Nationale Konferenz der Amerikanischen Chordirektorenvereinigung 2017

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Tim Sharp, geschäftsführender Vorsitzender der Amerikanischen Chordirektorenvereinigung (ACDA)

Die alle zwei Jahre stattfindende Nationale Konferenz der Amerikanischen Chordirektorenvereinigung wurde vom 8. bis zum 11. März 2017 in Minneapolis, Minnesota, abgehalten. Minnesota war dank seiner erstklassigen College-Chorprogramme, führender Ensembles und über 4.000 Chöre der ideale Austragungsort für diese wichtige Chorkonferenz der Vereinigten Staaten.

Die diesjährige Konferenz stand unter dem Motto A Life of Song. Tom Shelton, Vorstand des Lenkungsausschusses der Konferenz, erklärte: „Ich habe dieses Thema ausgewählt, um jeden Sänger – unabhängig des Lebensalters, von der Geburt bis ins hohe Alter – zu ehren. Singen ist schließlich etwas, das wir unser ganzes Leben lang tun können.“

Die Konferenz umfasste mehr als 90 Darbietungen und 53 Bildungsseminare für die mehr als 5.000 teilnehmenden Chorleiter sowie die zusätzlichen 10.000 Chormitglieder, Sänger, Studenten, Betreuer, Branchenführer, Zuschauer und Gäste. Die Aufführungen wurden an vier verschiedenen Veranstaltungsorten im Zentrum von Minneapolis abgehalten: im Minneapolis Convention Center, der Orchestra Hall, der Central Lutheran Church und der Westminster Presbyterian Church. Craig Gregory, der Konferenzdirektor der ACDA, engagiert sich in den zwei Jahren zwischen den Konferenzen für die Organisation; er bucht Veranstaltungsorte und erstellt Programmpläne, in denen die voraussichtliche Publikumsgröße und die Bedürfnisse der Mitwirkenden bestmöglich vorweggenommen werden.

Die an der Nationalen Konferenz der ACDA teilnehmenden Künstler werden im Rahmen eines anonymen Beurteilungstests ermittelt; demnach reicht ein Chorleiter eine Audioaufnahme seines Chores zur anonymen Beurteilung bei der Jury ein. Aufnahmen stammen typischerweise von unterschiedlichsten Chören, darunter Mittelschulen, High Schools, Colleges und Universitäten sowie professionelle Organisationen.

Das ACDA Chorevent hat tausende Interessierte, nicht nur aus Nordamerika, sondern aus sage und schreibe 36 verschiedenen Ländern angezogen. Zu den internationalen namhaften Künstlern zählten der innermongolische Jugendchor, der 80 Stimmen starke schwedische Männerchor Orphei Drangar, der Kammerchor Stuttgart, der kanadische Hamilton Kinderchor und Vox en Punto aus Mexiko. Ein bei allen Teilnehmern beliebtes Element des Programms sind schlichtweg die unterschiedlichen internationalen Chöre.

Inner Mongolia Youth Choir, conducted by Yalungerile

Philip Brunelle opening the ceremony with his Minneapolis based ensemble, Vocalessence

Eingeleitet wurde die diesjährige Konferenz am Dienstag mit dem „Welcome to Minneapolis“-Konzert, gestaltet vom VocalEssence Chor aus Minneapolis unter Regie von Philip Brunelle, seinem künstlerischen Leiter, sowie dem renommierten Komponisten Dominick Argento, der Musikgruppe The Singers—Minnesota Choral Artists unter Leitung von Matthew Culloton und dem Metropolitan Symphony Orchestra. Ein weiterer besonderer Programmpunkt des Abends war der Auftritt der Minnesota-Legende Garrison Keillor, langjähriger Moderator des Radioprogramms A Prairie Home Companion, der das Publikum beim Mitsingen leitete. Die gesamte Stadt war eingeladen, dieses kostenlose Eröffnungskonzert mitzuerleben.

Die Darbietungen des anerkannten St. Olaf Christmas Festivals, eines der ältesten musikalischen Weihnachtsfestspiele (Festspielleiter: Anton Armstrong), gehörten zu den Highlights des Konzerts. Nahezu 600 Musikstudenten sowie teilnehmende Ensembles wirken bei diesen Festspielen mit, darunter der St. Olaf Chor, der Viking Chor und der St. Olaf Chapel Chor, die Manitou Singers, die Musikgruppe St. Olaf Cantorei und das St. Olaf Orchestra. Jede Gruppe tritt zum Ohrenschmaus der Zuhörer einmal individuell und einmal als Ensemble auf.

