft he World“ war in der Tat eine musikalische Reise um die Welt. Sie schloss unter Anderem traditionelle und wohlbekannte Volkslieder aus aller Welt ein, wie „La cucaracha“ aus Mexiko, „Indodana“ aus Südafrika, „Kalinka“ aus Russland oder das traditionelle Gospel „Oh, when the Saints go Marching in“. Das Abschlusslied war dann wie ein Symbol für die ganze Veranstaltung: Michael Jacksons weltberühmtes Pop-Anthem „We are the World“, gesungen von diesem internationalen Massenchor und Solisten unterschiedlicher Herkunft. Ein Gänsehautmoment für alle 12.000 Zuschauer aus aller Welt.
Wettbewerbe und eine Menge internationalen Zusammenseins
In Sochi maßen sich die Chöre in 29 verschiedenen Wettbewerbskategorien und boten ein weites Spektrum an Chormusik dar. Das musikalische Können wurde von einer internationalen Jury aus allen Teilen der Erde bewertet, darunter David Slater. Er war in Australien während mehr als 35 Jahren Musikdirektor an Eliteschulen. Slater ist ein Komponist, Dirigent und Musikerzieher, der regelmäßig in vielen Teilen der Erde arbeitet, darunter bei der World Choir Games in Sochi. „Sochi waren meine ersten World Choir Games. Das Ausmaß der Veranstaltung erschien furchteinflößend, die Zahl der Chöre riesig und die Komplexität der Organisation unglaublich. Aber jede Vorbehalt wurde schnell widerlegt“, so Slater.
„Natürlich waren die Wettbewerbe und die Konzerte der Hauptgrund für das ganze Festival, aber während Sportwettbewerbe immer weniger mit Teilnahme und immer mehr mit persönlichem Ruhm um jeden Preis zu tun haben, demonstrierten die World Choral Games den großen Geist der Einigkeit, Freude und Zusammenarbeit, der durch die Musik entsteht. Für die Hunderte von anwesenden Chören war es deutlich das Ziel, wunderbare Musik für andere Menschen aufzuführen, gleich, ob damit Gold gewonnen wurde oder nicht. Und sie waren eine absolut erstaunliche Versammlung von Chören aus aller Welt, so hingebungsvoll, gut vorbereitet und Musik jeden denkbaren Stils und Genres aufführend.
Als Jurymitglied ermöglichte es mir das nach genau definierten Kriterien sorgfältig geplante Bewertungssystem, Noten auf eine offene und gänzlich objektive Weise zu vergeben. Ebenfalls sehr positiv war die Möglichkeit für die Jurymitglieder, sich vor und während der Games zu treffen. So konnten wir Einblicke in die Chorwelt der jeweiligen Heimatländer austauschen, mit ganz unterschiedlichen Zugehensweisen und Zielen. Das wachsende Wissen um die Situation anderer Menschen trug maßgeblich bei zu der musikalischen Union, die die World Choir Games schufen. Das Erkennen, dass es an manchen Orten eine vielseitige Unterstützung für Chöre gibt, an anderen sehr wenig; dass an manchen Orten Noten uneingeschränkt verfügbar sind, an anderen nur sehr begrenzt; dass in einigen Ländern die technische Schwierigkeit des Repertoires an vorderster Stelle steht, während anderswo die Interpretation von Nuancen am wichtigsten ist – das Bewusstsein für dies alles und noch vieles mehr schuf ein tieferes Verständnis und Empathie bei allen Mitgliedern der Jury und führte zu einer starken Bindung zwischen den Juroren aus vielen Nationen.
Zusätzlich zu den Wettbewerben hatten die Chöre Gelegenheit, Workshops zu besuchen, die sich mit verschiedenen Themen und Ländern beschäftigten. „Die Workshops waren eine großartige Gelegenheit, Einblick in die Chormusik, Traditionen und Herangehensweisen in anderen Teilen der Welt zu gewinnen, und die Coaching-Stunden ermöglichten es Dirigenten und Chören, Ideen zu Technik und Interpretation über Grenzen und Sprachen hinweg auszutauschen“ sagte David Slater, der auch Meisterklassen und Workshops in verschiedenen Teilen der Welt gibt.
Die Gewinner der 9. World Choir Games 2016
Am 16. Juli wurden die letzten Medaillen und Diplome in einer emotionalen und atmosphärereichen Auszeichnungszeremonie vergeben. Die Champions der World Choir Games 2016 erhielten die ihnen gebührende Würdigung für ihre Auftritte.
Der beste Chor des Wettbewerbs war wieder einmal der Chor der Universität von Stellenbosch in Südafrika (geleitet von André van der Merve), der in der Kategorie „Musica Contemporanea“ das brillante Ergebnis von 98,25 Punkten erreichte. Darüber hinaus ist er Dreifachchampion, da er auch die Kategorien „Spiritual“ und „ Musica sacra a cappella“ gewann.
Insgesamt verlieh die internationale Jury in dem Champions-Wettbewerb der World Choir Games 2016 vier bronzene, 86 silberne und 116 goldene Medaillen. Im offenen Wettbewerb wurden an die teilnehmenden Chöre 9 bronzene, 80 silberne und 62 goldenen Diplome vergeben.
Die Spitzenländer unter den Medaillengewinnern sind Russland mit 88 und China mit 56 Medaillen, gefolgt von Südafrika (7 Medaillen), Indonesien (6) und Nigeria (6).
Ein weiteres großes Highlight der World Choir Games war die festliche Abschiedszeremonie, die einmal mehr alle teilnehmenden Nationen vereinte, als sie in den Bolschoi Eisdom einmarschierten und die fünf Schläge der Glocke der World Choir Games 2016 erklangen. Diese Klänge wurden symbolisch zu den 5 Kontinenten gesandt, um die chorolympische Idee mit Leben zu erfüllen und sie in aller Welt wachsen zu lassen.
„Ich blicke mit großer Freude auf die 9. World Choir Games 2016 zurück, die vor gerade sechs Wochen zu Ende gingen. Alles, was dort erreicht wurde, wird weiterhin das Leben all der Chöre und Einzelteilnehmer in bestmöglicher Weise beeinflussen, und so freue ich mich mit großen Erwartungen auf die 10. World Choir Games in Südafrika“, erklärte David Slater. Die Fahne der World Choir Games wurde eingeholt und der nächsten Gastgeberstadt überreicht, Tshwane in Südafrika, in der sich die Chöre der Welt 2018 wieder treffen werden.
Roger Schmidt ist freier Journalist. Er hat Artikel und Bilder über die nationale und internationale Chor- und Kulturszene veröffentlicht. In der Vergangenheit war er bei Veranstaltungen von INTERKULTUR als Reporter und für Verbindungen zu den Medien beteiligt. Als Tenor begann er seine musikalische Karriere im Alter von 14 Jahren in seiner Heimatstadt in einem Chor mit Namen „Singende Stadt Pulheim“ in der Nähe von Frankfurt. Zur Zeit ist er glücklich, in einem international erfolgreichen Männerchor „vocale Sängerkranz“ mit großartigen Sängern zusammen singen zu dürfen. Email: roger@rg-box.de
Übersetzt aus dem Englischen von Lore Auerbach, Deutschland