Achtzig-Jahr-Feier an der Weißrussischen Staatsakademie für Musik

  • 1
  •  
  •  
  •  
  •  
  •  
  •  
  •  

Von Natalia Arutyunova, stellvertretende Direktorin der weißrussischen Staatsmusikakademie
Übersetzt aus dem Englischen von Annette Borstlap, Deutschland

 

Das Institut für Chorleitung: Unser Jubiläumsjahr

Im November 2014 feierte das Institut für Chorleitung der Weißrussischen Staatsakademie für Musik sein 80-jähriges Gründungsjubiläum. Als eine der ältesten Abteilungen der Musikakademie, damals noch Weißrussisches Staatskonservatorium, wurde das Institut für Chorleitung im Jahr 1934 gegründet.

Die Geschichte des Instituts ist untrennbar verbunden mit einigen großen Namen weißrussischer Musik. Unter den Institutsgründern befinden sich Isidor Bary, Lydia Schwartz und Nikolai Maslov, Absolventen des Tschaikowski Moskau Staatskonservatoriums. In den Nachkriegsjahren wurde die Abteilung über 20 Jahre lang durch Professor Ilya Gitgarts geleitet, eine Absolventin des Rimsky-Korsakov Leningrad (St. Petersburg) Staatskonservatoriums, verdiente Künstlerin der Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik (BSSR) und Dirigentin des Nationalen Akademischen Bolschoi Opern- und Balletttheaters der BSSR. Zahlreiche herausragende Persönlichkeiten wirkten an der Gründung der weißrussischen Chorschule am Konservatorium mit, darunter Mark Schneiderman, Samuil Ratner (Absolvent des Leningrad Konservatoriums), Anna Zelenkova (Absolventin des Vilnius Konservatoriums und des Moskau Konservatoriums, wo sie mit Prof. A. Sveshnikov zusammenarbeitete) und Victor Rovdo. Mitglieder des Instituts waren unter anderem Alexei Kogadeyev (Volkskünstler der BSSR), Vasily Vorotnikov (verdienter Kulturförderer der BSSR), Konstantin Poplawosky (verdienter Künstler der BSSR) und viele andere Meister der Chorleitung, deren Namen in die Geschichte der weißrussischen Musik eingegangen sind.

Von 1963 bis 2007 war Prof. Victor Rovdo, Volkskünstler der UdSSR und Doktor der Kunst, Leiter der Abteilung für Chorleitung. Sein Nachfolger war Prof. Valery Avramenko, und seit Februar 2011 wird das Institut von der außerordentlichen Professorin Inessa Bodyako geleitet.

Folgende Lehrer sind derzeit am Institut tätig: Professor Mikhail Drinevsky (Volkskünstler der BSSR), die außerordentlichen Professoren Nickolai Hvisyuk, Larissa Shimonovich und Tamara Slabodchikova sowie Svetlana Gerasimovich (Doktor der Kunst). Weißrussische Volkskünstler werden regelmäßig zur Arbeit am Institut eingeladen. Zu den zuletzt eingeladenen Dozenten zählen der renommierte Komponist Leonid Zakhlevny sowie Nina Lomanovich, Chefchorleiterin des Nationalen Akademischen Bolschoi Opern- und Balletttheaters der BSSR. Unsere jungen Lehrer (Yuri Karayev, Kyrill Nosaev, Andrei Kuntsevich, Vladimir Glushakov, Olga Yanum, Olga Izhik, Andrew Savritsky, Victoria Krasovskaya und Denis Ivanov) spielen eine aktive Rolle in unserer pädagogischen Arbeit.

Die Institutsmitarbeiter, welche verschiedene Generationen und Richtungen der weißrussischen Chorschule repräsentieren, sind in eine Vielzahl von wissenschaftlichen und didaktischen Veranstaltungen eingebunden. Sie arbeiten regelmäßig mit Lehrern von Musikhochschulen und Musikschulen zusammen und referieren über Chormusik im Aufbaustudium der Musikakademie.