Auch die Ehrenchöre sind ein wesentlicher Bestandteil jeder ACDA Konferenz. Sänger, ob im Grundschul- oder Collegealter, können Audioaufnahmen einreichen, die in einem anonymen Verfahren von einem Expertengremium beurteilt werden. Dieses Jahr wurden 1.200 Sänger verteilt auf vier Ehrenchor-Kategorien bestimmt: Kinder unter Leitung von Joan Gregoryk, Mittelschule/Junior High unter Leitung von Lynnel Joy Jenkins, High School unter Leitung von Eric Whitacre und Hochschule unter Leitung von Jeffery Ames. Die jedem Ehrenchor zugeteilten Chorleiter, die vom Lenkungsausschuss der Konferenz ausgewählt werden, sind im Bereich der Chormusik allesamt große Namen. Selbst Eric Whitacre, ein mit einem Grammy-Award ausgezeichneter US-amerikanischer Komponist und Dirigent, ist am Mittwochnachmittag, dem ersten Tag der Konferenz, vor ausverkauftem Publikum mit seiner Gruppe Eric Whitacre Singers aufgetreten.

Zur Nationalen Konferenz der ACDA 2017 gehörten ferner Events wie Gospel-Matinees mit LU Praise der Liberty University im US-Bundesstaat Virginia sowie besondere musikalische Abendveranstaltungen wie ein Jazzabend, ein Themenabend zur Musik in Gottesdiensten, zeitgenössische/gewerbliche Präsentationen und Chorkonzerte internationaler Chöre. Der amerikanischen Chordirektorenvereinigung ist es wichtig, alle Genres bei ihren Konferenzen zu berücksichtigen; so wird eine breite Palette an Musik aus den USA und der ganzen Welt abgedeckt. Ringmasters, die Barbershop-Weltmeister 2012, haben sich beispielsweise mit Crossroads, einem weiteren Barbershop-Quartett mit Weltmeisterstatus, auf der Bühne zusammengetan. Die Musikgruppe United States Navy Band und der Sea Chanters Chorus haben die Zuschauer mit ihrem breiten Repertoire, vom klassischen God Bless America zu ihrer Interpretation traditioneller Matrosenlieder, beeindruckt.

Teil jeder ACDA Konferenz ist eine Weltpremiere der Raymond W. Brock Memorial Commission. Diese Chorreihe wurde 1991 gegründet, und die Vorstände der ACDA beauftragen einen anerkannten Komponisten damit, eine Chorkomposition zu schreiben, die auf der Nationalen Konferenz vorgetragen wird. Der diesjährige Brock Memorial Komponist war J. A. C. Redford, ein bekannter Film- und Chormusikkomponist, dessen Schaffungen von Millionen Menschen auf der ganzen Welt gehört werden, wenngleich sich viele dessen nicht bewusst sind. Neben den zahlreichen Fernseh- und Filmabspannen hat er Adeles Oscar-prämiertes Titellied aus dem Film Skyfall arrangiert und dirigiert und außerdem die Partitur dazu orchestriert. Für das im Rahmen der Brock Commission kommissionierte Stück der ACDA 2017 mit dem Titel Homing hat Redford sowohl den Text als auch die Musik geschrieben. Seine Arbeit wurde am Abend des 8. März von Magnum Chorum unter Leitung von Mark Stover zum ersten Mal vorgetragen. Im zweiten Teil des Programms wurde Orffs Carmina Burana von Robert Spano dirigiert, einem mit einem Grammy-Award ausgezeichneten US-amerikanischen Dirigenten, Pianisten und Komponisten.

