Chorgemeinschaften zusammenführen/Verbindungen schaffen zwischen Chorgemeinschaften aus aller Welt: Ein Bericht über die Chormusik beim 5. World Forum on Music in Brisbane (Australien)

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Von Graeme Morton, Chordirigent

Brisbane, Australien, war vom 21. – 24. November 2013 der Veranstaltungsort für eine höchst interessante und anregende Zusammenkunft von Musikern. Anlass war das 5. Weltforum über die Musik des Internationalen Musikrats. Den Organisatoren war es ein Anliegen hervorzuheben, dass dies keine Konferenz war mit allem, was dies sonst mit sich bringt, sondern eine Gelegenheit für Repräsentanten von Musikorganisationen und Musikern überhaupt in direktem Dialog Ideen auszutauschen.

Es gab eine Anzahl von Inhalten, die dieser faszinierende Kongress einbezog:

  1. Über 100 Initiativen im Plenum und in kleinen Gruppen
  2. 5 parallel laufende Diskussionsrunden:
    a) Nachhaltigkeit in der Musik
    b) Musik und Gemeinschaften
    c) Musik und Bildung 
    d) Musikalische Aufführungsrechte und Lobbyarbeit
    e) Musiktechnologie und -industrie
  3. Die jährlichen Zusammenkünfte der 12 in Australien und dem asiatisch-pazifischen Raum angesiedelten Organisationen direkt vor, während und nach dem Weltforum.
  4. Ein Programm mit musikalischen Darbietungen, die das Forum durchzogen und ergänzten. Dazu zählte die Orchesteraufführung von Beethovens 6. Sinfonie, die plötzlich unter-brochen wurde von einem Sprecher, der einen “Nachruf für das Orchester” vorlas, welcher auf der Bühne zu einer leidenschaftlichen verbalen und musikalischen Diskussion über realisierbare musikalische Wege in der Zukunft führte.

Da die Art der Tagung auf Dialog und eigenes Engagement baute, schließt jedes Weltforum mit der Skizzierung eines Statements, eines Vorhabens oder einer Interessensbekundung. Die Erklärung von Brisbane ist das Ergebnis dieses Forums und ist in absehbarer Zeit beim Internationalen Musikrat erhältlich.

Ein weiterer faszinierender Teil dieses Events waren 1001 Voices (1001 Stimmen), die die Philosophie, die aller Planung zugrunde lag, widerspiegelten. Der IMC lud dazu ein, ein Video von nicht mehr als 5 Minuten Länge einzureichen, in dem man musikalische Zukunftsgedanken zum Ausdruck bringen sollte. Viele von diesen (sowie Bilder des Events) sind der Allgemeinheit auf der Webseite des IMC noch zugänglich, einschließlich des Beitrags von Chorlegende Helmut Rilling.

Der Internationale Musikrat ist zu loben, da er ein großes Augenmerk auf junge Musiker legt, was am offensichtlichsten durch die Einrichtung des IMC Jugend-Gremiums zum Ausdruck gebracht wird. Bei einem Kongress wie diesem geht es, durch seinen ihm eigenen Charakter, letztendlich um die Zukunft der Musik und die Musik in der Zukunft, und philosophisch gesprochen gibt es keine Alternative außer dafür zu sorgen, dass ‘Erfahrung’ und ‘Jugend’ zusammen kommen, um sich in solchen Diskussionsforen miteinander auszutauschen.

Die Internationale Föderation für Chormusik war beim Forum sichtbar vertreten durch IFCM Vize-Präsident Stephen Leek und Sonja Greiner, der früheren IMC Schatzmeisterin (und Generalsekretärin der ECA-EC, einer Gründungsmitgliedsorganisation des IFCM)

Dot Enter — Opening Ceremony
Dot Enter — Opening Ceremony

Chormusik nahm in diesem Forum einen offensichtlichen Platz ein. Am ersten Nachmittag fanden zwei Veranstaltungen mit dem Titel “Chorgemeinschaften zusammenführen/ Verbindungen schaffen zwischen Chorgemeinschaften/Chorsängern aus aller Welt”. In der ersten Veranstaltung unter dem Vorsitz von Sonja Greiner band Stephen Leek in seinem charakteristischen Stil alle Teilnehmer in ein Chorexperiment ein, indem er Gemeinschaft über das Singen schuf. Ify Ebosie gab einen faszinierenden Überblick über einige ihrer Projekte in Nigeria, wo das Annual Festival of Nigerian Choirs (AFNC, Jährliches Festival der Chöre Nigerias) Chortreffen veranstaltet, die Chorgruppen verschiedener Rassen und sozialer Schichten zusammenbringen und somit eine Plattform für friedliche Zusammenarbeit schaffen. Eine DVD, Ernsthaft Singen, griff ein Ereignis von 1951 auf, als sich Schüler einer abgelegenen australischen Schule erfolgreich auf einen Chorwettbewerb vorbereiteten, und zeigte, welchen Einfluss dieses Erlebnis auf das Leben vieler Teilnehmer hatte.

