Julia Wolf, Chorleiterin, Deutschland
Anfang Juni 2022 traf sich im kleinen Ort Marktoberdorf im Allgäu zum 17. Mal die internationale Chorszene, um sich dort vom 3. bis zum 7. Juni im Rahmen des Internationalen Kammerchorwettbewerbs (ICCC) zu messen. Ziel des Wettbewerbs ist es, die besten Chöre der Welt an einem Ort vergleichend zu versammeln und einen Austausch der Chöre, ihrer Chorleiter:innen untereinander, der Chorliteratur, Stile und Techniken zu ermöglichen.
In der Kategorie A (Gemischte Chöre) traten insgesamt fünf Chöre an: University of Montana Chamber Chorale (USA), Malang Choral Art (Indonesien), Cape Town Youth Choir (Südafrika), LandesJugendChor Saar (Deutschland), Megaron Chamber Choir (Slowenien), in der Kategorie B (Gleiche Stimmen: Frauen-/Mädchenchöre, Männerchöre) waren es zwei: Sonat Vox (Deutschland), Frauenchor der Technischen Universität Ostrava (Tschechische Republik).
An den ICCC anschließend fand auch in diesem Jahr vom 8. bis zum 12. Juni eine International Masterclass für Chordirigieren, erstmalig mit Dirigierwettbewerb unter Leitung von Georg Grün und Ko Matsushita statt. Das Calmus-Ensemble unterstützte die Masterclass als Register- und Stimmdozenten. Nele Erastus aus Estland wurde im Dirigierwettbewerb mit einem ersten Preis ausgezeichnet, weitere Preise gingen an Christoph Schäfer und Lena Herber.
Claudia Roth, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur & Medien, bezeichnete in ihrer Begrüßung den ICCC als „Musikalisches Fest“: In der Tat zeichnet sich dieser Wettbewerb, der von Teilnehmenden und Beobachtenden gerne als „Familientreffen“ charakterisiert wird, durch unnachahmliche emotionale Nähe aus. Dazu tragen nicht nur die zauberhafte Kulisse des Allgäus bei, sondern insbesondere die enorm hohe Anteilnahme der Einwohner:innen von Marktoberdorf, die die Sängerinnen und Sänger in Gastfamilien bei sich aufnehmen und gespannt den Wettbewerbsrunden lauschen, sowie weiterhin die hohe Zahl an Ehrenamtlichen, die diesen Wettbewerb professionell stemmen.
Alle Familienromantik konnte jedoch in diesem Jahr nicht über den Schatten hinwegtäuschen, den Corona und der Krieg in der Ukraine auf den ICCC geworfen hatten: Der ursprünglich für 2021 geplante Wettbewerb musste coronabedingt um ein Jahr auf 2022 verschoben werden, und auch der eingeladene Festino Chamber Choir aus Russland musste seine Teilnahme absagen. Das Moderatorenteam Monika Schubert und Jeroen Schrijner artikulierte seine emotionale Betroffenheit: Wie auch an anderen Orten, bilde der ICCC in Marktoberdorf die Keimzelle von internationalen Chorbeziehungen und zeige so auf unnachahmliche Weise, dass Kunst eben doch die Kraft hat zu zeigen, dass ein friedliches Miteinander möglich ist. „Diese Begegnungen zu ermöglichen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen und zu bewahren, dass Musik als Mittel der Verständigung nicht verstummt, das ist Sache der Politik“, stellte auch Claudia Roth in Ihrer Begrüßung heraus.
Zudem zeigten sich die Auswirkungen von Corona auf die Chorszene in der im Vergleich zu früheren Jahren spürbar geringeren Anzahl von Teilnehmerchören und letztlich auch im Spektrum der Auszeichnungen.
Insgesamt verortete die international besetzte Jury aus Gary Graden (Schweden), Dr. Betsy Cook Weber (USA), Ko Matsushita (Japan), Virginia Bono (Argentinien) unter dem Vorsitz von Herbert Böck (Österreich) Sonat Vox aus Deutschland unter Leitung von Justus Merkel in der Leistungsstufe I (excellent performance at an international level) von insgesamt drei möglichen Leistungsstufen und vergab einen ersten Preis.
In der Kategorie A (Gemischte Chöre) wurden in der Leistungsstufe II (very good performance at an international level) ein zweiter Preis an den Megaron Chamber Choir aus Slowenien unter Leitung von Damijan Močnik verliehen sowie ein dritter Preis an Leon Starker und den Cape Town Youth Choir aus Südafrika.
In der Kategorie B (Gleiche Stimmen) erreichte in Leistungsstufe II (very good performance at an international level) der Frauenchor der Technischen Universität Ostrava mit seinem Dirigenten Adam Sedlický einen dritten Platz.
Julia Wolf studierte u.a. Musik mit Schwerpunkt Ensembleleitung und Musiktheorie sowie Kultur- und Medienmanagement an den Musikhochschulen in Hannover und Hamburg. Sie leitet den Nachwuchschor des Mädchenchors Hannover (Prof. Gudrun Schröfel, Prof. Andreas Felber) und „Voice ‘n Performance“ an der Ricarda-Huch-Schule Hannover, Partnerchor der Unesco City of Music Hannover. Sie engagierte sich über viele Jahre auf Landesebene im Landesmusikrat Niedersachsen sowie auf Landes- und Bundesebene im Präsidium des Bundesverbandes Musikunterricht (BMU). E-Mail: wolf@juliawolf.eu