Getreu der Tradition wurden im Rahmen der Konferenz 53 Workshop-Sessions angeboten, die auf aktuelle, interessante und für Chorleiter und Chorlehrer unerlässliche Themen zugeschnitten waren. Dazu gehörten „Aktives Altern und das Chorensemble“, „Die sich mit dem Alter verändernde weibliche Stimme“, „Der Aufbau eines generationenübergreifenden Männerchors“, „Die Anerkennung von LGTBQ-Sängern im Klassenzimmer“, „Multikulturelle Programmgestaltung“ und „Neue Wege zu verbesserten Dirigentengesten“. Außerdem gab es Podiumsdiskussionen mit hochkarätigen Namen der Branche: Jo-Michael Scheibe, Jeffery Ames, Hilary Apfelstadt, Lynne Gackle, James Jordan, Dennis Schrock und Phillip Swan.

Ein spannender Programmneuzugang war dieses Jahr die Präsentation einer Komposition, die speziell auf die Entwicklung aufstrebender Chorkomponisten abzielt. Diese Art von Workshop fand zum ersten Mal bei der Nationalen Konferenz 2015 statt, um eines der zwölf Hauptziele der amerikanischen Chordirektorenvereinigung gezielt zu fördern: „Chorkompositionen höchster Qualität zu begünstigen und zu fördern.“ Die Reihe umfasste Themen wie „Der Komponist und der Chor“, „Komposition im Chorzusammenhang“ sowie ein Masterclass-Seminar für Komponisten – ein offenes Forum mit neuen Kompositionen, unter Anleitung von Steven Sametz und Libby Larsen.

Bei jeder Konferenz wird einem Chorleiter, der durch Unterrichten, Dirigieren und Federführung außergewöhnliche und maßgebliche Beiträge zur Chormusik geleistet hat, der Robert Shaw Chor-Award überreicht. Die Nominierungen werden von Mitgliedern der ACDA eingereicht, der Gewinner wird vom Rat ehemaliger Präsidenten der ACDA gewählt. Zu den Gewinnern aus der Vergangenheit gehören Chorgiganten wie Weston Noble, Paul Salamunovich und Alice Parker. 2017 ging die Auszeichnung an Andre Thomas, der beim feierlichen Empfang am Freitagabend geehrt wurde. Weitere Awards, die bei der Konferenz verliehen werden, umfassen den Julius Herford Dissertation Prize, gesponsert von der Organisation Classical Movements, die Auszeichnung ehemaliger Präsidenten der ACDA und die Bekanntgabe der Aufnahme in die Wall of Honor, einem Ehrungskonzept für verstorbene Dirigenten der ACDA. Sieben Dirigenten wurden darin aufgenommen: Kenneth Jennings, Helen Kemp, Robert Page, Stephen Paulus, Raymond Robinson, Sir David Willcocks und Stephen Zegree. Bei jeder Konferenz habe ich außerdem die Gelegenheit, während meiner Ansprache die verschiedenen chorischen Initiativen der ACDA hervorzuheben.

Einer der Hauptanziehungspunkte der Nationalen Konferenz der ACDA ist die sich für Teilnehmer bietende Chance, mit Kollegen, Führungskräften und Mentoren der Chormusik zu netzwerken. Zwischen den Konzerten und Bildungsseminaren gibt es zahlreiche Lesungen, Foren, Ausstellungen, Empfänge und Proben, die bis in den Abend hinein stattfinden. Für Studenten der Ehrenchöre gilt es als Highlight des Jahres, auf einer nationalen Bühne zu singen, und die Lehrer in den jeweiligen Institutionen zuhause sind natürlich nicht weniger stolz darauf, dass ihre Schüler und ihre Schule vertreten sind.

Wer sich eine Pause von all den Ausstellungen, wo mehr als 300 Aussteller und Anbieter ihre Stände hatten, gönnen wollte, konnte sich einen von zwei Filmen ansehen: Big Voice… Dare to Dream, eine 83-minütige Dokumentation der Regisseurin Varda Bar-Kar. Der Film erzählt die Geschichte eines entschlossenen Chordirigenten an einer öffentlichen High School, der sich besonderen Herausforderungen gegenübersieht. Der zweite Film war Robert Shaw, Man of Many Voices, ein Film über die Musik, das Leben und das Vermächtnis von Robert Shaw. Die New York Times nannte diesen Film bezeichnenderweise „ergreifend und überzeugend“ (James R. Oestreich, 27. April 2016).