In der zweiten Hälfte des Nachmittags konnte man die Aufführungen dreier sehr verschiedener Chorensembles miterleben: Fusion (Debra Shearer-Dirié), die viele von Ihnen dieses Jahr beim Weltsymposium für Chormusik in Süd-Korea nochmals hören werden, des weiteren den Brisbane Kammerchor (Greame Morton) und Vintage Voices (Debra Shearer-Dirié). Kaum jemand in der Chorszene wird erstaunt sein zu hören, dass trotz der signifikanten Unterschiede zwischen diesen Ensembles und ihrer Sänger hinsichtlich Chorerfahrung, Können und Musikästhetik, die Gelegenheit, sich über die Chormusik mitzuteilen und eingebunden zu sein, alle mitriss, die daran teilnahmen. Brisbanes „Junge Wilde“ der Chormusik waren begeistert vom Enthusiasmus und Einsatz der (sehr viel) älteren Chorsänger von Vintage Voices, die wiederum gespannt und mit Freude die ziemlich esoterischen Darbietungen der jungen Generation verfolgten. Dies war ein aktives Zusammenspiel von ‘Erfahrung’ und ‘Jugend’ in Hochform. So funktioniert es, Verbindungen zwischen Chorgruppen zu schaffen.

Obwohl dieser Nachmittag der einzige eingeplante Zeitrahmen für Chöre während des Weltforums war, zeigt ein Blick auf die fünf Hauptthemen, dass die Diskussion in jedem dieser Gebiete für die Chormusik absolut relevant ist, dass es wichtig war, dass die IFCM in diesem Forum präsent war und dass Chormusiker generell in Ideen aller dieser Diskussionsrunden eingebunden waren. Die Gemeinschaft der Chöre muss sich als Teil einer größeren, breit gefächerten musikalischen Gemeinschaft sehen/fühlen.

Es wurde bemerkt, dass es keine Chordarbietungen im Performance Programm des Plenums gab. Von den vielleicht ein Dutzend Musikgruppen (ohne Berücksichtigung der informellen zufälligen Darbietungen im Foyer) waren alle außer der australischen Sängerin Katie Noonan Instrumentalensembles. Dies mag die natürliche Ausrichtung der Institution, die Gastgeber dieses Forums war, widerspiegeln, aber vielleicht auch die allgemeine Haltung der Musikgemeinde, nämlich dass Chormusik, vielleicht wie Jazzmusik, neben den „wahren musikalischen Künsten“ existiert statt dazu zu gehören. Und während es einer der großen Vorzüge der Chormusik ist, dass sie solch eine Vielfalt von technischen Standards, ästhetischen Stilen und kulturellen Traditionen umfasst, und es deshalb im wahrsten Sinne des Wortes um Gemeinschaft geht, liegt vielleicht darin eine Gefahr, dass Chormusik zu oft nur als „Gemeinschaftsmusik“ anstatt als Kunstmusik wahrgenommen wird (natürlich ist sie beides). Ich habe das Gefühl, andere Musiker denken oft, dass die Chorpartitur es den Beteiligten erlaubt, in einer Gemeinschaft aufgenommen zu werden, wohingegen Chormusiker hoffentlich auch denken, dass die Gemeinschaft dazu da ist, die musikalische Umsetzung der Chorpartitur zu ermöglichen. Diese beiden Betrachtungsweisen des chorischen Prozesses bestehen nebeneinander und sind subtil, aber diametral verschieden.

Andererseits nimmt die Erklärung von Brisbane Bezug auf die Notwendigkeit, dass Musik mehr ist als nur der „kleinste gemeinsame Nenner“

Winners of the Musical Rights Awards 2013
Winners of the Musical Rights Awards 2013

Ein anderes Gebiet, worüber es nachzudenken gilt, betrifft das Feld der musikalischen Zukunftsströmungen. Es überrascht nicht, dass es ein Element von Besorgnis gab, das man in dieser Diskussion in Vielem heraushörte. Betrachtet man unsere Kunstform, bemerke ich, dass Chormusik in ihrem Wesen nicht so verwundbar ist wie die instrumental angelegten Musikformen außerhalb der Populärmusik. Einige Gesichtspunkte, die in den Gesprächen aufkamen waren (1) die wachsende Rolle der Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Organisationen; (2) die Notwendigkeit Weitblick zu beweisen, um neue spannende Möglichkeiten einzubeziehen; (3) ein Zugeständnis, dass sich Musiker immer noch spezialisieren müssen in stilistischer Hinsicht – die Zeit erlaubt es nicht, Exzellenz in einer Vielzahl von Musikstilen zu entwickeln; (4) dass, obwohl die Künste existieren, um den Menschen zu dienen, es auch umgekehrt zutrifft – dass die Menschen genauso eine Rolle spielen und Verantwortung dafür tragen, der Kunst zu dienen, sie zu bewahren.

