Von Carlo Pavese, Präsident der Musikkommission des Festivals.
Einleitung. Andante Cantabile.
Liebe Leserin, lieber Leser, zuerst müssen Sie wissen, dass Europa Cantat XVIII Sie unmittelbar berührt. Gleich Ihrer Rolle in der Chormusik, Chorsänger/in jeden Alters und jeder Musikrichtung, Leiter, Präsident, begeisterter Zuhörer oder Neuling, wird das Festival Ihre Stimme, Ihre Ideen und Beiträge aufnehmen und mit denen tausender Teilnehmer verstärken und Ihnen ein unvergessliches, menschliches und musikalisches Erlebnis bereiten.
Aus diesem Grund möchten wir Sie nun bei einem virtuellen Besuch begleiten
AusFührung
Erstes Thema: On Stage. Con moto.
Das Festival beginnt eben so auf spontane Weise: wenn plötzlich mit dem Singen begonnen wird, entsteht ein Schauspiel von Stimmen und Personen, die sich miteinander austauschen, die miteinander reden, mal einträchtig, mal gegensätzlich, die miteinander vertraut sind oder einfach aus Neugier. Das Theater im Übrigen entstand als ein Ort, an dem man sich in der Polis traf, Ideen tauschte und diskutierte. Torino reißt einen mit, wird Bühne, Klangwelt, Eingebung, Überraschung … regt uns zur Begegnung und zum Austausch von Gefühlen und Wertvorstellungen mittels der Sprache der Musik an. Die Stadt bietet sich als Schauplatz für den europäischen Chorgesang an und stellt Örtlichkeiten und die idealen Bedingungen für ein “Bühnenprojekt” zur Verfügung. Wenn wir an ein Theater denken, so soll dies nicht heißen, dass wir uns nur auf bedeutende Ereignisse der Vergangenheit berufen, sondern uns auf neuartige Weise der choralen Darbietung öffnen, die Vergleiche mit der Bewegung, dem Vortrag und dem Raum sucht. Torino, die Stadt des Kinos, verspricht zudem eine anregende Erweiterung der Sicht von der Bühne zum Bildschirm. Die Begegnung der Chormusik mit der Videodarstellung als Produkt von Kunst verheißt eine weitergehende Beteiligung im Bereich der Aufnahme und Wiedergabe des Klangkörpers, im Bereich der neuen Technologien und neuen Kommunikationsmitteln.
Zweites Thema: Festa! Allegro vivace.
Seien Sie neugierig! Jeder sollte etwas von zu Hause mitbringen, was für ihn/sie etwas Besonderes, Wertvolles und Einzigartiges ist, um es mit etwas Besonderem, Wertvollem und Einzigartigem der anderen zu teilen. Unter italienischer Gastfreundlichkeit fällt auch die Fähigkeit, jedem das Gefühl zu vermitteln, zu Hause und somit sich selbst zu sein. Der Piazza wird in der schönen Jahreszeit Treffpunkt und Ort des Austauschs, die die Energie und die Neugier kennzeichnen, von denen das Festival lebt. Er bietet somit die Möglichkeit, in einen Mikrokosmos einzutauchen, der von Tänzen, Spielen, Darbietungen, Kostümen gefüllt ist und seinen eigenen kleinen Baustein in dieses Mosaik einzufügen, in dem Gesang, Dialekt und Sprachen aus aller Welt ertönen. Gian Domenico Peri schrieb einmal im Jahr 1651:“Torino ist nichts anderes als eine kleine Welt oder die gesamte Welt ist nichts anderes, wie ein großes Torino”.
Ein “Festa!“ trägt sicherlich den Gedanken an Ungezwungenheit und Vergnügen in sich, weist vor allem aber auf die Stimmung hin, die während des Festivals herrscht. Der eingebende Gedanke stammt vom Mittelmeer, das an unterschiedliche Kulturen und Geschichten grenzt und sie vereint und über das sich Klänge, Farben, Speisen und Sprachen austauschen.
Wie bei jedem “Festa!“ schaffen wir ein Tam Tam… ungezügelt!
Drittes Thema: Soul Food. Tempo giusto.