Das Institut für Chorleitung bringt hochqualifizierte Chorleiter hervor, welche erfolgreich in den Konzerthallen, Institutionen der höheren Bildung und Musikschulen in Weißrussland und im Ausland tätig sind. Absolventen der Abteilung sind Chefdirigenten des Nationalen Akademischen Bolschoi Opern- und Balletttheaters der BSSR, des Staatlichen Akademischen Chores, des G. I. Tsitovich Akademischen Nationalchores, des Akademischen Chores der Weißrussischen Rundfunkanstalten, des Nationalen Kammerchores der Weißrussischen Republik, der weißrussischen Musikkapelle „Sonorus“ und anderer kreativer Gruppen.

In den frühen Jahren der Geschichte des Konservatoriums wurde ein Studentenchor gegründet. 45 Jahre lang, von 1962 bis 2007, übte Prof. Victor Rovdo, Volkskünstler der UdSSR, die Position des Leiters aus. Unter seiner Leitung wurde der Chor ein hochprofessionelles Ensemble, welches durch seinen differenzierten und gekonnten Gesang sowie durch seine hohe Singkultur im Allgemeinen Zuhörer in der gesamten Sowjetunion faszinierte. Die größten musikalischen Errungenschaften des Chores in den 1990er Jahren umfassen den Gewinn des Grand Prix beim Internationalen Chorwettbewerb für Musikinstitute der GUS und Europa (Republik Moldau, Kishinev, 1995), eines Grand Prix Oscar und dreier Goldmedaillen beim II. Internationalen Chorwettbewerb (Deutschland, Darmstadt, 1997), des Grand Prix beim XVI. Internationalen Festival für Geistliche Musik (Polen, Hajnówka, 1997) und des Grand Prix beim Internationalen Festival “Mächtiger Gott” (Weißrussland, Mogilev, 2000).

Seit 2007 heißt die künstlerische Leiterin und Dirigentin des Akademischen Chores Inessa Bodyako, ehemalige Schülerin von Prof. V. Rovdo, Preisträgerin diverser internationaler Wettbewerbe und Leiterin des Instituts für Chorleitung. Die neue Ära in der Geschichte des Chores zeichnet sich durch einige hervorragende Ergebnisse aus. Während der vergangenen fünf Jahre erhielt der Chor Auszeichnungen wie den Grand Prix und Publikumspreis beim Yu. A. Falik 6. Internationalen Chorwettbewerb „Singing World“ (Russland, St. Petersburg, 2010), drei Goldmedaillen und eine Silbermedaille beim Fünften Internationalen Festival „Harmony“ (Deutschland, Limburg, 2011), den 1. Preis, Publikumspreis und Sonderpreis der Jury beim 14. Internationalen Chorfestival (Schweiz, Neuenburg, 2012), den Grand Prix und die Platinmedaille beim K. Xinghai Internationalen Wettbewerb (China, Guangzhou, 2012) sowie ein Diplom (2. Grad) im 33. Internationalen Festival für Geistliche Musik „Hajnówka 2014” (Polen, Hajnówka, 2014).

Der Studentenchor der Musikakademie hatte die Ehre, die weißrussischen Uraufführungen von Händels Oratorium Israel in Egypt, Requiem von A. Schnittke, Gershwins Porgy and Bess, Messe in Buenos Aires von M. Palmeri und eine Reihe von Kantanten unter dem Titel Intime Konversationen von N. Sidelnikov zu singen. Dank unserer weißrussisch-deutschen Kulturprojekte ging der Chor auf Deutschlandtournee, wo er Mozarts Messe in c (Altenberg, 2006), Schostakowitschs 13. Sinfonie (Bonn, 2008), Händels Israel in Egypt, Donizettis Anna Bolena (Altenberg, Dortmund, 2009) und Verdis Le Corsaire (Dortmund, Köln, 2011) aufführte. Im Jahr 2010 erhielt der Studentenchor eine besondere Auszeichnung für seine Teilnahme am Festival “Chorus Inside” für die Förderung von Frieden und Freundschaft durch Chormusik und die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen innerhalb der globalen Chorgemeinde.

Zurzeit arbeitet ein Studententeam an einem Projekt mit dem Titel „Chornoten des 20. Jahrhunderts“. Als Teil des Projekts haben Aufführungen zeitgenössischer polnischer, schweizerischer, bulgarischer und lateinamerikanischer Chormusik stattgefunden. Mitglieder des Studentenchores nehmen regelmäßig an Meisterkursen führender internationaler Chormusiker teil.

