Wahl des Kritikers… Lux in Tenebris: Oratorium aus Klang, Text und Licht

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Von T. J. Harper, D. M. A., Chorleiter und Lehrer

Lux in Tenebris: Oratorium aus Klang, Text und Licht
Helge Burggrabe, Komponist
Hildesheimer Dommusik: Domchor, Kammerchor, Mädchenkantorei und Schola Gregoriana;
Dommusikdirektor Thomas Viezens und Domkantor Stefan Mahr
Hildesheimer Dom, Hildesheim, Deutschland
(2015; Musik: 118’ 31”; Film: 30’; Photo Stream: 7’)

http://www.domshop-hildesheim.de/CD/DVD-Set-Lux-in-tenebris

Lux in Tenebris (Licht in der Finsternis) wurde anlässlich des 1200. Jubiläums des Bistums Hildesheim komponiert und beschreibt den Fall in die Dunkelheit und die Suche nach dem neuen Licht. Dies ist der Name des neuen Oratoriums des Komponisten Helge Burggrabe und eine aus Musik, Text und Licht bestehende Hommage an diesen berühmten Dom. Im Zentrum dieses Oratoriums stehen der Konflikt des Krieges und die Hoffnung auf einen neuen Anfang. Um das Gedenken an diesen Dom zu ehren stellt dieses Werk das Bombardement vom 22. März 1945, bei dem er vollständig zerstört wurde, in den Mittelpunkt von Inspiration, Trauer und Hoffnung. Die fundamentale Frage der Komposition kann vielleicht durch das biblische Drama von Kain und Abel gesehen werden: Kann der Bruder den Bruder wirklich sehen, und kann die Schwester die Schwester wirklich sehen?

Das fünfteilige Lux in Tenebris, auch liebevoll als Oratorium für Friede und Versöhnung bezeichnet, hat als Grundlage ein neues Libretto von der Journalistin Angela Kumpen und dem Hildesheimer Theologen Dr. Reinhard Göllner. Ein vorrangiges Konzept für dieses Werk war die Idee, das „Licht“ innerhalb des Librettos zu personifizieren. Das Libretto, das einen weiten Bogen spannt, umfasst auch die Zerstörung und den Wiederaufbau des Hildesheimer Doms. Darüber hinaus spielen auch die bronzenen Bernwardstüren aus dem 11. Jahrhundert, das berühmte Hildesheimer Kunstwerk, eine bedeutende Rolle. Mit der Beschreibung von Szenen aus dem Alten und Neuen Testament auf der linken und rechten Seite der Bernwardstür erzählt Lux in Tenebris vom Fall in die Dunkelheit und der Suche nach dem neuen Licht Die Erschaffung von Adam und Eva, ihre Vertreibung aus dem Paradies, die Ermordung Abels, die Geburt Jesu und seine Taten bis zur Auferstehung werden verbunden mit Reflexionen über die spirituelle Dimension von Licht und Finsternis.

Die Bernwardstüren, (c.1015) zeigen Szenen aus dem Buch Genesis (linke Tür), denen parallel Szenen aus den Evangelien zugeordnet sind (rechte Tür). Die Zuordnung gründet auf dem Gedanken, dass Adam und Christus sich spiegeln, wobei der Opfertod von Christus von Adams Sünde erlöst. Die linke Tür zeigt von oben nach unten die zunehmende Entfremdung der Menschheit von Gott: die Schöpfung, der Fall, die Ermordung Kains durch Abel. Die rechte Tür zeigt von unten nach oben das erlösende Wirken von Christus: die Verkündigung und die Geburt, die Passion, die Auferstehung. Der Hildesheimer Dom ist ein romanischer Bau von etwa 1010-1020, der seit 1985 als UNESCO Weltkulturerbe registriert ist. Er wurde am 22. März 1945 bei einem Bombardement vollständig zerstört. Und, wie alle Werke von Helge Burggrabe, ist dieses Werk ein Gesamtwerk von Architektur, Videokunst, Lichtkunst, Lyrik und Musik.

Stilistisch spannt die Komposition einen weiten Bogen von gregorianisch-ähnlichen Vokallinien, vokalen melodischen Soloteilen, groß angelegten achtstimmigen Chorsätzen, Stimmakkorden bis zu atonalen Klängen. Die vielschichtige und differenzierte Musik dient den komplexen Themen des spirituellen Subtextes mit jedem Ton. Die aufführenden Kräfte werden geleitet von den Dirigenten Thomas Viezens und Stefan Mahr. Burggrabes zeitgenössische, tonale Musik benutzt auch die Tonsprache von Carl Orff und Alban Berg. Den Vokalsolisten Geraldine Zeller (Eva), Anne Bierwirth (Engel), Manuel König (Stimme des Lichts) und Stephan Freiberger (Adam) gelingt es hervorragend, die Emotion und die Tiefe der Aussagen darzustellen. Einer der bedeutendsten Momente dieses großartigen Werkes ist der zentrale Chor „Zerstörung“ Hier wird das Drama von Kain und Abel verknüpft mit der Zerstörung des Hildesheimer Doms. Burggrabe gelingt es, auch in den bedrohlichsten Sequenzen einen subtilen, hoffnungsvollen Unterton mitschwingen zu lassen. Er wird unterstützt von den Rezitationen der Schauspielerin Martina Gedeck, die trocken einen tatsächlichen Bericht der Zerstörung des Doms verliest. Die Chöre bilden die großen, stützenden Säulen dieser vielschichtigen Komposition. Das Zusammenwirken von vier verschiedenen Chorensembles und variierenden Chorfarben schafft eine fesselnde und glaubwürdige Aufführung, die die Intentionen des Komponisten erfüllen. Es ist eindrucksvoll zu wissen, dass die Aufführung Orchester, Licht – und Videodarstellungen wie auch einen Photostream dazugehöriger Bilder umfasst. Lux in Tenebris ist wahrhaftig eine Multimedia-Erfahrung, die die Arbeit des Komponisten und der Librettisten dieses Jubiläumswerkes der Hoffnung und der Versöhnung erhöht.

Helge Burggrabe, composer

Helge Burggrabe studierte an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und ist heute mit seinen innovativen kulturellen Projekten ein europaweit nachgefragter Komponist der jüngeren Generation. Er ist besonders daran interessiert, die Musik in Resonanz zu sakraler Architektur und anderen Kunstformen wie Tanz, Malerei, Installationen und Licht zu bringen. (Hildesheimer Allgemeine Zeitung, März 2015)

Übersetzt aus dem Englischen von Lore Auerbach, Deutschland)

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