Chorgesang in der Demokratischen Republik Kongo

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Thierry Thiébaut, Präsident von A Coeur Joie

 

Der Chorgesang spielt im kongolesischen Leben eine wichtige Rolle.  Er begleitet Krönungszeremonien, festliche Anlässe, den Tod und andere Riten.  Die Ankunft von katholischen und evangelischen Missionaren im 19. Jahrhundert verlieh dem Chorsingen mehr Struktur: es wurde innerhalb der Gemeinden organisiert.  Folglich besteht das Repertoire des mehrstimmigen Singens überwiegend aus Kirchenmusik.  Außerhalb der Kirchen gibt es nur sehr wenige Chorgruppen.  Neben den Chorälen, die zur Liturgie gehören, wird das klassische Chorrepertoire fast ausschließlich von Händel, Mozart und Bach beherrscht.

Ich habe viele Konzerte in der Demokratischen Republik Kongo gehört.  Das religiöse Repertoire dominiert.  Manchmal gibt es zusätzlich überlieferte Lieder, gesungen in der jeweiligen Stammessprache.  Die Kimbangistische Kirche bleibt ihren Traditionen besonders treu und besitzt ihr eigenes, ursprüngliches Repertoire von einstimmigen Gesängen und Klageliedern.  Die Zugabe, die das Publikum am Schluss eines Konzerts einfordert, ist sehr oft das “Halleluja” aus Händels “Messias”.

Chöre benutzen oft Verstärker und lassen sich von Synthesizern begleiten; es gibt so gut wie keine Instrumentalgruppen im Land (mit Ausnahme des Kimbangistischen Sinfonieorchesters in Kinshasa).  Daraus ergibt sich, dass die allgemeine Klangentfaltung viel zu laut ist, und eine besonders bedenkliche Folge davon ist schlechte Tongebung. Es gibt in diesem Land keinen vorgegebenen Ausbildungsweg für Dirigenten, trotz der tausende existierender Chöre (deren Anzahl allein in der Hauptstadt Kinshasa auf 2000 geschätzt wird, da Kirchen oft drei oder vier eigene Chöre haben).  In den letzten fünf Jahren hat sich A Coeur Joie International, zusammen mit dem Projekt “Chordirigenten ohne Grenzen” der ICFM, im französisch sprechenden Afrika sehr aktiv auf diesem Gebiet eingesetzt, ganz besonders in der Demokratischen Republik Kongo.  Bislang haben mehrere Bildungswochen für Stimmtraining und die Dirigentenausbildung  stattgefunden, und weitere sind für nächstes Jahr geplant.  Das Ergebnis dieser Wochenlehrgänge wird durch weiteren persönlichen Einzelkontakt mit den Absolventen vertieft.  Wir hoffen, dass wir so eine Kerngruppe von Lehrern werden aufstellen können. 

Das Niveau der Chorleitung ist enorm unterschiedlich.  Die Chordirigenten haben sich ihre Künste natürlich selbst beibringen müssen, und ihr Dirigieren kümmert sich mehr um das Rhythmische als um musikalische Phrasierung; deshalb muss Stimmbildung für die Sänger parallel mit den Dirigierkursen statt finden.  Wie schon erwähnt, arbeiten Chorleiter gewöhnlich innerhalb des Rahmens ihrer Kirchengemeinde, und so ist es schwer, neues Repertoire einzuführen und zu verbreiten.  Aus demselben Grund ist die Gründung von Chören außerhalb religiöser Einrichtungen etwas, das mit Vorsicht angegangen werden muss.  Darüber hinaus gibt es die praktischen Probleme: ein Probenraum mit Licht (!).  In diesen Breiten wird es jeden Tag, das ganze Jahr, um 18.00 dunkel.  Die Elektrizität fällt oft aus oder existiert überhaupt nicht, sogar in der Hauptstadt.  Ich musste meine Lehrgänge häufig zur Begleitung des Schnurrens eines Generators – der für solche Notfälle bereit stand – abhalten.  Dies alles trägt nicht gerade zur Arbeit auf gutem Niveau bei.

Der Französisch-Kongolesische Dienst für Zusammenarbeit (SESAM) hat eine Arbeitsgruppe, die in Schulen tätig ist, wo Lehrer dazu ausgebildet werden könnten, innerhalb ihrer Schulen Kinderchöre zu gründen, und das sehe ich als einen möglichen und nützlichen Weg zur Entwicklung des Chorsingens, der weiter verfolgt werden sollte.  Hierzu ist jedoch eine Umstellung der Mentalität notwendig, um beiden Geschlechtern den Zugang zum Chordirigieren zu gestatten.  Momentan werden fast alle Chöre von Männern dirigiert, aber die Mehrheit der Lehrkräfte in Grundschulen sind Frauen.  Im Kongo gibt es bislang praktisch keine Kinderchöre, und so ist es vorstellbar, dass Schulen interessante Möglichkeiten bieten könnten, Gelegenheiten für das Chorsingen im frühen Alter zu schaffen, ein vielseitigeres Repertoire einzuführen und die konfessionelle Zusammenarbeit zu unterstützen.

 

E-mail: TThiebaut@choralies.org

 

Translated from the French by Jutta Tagger, France

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