Dozenten des Instituts investieren viel Zeit in praktische Chorleitung und als Juroren internationaler und nationaler Wettbewerbe und Festivals. Das Institut richtet das städtische Kinderchormusikfestival aus, welches in den vergangenen Jahren jährlich stattgefunden hat. Seit 2009 haben Mitglieder des Instituts beim V. Rovdo offenen Wettbewerb für Chordirigenten der Musikakademie dirigiert.

Zum Anlass unseres 80. Jahrestages organisierte die Abteilung viele unterschiedliche Veranstaltungen im Verlauf des Jahres 2014, welche in gewisser Weise einen Spiegel der kreativen und vielseitigen Arbeit der weißrussischen Chorschule darstellten. Außerdem dienten sie als Kommunikationsplattform für die verschiedenen Generationen weißrussischer Chordirigenten sowie als Treffpunkt renommierter internationaler Meister der Chormusik.

Der dritte V. Rovdo offene Wettbewerb für Chorleiter war die erste Jubiläumsveranstaltung der Reihe. Die Gäste und Jurymitglieder des Wettbewerbs waren: der berühmte Chorleiter Povelas Gilis, Professor der Litauischen Akademie für Musik und Theater, Preisträger internationaler Wettbewerbe und künstlerischer Direktor und führender Dirigent des Litauischen Lied-Festivals sowie von “Gaudeamus”, dem internationalen Gesangsfestival von Studenten der Baltischen Staaten; Mikhail Shuch, verdienter Künstler der Ukraine, Mitglied der Nationalen Vereinigung von Komponisten in der Ukraine, außerordentlicher Professor an der Dragomanov Nationalen Pädagogik-Universität und Mitglied der Weltorganisation für Chormusik. Der Wettbewerb, welcher durch den Studentenchor der Musikakademie erfolgreich unterstützt wurde, vereinte 18 Teilnehmer der Republik Belarus, Russland, Ukraine, Litauen und China.

Im September 2014 fand ein wichtiges Event des Jubiläumsjahres für die Abteilung statt: ein großangelegtes Kunstprojekt, das Stadtfestival für Chormusik während des Stadtfestes von Minsk. Zahlreiche musikalische Gruppierungen traten in der Oberen Stadt auf dem Freiheitsplatz auf, darunter Solisten, Studentenchor und -orchester der Musikakademie, das Russische Volksinstrumentenorchester, das weißrussische Volksinstrumentenorchester, das Blasorchester sowie Kinder- und Jugendchöre aus Minsk.

Im Rahmen der Jubiläumsveranstaltungen fand ein ganz besonderes Konzert statt. Der Studentenchor der weißrussischen Staatsmusikakademie trat unter der Leitung von Inessa Bodyako im Großen Saal des Moskauer Konservatoriums während des 10. B. Tevlin internationalen Herbst-Chorfestivals auf. Der Studentenchor und seine Dirigentin machten die russischen Hörer meisterhaft mit den höchsten Errungenschaften weißrussischer Chormusik vertraut und erhielten dafür großes Lob von den Direktoren des Moskauer Konservatoriums.

Unsere Jubiläumsfeierlichkeiten wurden gekrönt durch die Konzerte im Rahmen des Festivals “Viva Chor!” (15.-22. November 2014), welche im Großen Saal der Musikakademie stattgefunden haben. Das Festival wurde mit einem Konzert von Profi- und Laienchören unter der Leitung eines ehemaligen Schülers der außerordentlichen Professorin Larissa Shimonovich eröffnet. Während des zweieinhalbstündigen Konzertes führten die Chöre Vokalkompositionen verschiedener Stile und Charaktere auf, verfasst von sowohl national als auch international renommierten Komponisten.

Das darauffolgende Konzert brachte die kreativen Kräfte der Institutsabsolventen zusammen, aber – nur Männer: K. Nosayev, A. Snitko, A. Kuntsevich, V. Glushakov, A. Klimovich, P. Shepelev, A. Savritsky and M. Drinevsky. Unter ihrer Leitung boten besondere kreative Gruppierungen ein Konzert mit dem Titel „Männer – Dirigenten!“: der Knabenchor der E. Glebov Musikschule №10, der fantastische Kinderchor „Tonic“ der Musikschule №1, der Knabenchor des Republikanischen Gymnasium Kollegs der weißrussischen Staatsmusikakademie, der Laienchor der Staatlichen Minsk Sprachwissenschaftlichen Universität „Cantus Juventae“, der Professorenchor der staatlichen weißrussischen technischen Agraruniversität sowie professionelle Chöre, u.a. das Männerensemble „Unia“, der Akademische Chor der Weißrussischen Rundfunkanstalten und der G. Tsitovich Akademische Nationalchor.