Es gab eine angeregte Diskussion über Urheberrechte, und es war interessant das steigende Bewusstsein für die Rechte von Urhebern im Volksmusiksektor und von Vereinigungen von Urhebern (wie sie in der traditionellen Musik zu finden sind) zur Kenntnis zu nehmen. Australiens neue Rechte, die bald verkündet werden sollen, scheinen dies mit zu berücksichtigen, und die meisten im Gremium machten dies zu einem Diskussionspunkt. Man muss vor allem bedenken, (sehr relevant für Chormusik), wie man diejenigen behandelt, die Material hernehmen, das Eigentum von Verfassern traditioneller Musik ist, und es auf irgendeine Weise arrangieren und dann auf ihr Arrangement das Copyright erheben.

Ein anderer hartnäckiger Diskussionspunkt bezog sich auf die „kostenfreien“ Quellen der Musik, vor allem auf Facebook. Es wurde ein Video gezeigt, das Teil einer Kampagne in Europa war, um Bewusstsein für Copyright zu fördern.

Der IMC hat früher fünf Musikalische Rechte angewandt, die auch in den Mittelpunkt der Diskussion rückten. Diese Rechte sind aus verschiedenen Menschenrechten von den Vereinten Nationen formuliert worden.

Die Rechte lauten folgendermaßen:

Das Recht für alle Kinder und Erwachsene

  1. sich in aller Freiheit musikalisch ausdrücken zu können
  2. musikalische Ausdrucksweisen und Fähigkeiten zu lernen
  3. Zugang zu musikalischer Mitwirkung durch eigenes Musikzieren, Hören, eigenes Schaffen

    und Information zu bekommen

Das Recht für alle Musiker

  1. ihrer künstlerischen Entwicklung nachzugehen und zu kommunizieren mittels aller Medien

     und dafür angemessene Rahmenbedingungen zu haben

  1. gerechte Anerkennung und Bezahlung für ihre Arbeit zu erhalten

Als Chormusiker ist es interessant, über die Anwendbarkeit dieser Rechte nachzudenken, besonders im Chorkontext. Diese Reflektion führt automatisch weiter zur Musikerziehung, und wieder ist es leicht, den Fokus auf einige signifikante Negativerscheinungen auf der ganzen Welt zu lenken. Die Sitzung über Lobbyarbeit für Musikerziehung schloss die Schweiz als Fallstudie ein, wo die Verfassung es dem Einzelnen und Interessengruppen erlaubt, auf Rechte zu reagieren und tatsächlich auch neue Rechte einzubringen. Kürzlich stimmten über 70% der Bevölkerung dafür, dass der Verfassung das Recht aller Schüler hinzugefügt werde, eine musikalische Bildung zu erhalten. Eine aufregende Herausforderung ist natürlich die Diskussion darüber, was für eine Art von musikalischer Bildung man haben möchte, nicht nur in der Schweiz, sondern in all unseren Gemeinschaften. Aber was auch immer beschlossen wird, Singen und Chormusik sollte sicherlich einen Platz erhalten, und daran müssen wir Chormusiker immer ein lebendiges Interesse haben Wir sind es unseren Chorgemeinschaften und ihrer Zukunft schuldig, uns aktiv an solchen Überlegungen zu beteiligen – wir sind es auch unserer Kunstform und deren Zukunft schuldig.

 

Greame Morton ist Dozent des Instituts für Chormusik an der Universität Queensland in Brisbane, Australien, von der die Chamber Singers diese Jahr eingeladen wurden, bei der Konferenz der Internationalen Musikgesellschaft für Musikerziehung in Brasilien aufzutreten. Er ist auch Kapellmeister an der Anglikanischen St. John‘s Kathedrale und betreut dort das alljährlich stattfindende Festival der zeitgenössischen Kirchenmusik, Brisbane. Sein besonderes Interesse gilt High School Chören (ein immer wiederkehrendes Thema seiner Forschung), sowie der zeitgenössischen Musik und der Musik der Ureinwohner Australiens. E-Mail: gmorton1@optushome.com.au

Übersetzt aus dem Englischen von Barbara Schreyer, Deutschland

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