Miteinander singen entwickelt eine unaufhaltsame Kraft, die aus der erwartungsvollen Begegnung, der zusammen erlebten Harmonie, der Ausdehnung des eigenen Horizontes entspringt. Der Chor ist ein Gesellschaftsmodell, in dem Zuhören, Achtung, Zusammenwirken, Gegenseitigkeit neben Kunst, Schönheit und Kultur stehen, wo Überlieferung und Neuerung sich nicht nur im Musizieren, sondern auch in der Art und Weise des Zusammenlebens mit und in der Öffnung zu anderen ausdrücken. Aus diesen Gründen heraus bildet der Chor für Kinder und Jugendliche einen wertvollen und unersetzlichen Weg für ihre Entwicklung und bildet ein wichtiges und wirkungsvolles Instrument in kritischen Situationen und an Orten in der Welt – aber auch in unseren eigenen Städten – in denen nicht alle die Mittel, die Möglichkeit und den Zugang zur Kultur besitzen. Das Festival möchte Schaufenster, Projekte und Modellsituationen sein, in denen der gemeinsame Gesang eine Kraft entwickelt, die so stark ist, dass sie Personen ändern und eine bessere Welt vorbereiten kann.
Entwicklung. Kanon für 4000 Stimmen.
Wie entstehen diese Themen auf einem Festival? Wie kann jeder einzelne an diesem choralen Gemälde teilnehmen?
Vor allem, indem wir ihm einen Rahmen geben: auf dem Piazza, auf der großen Zentralbühne mit dem ERÖFFNUNGSKONZERT und dem SCHLUSSKONZERT, die wahre Stimmdarbietungen sind und zu Beginn die Sänger und Sängerinnen aufnehmen und sie dann mit ihren Erinnerungen, Freundschaften, neuen musikalischen Anstößen und vor allem mit einem unaufhaltsamen Wunsch … weiterhin zu singen, verabschieden.
Die Bühne, auf der sie sich treffen, ist zudem ein täglicher Treffpunkt, an dem wir uns durch den gemeinsamen Gesang vereint fühlen können. Jeden Tag leitet während des OPEN SINGINGs ein Chorleiter tausende von Sängern und von Einwohnern Turins auf der Suche nach einem sehr variationsreichen und einfachen Repertoire, das aus einem entsprechenden Buch abgelesen oder über Nachsingen mit Hilfe des Chors auf der Bühne gelernt werden kann.
Das Festival Europa Cantat entspringt dem Gedanken, unterschiedliche Länder, Kulturen und Traditionen zu vereinen, aber auch die Neugier eines jeden, seinen Wunsch zum Kennen lernen, die Freude neue Erfahrungen zu machen oder die schönsten zu wiederholen zu fördern oder neue Repertoires einzuüben, denen man nicht alle Tage begegnet. Daher beziehen wir alles mit ein: jedes Alter, jeden musikalischen Ausbildungsstand (vom Anfänger, der keine Noten versteht bis zum Künstler), jeden Musikgeschmack (von klassischer zur zeitgenössischer Musik, von der Volksmusik bis zum Pop/Jazz, von gregorianischen Gesängen bis zur “Exotik”), jeden Interessensbereich (Sänger, Musikdirektoren, Komponisten, Musikveranstalter, Ton und Videotechniker, Ton- und Musikwissenschaftler), jede verfügbare Zeit (vom einzelnen Tag bis zum gesamten Ablauf), jede Chorzugehörigkeit (als Mitglied eines großen Chores mit einigen Chorsängern, die sich Mut verschaffen, da ” die anderen nicht konnten”, sowie einzelne Sänger). ALLE können teilnehmen und ihren jeweiligen Musikhunger stillen.
Durch Einschreiben in das Programmangebot ATELIER als Chor, als Chorgruppe, als Einzelsänger wird man Mitglied des Festivals. Sie verbringen somit einige bezaubernde Morgen auf Entdeckung neuer Sichtweisen oder mit Singen Ihrer Lieblingsmelodien. Hierbei werden Sie von sachkundigen und erfahrenen Musikdirektoren geleitet, die vieles in kurzer Zeit vermitteln können. Im DISCOVERY ATELIER wird in wenigen Stunden ein spezieller Gesichtspunkt der Stimm- und Chormusik auf praktische und einbeziehende Weise dargestellt: ausgezeichnet für eine Tokkata und Fuge bei einem freien Tag oder für ein Puzzle verschiedener Farben: ein unterschiedlicher Lehrgang an jedem Tag.
