Josquins Rom – Hören und Komponieren in der Sixtinischen Kapelle von Jesse Rodin

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©2012 Oxford University Press

Buchbesprechung von Dr. Debra Shearer-Dirié

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Die Sixtinische Kapelle, anfangs bekannt als die Capella Magna, wurde nach Papst Sixtus IV. benannt, für den sie von Bacchio Pontelli entworfen worden war. 1473 wurde mit dem Bau am Standort der ursprünglichen Cappella Maggiore begonnen. Die Feier der 1. Messe fand 1483 statt, nachdem die eindrucksvollen Fresken, die das Leben Moses’ und das Leben Christi darstellen, vollendet waren. Im frühen 16. Jahrhundert führte Michelangelo die Deckengemälde der Sixtinischen Kapelle aus. Dieser Raum mit den inspirierenden Fresken wurde bald der Mittelpunkt der Reform musikalischer Lehrmeinung in der Gegend. Josquin, zur Zeit der Fertigstellung der Kapelle ungefähr 30 Jahre alt, wuchs als Sänger und Komponist des päpstlichen Privatchores in   diese Welt hinein. Josquin’s Rome wirft ein neues Licht auf das Werk des Komponisten in Bezug auf noch vorhandene Manuskripte und verschiedene Phasen der jüngsten Forschung, die Fragen zum Leben und Werk des Komponisten aufgeworfen hat.

Jesse Rodin, Außerordentlicher Professor der Musik an der Stanford University und Direktor des Josquin-Forschungsprojektes, untersucht Josquins Beitrag zum kulturellen Leben seiner Umgebung. Rodin hat viel über die Musik der Renaissance veröffentlicht. 2010 bekam er die Noah Greenberg Auszeichnung als Anerkennung seiner Arbeit, die Forschungstätigkeit mit Aufführungspraxis verbindet. Musik seines Ensembles Cut Circle, welche auch in Josquin’s Rome veröffentlicht wird, ist bei Musique en Wallonie erhältlich.

Rodin untersucht jedes Detail der uns heute zur Verfügung stehenden Quellen und verbindet die Manuskripte der Sixtinischen Kapelle mit den allgemeinen kompositorischen Stilmerkmalen der Komponisten, die in den Anthologien zu finden sind. In Josquin’s Rome veröffentlicht Rodin das Repertoire, das Josquin und seine Kollegen im päpstlichen Chor aufführten. Da dies die einzige erhaltene größte Sammlung geistlicher Musik des späten 15. Jahrhunderts umfasst, bietet diese Musik uns einen Einblick in die musikalischen, sozialen und politischen Fragestellungen dieser Periode.

In diesem Einzelband der Serie „AMS Studies in Music“ verwendet Rodin einen komparativen Ansatz, um alle Einzelheiten dieser reichen musikalischen Tradition bekannt zu machen.

In drei Teilen von Josquin’s Rome werden die unterschiedlichen Aspekte der Kompositionen von Josquin und seinen Zeitgenossen untersucht.

Teil I –„ Annäherung an Josquins Stil“ – beginnt mit der Bewertung der Probleme, welche die Interpretation und Analyse von Josquins Musik mit sich bringen. Die in diesem Teil analysierten Kompositionen stammen höchstwahrscheinlich aus der Zeit, als Josquin im päpstlichen Chor sang. Rodin untersucht die Kompositionen gründlich: Er geht Parameter für Parameter vor, nicht Stück für Stück. Dadurch kommt er zu dem Schluss, dass eine Sammlung von neun Werken, eben dort als “Josquins römische Musik“ erwähnt, möglicherweise mit Josquins Anstellung in der Sixtinischen Kapelle in Verbindung gebracht werden kann.

Teil II – „Beschreibung des Klangraumes: Die Sixtinische Kapelle, ca. 1480-ca. 1500“ – ist umfassender und beurteilt Werke anderer Komponisten, deren Musikstücke in den noch vorhandenen Manuskripten enthalten sind. Werke von Gaspar van Weerbeke, Bertrandus Vaqueras, Heinrich Isaac, Johannes Tinctoris und Marbrianus de Orto werden in diesem Abschnitt des Buches betrachtet. Es wird auch gefragt, wie die Kapelle möglicherweise Musik in jener Periode gesammelt hat, und ebenso wie viel Repertoire möglicherweise verloren gegangen ist.

Dieser Abschnitt verweist ständig auf einen Anhang, der alle Musik, die in Rom während dieser Periode kopiert wurde, in chronologischer Reihenfolge enthält.

Teil III – “Josquins römische Musik in seiner Zeit“ – konzentriert sich wieder auf Josquin und untersucht die Verbindungen zwischen seiner Musik und der seiner Zeitgenossen.

Im Mittelpunkt von Rodins Überlegungen steht die Vorstellung, dass diese Musikstücke in der Aufführung lebendig wurden. Der Autor hat seine Interpretationen dieser Stücke mit einer Reihe von Aufnahmen mit seinem Ensemble, Cut Circle in die Praxis umgesetzt. Sie sind erhältlich sowohl auf der begleitenden Webseite als auch als CD von Musique en Wallonie.

Dieses Buch ist eine wichtige Quelle für Musikwissenschaftler, Musiker und alle Liebhaber ‘Alter Musik’. Es erläutert wirklich ins Detail gehend die Werke Josquins, komponiert während seiner Zeit am Päpstlichen Hof, und es zeigt deutlich Rodins Einfühlungsvermögen in die melodische, kontrapunktische, mensurale und strukturelle Wirkweise dieser Musik.

In Josquin’s Rome wird die künstlerische Welt dieses großen Komponisten auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn wieder lebendig.

 

Debra Shearer-Dirié besitzt ein Diplom des Kodály-Instituts in Kecskemét, Ungarn, einen Master of Music Education und einen Doctor of Music in Chorleitung der Indiana University, USA. Zur Zeit in Brisbane, Australien lebend, hat sie Chorleitung und Gehörausbildung an der Universität Queensland, der ACCET Summer School und an der New Zealand International Summer School of Choral Conducting unterrichtet. Dr. Shearer-Dirié arbeitet zur Zeit als Herausgeberin der Australian National Choral Association’s Publication und vertritt diese Organisation im Nationalrat. Sie ist musikalische Direktorin des Brisbane Concert Choir, vom Vox Pacifica Chamber-Choir, von Fusion und von Vintage Voices. E-Mail: debrashearer@gmail.com

 

Übersetzt aus dem Englischen von Christa Sundermann, Deutschland

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