Bucaramanga und Zapatoca Chorfestival, Santander, Kolumbien

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Oscar Escalada, Komponist, Arrangeur, Chorleiter und Musikwissenschaftler

 

Maestro José Antonio Rincón und ich wurden von Maestro Leonel Otero Cabarique, Präsident der künstlerischen Vereinigung Gustavo Gómez Ardila, zum Internationalen Chorfestival von Bucaramanga “Gustavo Gómez Ardila” eingeladen. Dort boten wir Workshops und Konferenzen an und dienten gemeinsam mit Maestra Eliana Sarmiento Gómez als Juroren im Wettbewerb, der vom 1. bis 5. November letzten Jahres in der schönen Stadt Zapatoca stattfand.

 

Oscar Escalada, Leonel Otero Cavarique, President of the Festival and José Antonio Rincón
Oscar Escalada, Leonel Otero Cavarique, President of the Festival and José Antonio Rincón

 

Am Wettbewerb nahmen der Kammerchor der Fundación Universitaria Juan N. Corpas aus Bogotá und der Jugendchor Iuventus der Fundación Sirenaica aus Medellín teil, zwei Chöre mit sehr gutem Niveau, die beide mehr als 83 von 100 Punkten erlangten. Die Differenz zwischen den beiden betrug nicht mehr als 3 Punkte, woran sich die gute Arbeit der beiden sehen lässt. Als bester Chorleiter wurde Maestro Jorge Alejandro Salazar ausgezeichnet, Leiter des Coro de Bogotá. Wir wissen nicht wieso, aber leider nahmen die übrigen am Festival teilnehmenden Chöre nicht am Wettbewerb teil.

Auch das Vokalensemble “Siete palos” aus Mérida, Venezuela, bot einen äußerst interessanten Workshop an, in dem sie zeigten, wie die menschliche Stimme in Percussion, Blechblasinstrumente und Gitarren umgewandelt werden kann , und wie man eine exzellente Technik für diesen Gesangstyp entwickelt.

Die Stadt Bucaramanga, die an der Gebirgskette der östlichen Anden Kolumbiens liegt, zeichnet sich durch das universitäre Leben und eine beneidenswerte kulturelle Aktivität aus. Es gibt dort Festivals für Puppenspiel, Theater, Klavier, Jazz, Eiskunstlauf und auch für Chormusik.

Dieses sechste Internationale Chorfestival wurde unter der Schirmherrschaft der Autonomen Universität von Bucaramanga organisiert, die mit ihren Probe- und Konferenzsälen die nötige Infrastruktur bereitstellte.

Wir waren in einer alten Hacienda untergebracht, deren Räumlichkeiten auch als Gastronomieschule und zur Beherbergung der eingeladenen Gastprofessoren und Maestros der Universität genutzt werden. Der Campus der Universität befindet sich an der Stelle, an der einst die alte Hacienda lag, die sich ins Tal erstreckt.

Im Anschluss fand in der Gemeinde Zapatoca gemeinsam mit dem Theater des technischen Instituts von Santo Tomás und der unschätzbaren Mitarbeit der Einwohner ein zweiter Festivalteil statt im Rahmen dieser wunderschönen und ruhigen Kolonialstadt, deren Häuser prächtig verziert sind. Maestro Rincón wie auch ich waren bei den Eheleuten Cesar und Angela Ardila untergebracht, die ein geschmackvoll verziertes und gut erhaltenes altes Haus im Kolonialstil haben.

Eines der exzellenten Ziele des Festivals ist das Heranführen von Kindern aus schwierigen Verhältnissen an den Chorgesang. Am Freitag, dem 2. November gab es morgens spezielle Benefizkonzerte für Kinder, an denen wir teilhaben durften.