Das PROGRAMM FÜR MUSIKDIREKTOREN UND KOMPONISTEN ermöglicht es hingegen den Maestri (mit oder ohne Chor) und den Schöpfern neuer Musik, sich untereinander zu treffen und den Festivalteilnehmern zu begegnen, sich in den morgendlichen Lehrgängen umzusehen, Seminare zu spezifischen Themen zu veranstalten, neue Repertoires kennen zu lernen und wichtige Kontakte zu erweitern. Kurzum eine Woche Fortbildung, Weiterbildung oder reines und einfaches Vergnügen in einer Art ChorLande, die nicht wiederholbar ist, was die Ansammlung von Qualität und Quantität an einem einzigartigen Ort in einer einzigen Woche betrifft.
Es ist Mittagessenszeit. Erholen wir uns etwas, bevor wir uns ins Nachmittagsprogramm stürzen! Atmen wir tief ein. Atmen wir tief aus. Lassen wir uns ein gutes Essen in den Giardini Reali kosten. Mit einem Spaziergang zwischen den Bänken der EXPO MUSIKVERLAGE bereiten wir uns auf das reichhaltige Programm der CONCERTI vor, die bis tief in die Nacht in den Kirchen, Theatern, Konzertsälen, Portici und auf den Piazze stattfinden. Alle teilnehmenden Chöre können sich innerhalb des Festivals zusammen mit ausgewählten Gästegruppen darbieten, was bedeutet, dass man in Torino Musikbesetzungen, die von ihrer Herkunft und von ihrer Art sehr unterschiedlich sind, was von “irdischen” bis zu “marsianischen” Chören reicht hören kann, die alle so bezaubernd singen, dass man ihnen immer wieder zuhören und – wer weiß – vielleicht ihre Geheimnisse entdecken möchte! So lauschen wir auf den bekanntesten Bühnen der Stadt einigen wahren CHORMUSIKEREIGNISSE, von Oper bis zu Pop, von Monteverdi bis John Lennon (nun gut, nicht von ihm selbst vorgetragen!).
Sind Sie neugierig, dann fühlen Sie sich frei zu singen: immer und überall. FRINGE ist ein Programm, das der freien Eingebung überlassen ist. Möchten Sie sich jeden Tag an einem anderen Ort der Stadt darbieten? Tun Sie es, wir kommen, um Ihnen zuzuhören. Möchten Sie einen Austausch mit einem anderen Chor aufnehmen, vielleicht um mit ihm Ihr bevorzugtes Werk einzustudieren? Wir bringen Sie mit Ihrem Partnerchor zusammen. Wollen Sie eine Demo-CD aufnehmen, die von der elektrisierenden Atmosphäre des Festivals inspiriert ist? Wir stellen Ihnen unser Aufnahmestudio zur Verfügung. Möchten Sie ein Video drehen und es später ins Internet stellen, damit es von Tausenden gesehen wird? Wir können Ihnen beim Dreh helfen und es in den YouTube-Kanal des Festivals stellen. Möchten Sie, dass auf dem Festival etwas geschehen sollte, was uns bisher noch nicht eingefallen ist? Erzählen Sie es uns!
Zuletzt: möchten Sie die Gelegenheit nutzen und die Region Piemont besuchen und irgendwo hier eine Darbietung zu bringen? Über das vom piemontesischen Chorverein getragene Programm TRASFERTE können Sie den freien Tag Ihres Lehrgangs oder den Tag nach seiner Beendigung dazu nutzen, die kulturellen, natürlichen und gastronomischen Sehenswürdigkeiten der Region zu besichtigen und dies mit einem Konzert krönen.
Zweiter Teil Tempo primo, mit Variationen.
Einen typischen Tagesablauf des Festivals beschreiben? Unmöglich! Es gibt unzählig viele Wahlmöglichkeiten! Versuchen wir uns dennoch einmal einige vom Morgen bis zum Abend (und darüber hinaus …) vorzustellen.
Thema
- 9:00 Ach was für eine schöne Idee sind doch diese morgendlichen Körperübungen, nach denen ich dann noch besser singe!
- 9:30-13:00 das morgendliche Singen mit diesem fähigen Direktor ist nur so vorbeigeflogen …
- 13:00-14:30 Spaziergang, Mittagessen, Kaffee.
- 15:00 Ich werde mir mal eine Konzert der Gesangsgruppen im Konservatorium anhören gehen.
- 16:30 Eis im Zentrum und ein netter Männerchor, der in den Portici vorträgt.
- 18:30 Heute esse früh zu Abend, denn heute singe ich selbst!
- 21:00 Mein Chor aus der Toskana, ein Chor aus Estland und einer aus Armenien singen sakrale Musik in der Kirche von San Domenico (völlig überfüllt!).
- Und nun gehts zum Feiern an den Po. Überall gibt des Lokale!
Erste Variante
- 9:30-12:30 Heute ist im meinem Lehrgang Ruhetag. Den nutze ich, um mir einen Discovery Workshop über Beat-Boxing anzusehen. Ich war schon immer neugierig: wie schaffen die es, ein Schlagzeug nur mit der Stimme und dem Mikrophon nachzuahmen?
- 13:00-14:30 Ich bewege mich federleicht wie ein Rapper. Ich habe mich wirklich bestens unterhalten. Nach dem Mittagessen kaufe ich mir eine CD von einer spanischen Gruppe, die in Italien nicht aufzutreiben war.
- 15:00 Mein Chor hat eine für die Aufnahme eines Stücks für eine Stunde ein Studio gemietet. Wie aufregend, wir haben bisher noch nie etwas aufgenommen!
- 17:00 Dieser Chor und das Orchester mit Kindern aus allen Völkerschaften hat mich wirklich überrascht. Torino ist tatsächlich eine Welt in Miniatur.
- 19:00 Ein nettes Abendessen und dann …
- 20:00 Open Singing: Seite 32. (um ehrlich zu sein, kann ich nicht gut Noten lesen, aber es reicht ja dem Chor auf der Bühne nachzusingen) … (vielleicht werde ich es mir zu Hause einmal vornehmen) … Kaum drehe ich mich um, sehe ich eine ganze Schar, die um mich herum singt und tanzt!
- 21:00 Hier bleibe ich. Heute Abend gibt ein Popsänger auf der Bühne seine Vorstellung und singt zusammen mit einem Gospelchor … und der ganze Piazza ist mit dabei 😉
- 23:00 Und nach dem Pop? Ein wenig antike Musik in einer gotischen Kirche. Schnappe ich über? Nein, das Festival ist auch das! Und dann gehe ich schlafen … mit vielen anregenden Gedanken.
Zweite Variante
- 9:00 Der Lehrgang ist gestern zu Ende gegangen. Wir haben ein sehr schönes Konzert gegeben, und heute Besichtigungstour!
- 10:00 Piemont: die Wahl wird einem schwer gemacht: der Orta-See, eine Alpental, eine Residenz der Savoyer … Am Ende siegt der gute Wein: Wir fahren ins Monferrat!
- 13:00 Lunchpaket, aber den Barolo kaufen wir vor Ort.
- 17:00 Treffen mit dem piemontesischen Chor, der heute Abend unser Gast sein wird. Wir üben auch ein Musikstück mit ihm.
- 21:00 Der Chor eröffnet mit zwei Stücken, bevor wir an der Reihe sind; großer Erfolg und …
- 23:00 … großer Umtrunk nach dem Konzert! Jetzt fahren wir zurück nach Torino. Morgen endet das Festival mit einem Piazzakonzert und einem “Festa!“ … Ende offen! … (und wenn es wirklich so wäre, dass es nie enden würde?)
CODA oder “Alle inbegriffen!”
Nun, da wir Sie durch eine virtuellen Besuch des Festivals geleitet, Ihnen alle Ereignisse, Vielseitigkeiten und Ausdrucksformen von Europa Cantat XVIII vorgestellt haben, sei ein wesentliches Moment hinzugefügt: die Freude all dies zum ersten Mal bei uns zu Hause in Italien zu Gast zu haben.
Wir können es kaum erwarten, dass diese Druckseiten Wirklichkeit werden.
Bringen Sie Ihre Stimme nach Torino und singen Sie mit uns: we are ready to sing!