High School students conducted by Eric Whitacre

Die Nationale Konferenz der ACDA 2017 endete am Samstag, 11. März mit einer Darbietung des High School Ehrenchors unter Leitung von Eric Whitacre. Das Whitacre-Programm umfasste sein beliebtes Stück Godzilla Eats Las Vegas. Auf die Frage, nach welchen Kriterien er das Repertoire für sein Programm zusammengestellt hätte, antwortete er: „Ich hatte mich entschlossen, einfach nur meine eigene Musik darzubieten; aber nicht etwa aus Eitelkeit, sondern weil ich der Meinung bin, dass ich mittlerweile als Experte der Musik von Eric Whitacre gelte. Es war das einzige Außergewöhnliche, in das ich die Sänger als Dirigent sachgerecht einführen konnte. Schließlich bin ich der Kerl, der das Stück geschrieben hat, der Denker hinter all den Abläufen und Ausführungen.“ (Im Interview mit Tom Wine, 26. November 2016)

Die ACDA bereitet sich nun auf ihr 60-jähriges Bestehen vor, das diamantene Jubiläum der Nationalen Konferenzen. Es wird im März 2019 in Kansas City, Kansas, stattfinden. Von Jahr zu Jahr wird die Konferenz größer und besser, mehr Angebote und Veranstaltungsorte stehen zur Auswahl und Teilnehmer haben mehr Möglichkeiten, voneinander zu lernen, ihre Leidenschaft für die Chormusik und deren Schönheit zu teilen und das ACDA-Motto von innen und außen zu leben: „Sei es Bildung, Darbietung, Komposition oder Interessensvertretung – wir möchten im Bereich der Chormusik stets zu herausragenden Leistungen inspirieren.“

 

Tim Sharp (BM, MCM, DMA) ist geschäftsführender Vorsitzender der Amerikanischen Chordirektorenvereinigung (ACDA), also dem nationalen Berufsverband der Chordirigenten, -lehrer, -vertreter, -schüler und der Branchenvertreter der Chormusik in den Vereinigten Staaten von Amerika. Er vertritt die Chormusik in den Vereinigten Staaten gegenüber der Internationalen Föderation für Chormusik (IFCM). Sharp, der selbst aktiver Chorleiter, Forscher und Komponist ist, hat in seiner beruflichen Laufbahn verschiedenste Führungspositionen in der Hochschulbildung, Aufnahmeleitung und im Verlagswesen innegehabt. Vor seiner Rolle als geschäftsführender Vorsitzender der ACDA war Sharp Dekan der Fakultät der Schönen Künste am Rhodes College, Memphis, TN, und davor Leiter der chorischen Aktivitäten an der Belmont University, Nashville, TN. Seine akademischen und kompositorischen Anstrengungen sind auf die Kompositionspädagogik und die Partituranalyse fokussiert, und verschiedene veröffentlichte Essays und Bücher lassen auf sein vielschichtiges Interesse an regionaler Musikgeschichte, Akustik, Kreativität, Innovation und Ästhetik schließen. Er hat Universitäts-, Gemeinde-, Kirchen- und Kinderchöre geleitet und ist weiterhin als Chordirigent und -leiter in den USA sowie international tätig. Seit mehr als nun neun Jahren ist er künstlerischer Leiter/Dirigent der Kunstgruppe Tulsa Oratorio Chorus in Tulsa im US-Bundesstaat Oklahoma. Das Buch mit dem Titel Innovation in the Ensemble Arts: Sustaining Creativity ist Sharps drittes Buch in der Reihe der Musikkunst der Ensembles, herausgegeben von GIA Publications, Inc. Die anderen Bücher in dieser Reihe tragen die Titel Mentoring in the Ensemble Arts: Helping Others Find Their Voice bzw. Collaboration in the Ensemble Arts: Working and Playing Well with Others. Dr. Sharp ist auf Lebenszeit ernanntes Mitglied der Clare Hall an der britischen Cambridge University und besitzt einen Abschluss in Musik und Komposition von der Fakultät School of Church Music am Southern Baptist Theological Seminary der Belmont University sowie dem Bluefield College. Er lebt mit seiner Frau Jane und seiner Tochter Emma Jane in Edmond im US-Bundesstaat Oklahoma. E-Mail: sharp@acda.org.

 

Übersetzt aus dem Englischen von Magdalena Lohmeier, England

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