Wir konnten die Technik der am Projekt teilnehmenden Dozenten sehen und stellten fest, dass im Zentrum ihrer Arbeit die Freude steht, mit der sie die Kinder teilhaben lassen, und mit der sie ihnen ein vielfältiges Repertoire zu vermitteln wissen, das nicht über den gesanglichen Möglichkeiten der Kinder liegt. Was ich hier erwähne und was doch eigentlich offenkundig scheint, ist leider oft nicht der Fall, wie ich im Laufe meiner Karriere gesehen habe: Dozenten sind mehr am Erarbeiten eines “ernsten” Repertoires interessiert, ohne Rücksicht auf die Möglichkeiten der Gruppe zu nehmen, was dazu führt, dass das Kind denkt, Chorgesang sei nichts für es, während der Dozent frustriert das Konzert verlässt und denkt, dass die Kinder nicht singen können.

In Wirklichkeit, wenn man weiß oder zumindest sensibel ist zu spüren, was die Kinder können, würde weder das eine noch das andere passieren. Aber leider war dies of nicht der Fall und die Dozenten waren auf der Suche nach diesem kleinen aber großen Schritt: dass das Kind singt.

Einer der Chöre präsentierte ein Unisono-Programm, das so musikalisch und so wunderbar dargeboten war, dass der Zuhörer keine technischen Künste, extravagante Melodien oder geschlossene Harmonien benötigte, um sich von der Schönheit verzaubern zu lassen. Alles, was wir hörten, war nicht weniger als Musik, und zwar die allerfeinste! Viele der aufgeführten Werke gehören zur traditionellen kolumbianischen Musik, mit der sich die Kinder identifizieren. Der zweite, schon etwas erfahrenere Chor präsentierte zwei- bis dreistimmige Stücke ebenso einfach und schön und perfekt ausgewählt für diesen Kinderchor.

Ich halte mich mit Details auf, da ich die Bewegung hervorheben wollte, die sich in Lateinamerika beobachten lässt, und die sich Kindern aus schwierigen Verhältnissen widmet. Das Land, das mit großem Erfolg das System der Kinder- und Jugendchöre und –orchester entwickelt hat, ist Venezuela, durch Maestro Antonio Abreu vor mehr als 27 Jahren. Viele andere Länder sind diesem Beispiel gefolgt, und es gibt immer mehr Chorleiter, die sich dieser großen Bewegung anschließen. Länder wie Chile, Argentinien, Brasilien und Mexiko, neben Venezuela und Kolumbien, glauben, dass Chorgesang ein nützliches und effizientes Werkzeug für die soziale Inklusion dieser Kinder ist.

Wir begrüßen die Arbeit des Internationalen Chorfestivals Gustavo Gómez Ardila, die wir mit so viel Vergnügen teilen.

 

 

Oscar_EscaladaOscar Escalada ist Dozent, Komponist, Chorleiter, Schriftsteller, Herausgeber von Chormusik in den USA und Deutschland, Vizepräsident des argentinischen Verbands für Chormusik “America Cantat” (AAMCANT) und Generalsekretär der Organisation America Cantat. Er hat in verschiedenen nationalen, provinziellen und städtischen Institutionen seiner argentinischen Heimatstadt La Plata Chöre gegründet. Escalada war Gastprofessor für Vorträge, Workshops, Seminare und als Jurymitglied in seinem Heimatland Argentinien, in den USA, Venezuela, Kuba, Ecuador, Spanien, England, Griechenland, Italien, Frankreich, Mexiko, Deutschland und Südkorea. Er hat als Referent am 5. Weltsymposion für Chormusik in Rotterdam teilgenommen, war Gast beim Konvent der ACDA (American Choral Directors Association) in Detroit und Chicago, und Koordinator der Komponistensitzungen des 9. Weltsymposiums für Chormusik in Puerto Madryn. Sein Werk “Tangueando” steht als Bestseller im Katalog von Warner/Chappell 2000-2001. Er ist Autor der Bücher “Un coro en cada aula” (“Ein Chor in jedem Klassenzimmer“) und “Logogénesis”. 2012 wurde er als Jurymitglied zu den World Choir Games von Cincinnati, USA, eingeladen, sowie als Leiter eines Workshops zu Europa Cantat in Turin, Italien. Email: oscarescalada@mac.com

 

 

Übersetzt von Christina Kühlewein, Deutschland

 

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