Das Festival endete mit einem Wiedersehenskonzert für Absolventen des Instituts für Chorleitung unter dem Titel “Gemeinsam Singen“. Das Konzert beinhaltete u.a. eine Aufführung des Chores der Musikakademie unter I. Bodyako, A. Savritsky, A. Kuntsevych und K. Nosaev und eine Theateraufführung mit dem Titel „Wie es war – wie es ist – wie es sein wird!“. Im Publikum saßen Absolventen und Dozenten der Abteilung, angehende Musiker, ehrwürdige Meister und glühende Chormusikfans.

Das Festival wurde durch die thematische Ausstellung “VIVA CHOR!” begleitet, welche zeitlich mit dem 80. Jahrestag des Instituts für Chorleitung der weißrussischen Staatsmusikakademie zusammenfiel. Die Ausstellung präsentierte Abschlussarbeiten, Forschungsarbeiten, Monographien, Bücher und Handbücher zur Geschichte und Theorie der Chormusik und Chorgesang-Veranstaltungen in Weißrussland.

Die eindrucksvolle Abschlussveranstaltung der Jubiläumsfeierlichkeiten war ein kreatives und didaktisches Projekt, organisiert von der Musikakademie unter Teilnahme von Andrea Angelini (Italien), bedeutender Dirigent und Organist, namhafter Musikwissenschaftler, Dirigent und künstlerischer Leiter des Vokalensembles Musica Ficta und des Carla Amori Kammerchors und künstlerischer Leiter des Chorfestivals „Voci nei Chiostri“, ein internationaler Chor-Workshop in Rimini. Mitte November 2014 leitete er einen Meisterkurs mit dem Studentenchor der Musikakademie und hielt eine Vorlesung über die Aufführungspraxis italienischer Chormusik der Renaissance. Dr. Angelini sprach in der Plenarsitzung der internationalen Wissenschaftskonferenz „Belarussische darstellende Künste im Kontext der künstlerischen Kultur“, organisiert von der Musikakademie mit Unterstützung vom Kultusministerium der Republik Belarus. Angelinis Ausführungen zum Thema „Von Monteverdi zu Willaert: Chormusik in Venedig in der Renaissance“ stieß auf großes Interesse bei Studenten und Musikwissenschaftlern. Das Projekt wurde abgerundet durch ein Konzert von Gesangs- und Chorstudenten der Musikakademie, in dem Dr. Angelini als Dirigent des Studentenchores auftrat.

Das Jubiläumsjahr des Instituts für Chorleitung der weißrussischen Staatsmusikakademie ist nun vorbei, aber Lehrer und Studenten arbeiten schon wieder an neuen kreativen Projekten, welche zweifelsohne zu den glorreichen Zeiten der belarussischen Chorschule beitragen werden.

Natalia Arutyunova, PhD, ist stellvertretende Direktorin der weißrussischen Staatsmusikakademie. Im Jahr 1997 machte sie ihren Abschluss an der weißrussischen Staatsmusikakademie in Musikwissenschaft (PhD, in der Klasse von Prof. N.N. Yudenich) und im Jahr 2000 schloss sie ihr Aufbaustudium an der weißrussischen Staatsmusikakademie ab. Das Thema ihrer Doktorarbeit war Melodik der Instrumentalkantilenen und ihre stilistischen Reflektionen in der russischen Musik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts (Tschaikowski, Taneyev, Rachmaninoff, Scriabin) (2001). Seit dem Jahr 2000 hat Natalia Arutyunova am Institut für Musiktheorie unterrichtet und seit 2011 arbeitet sie als stellvertretende Direktorin für wissenschaftliche Forschung an der weißrussischen Staatsmusikakademie. Natalia betreut erfolgreich die Arbeit der Akademie in der internationalen wissenschaftlichen und kulturellen Kooperation mit ausländischen Forschungs- und Pädagogikeinrichtungen und -organisationen und organisiert viele internationale Projekte, Meisterkurse, Wettbewerbe und Festivals, die an der Akademie durchgeführt werden.

 

PDFPrint

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *