Koreanische Chormusik von den Anfängen bis zur Gegenwart

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Sang-Kil Lee, Präsident des KoreanischenVerbandes für Chormusik

 

Die Tradition der koreanischen Chormusik nahm ihren Anfang in den 80erJahren des 19. Jahrhunderts, als die westliche Musik von den christlichen Missionaren, die nach Korea kamen und dort Bildungsanstalten und Kirchen gründeten, eingeführt wurde. Sodann entwickelte sich die koreanische Chormusik in bemerkenswerter Weise sowohl qualitativ als auch quantitativ über die nächsten hundert Jahre weiter und ist nun ein bedeutender Teil der koreanischen Kultur.

Mehrere Jahrzehnte hindurch wurde die Chormusik ausschließlich von Kirchenchören aufgeführt. Dann wurde die Entwicklung weiter vorangebracht durch die Gründung freier Chöre, beispielsweise des Ewha Women’s School Choir (gegründet im Jahr 1909), vermutlich der erste Chor in Korea. Der Kyoung Seong Chor, 1913 von In-Sik Kim und Nan-Pa Hong gegründet, war der erste private Chor.

 

In-Sik Kim, the Conductor of the Kyoung Seong Choir
In-Sik Kim, the Conductor of the Kyoung Seong Choir

 

Krieg und die Unabhängigkeit Koreas von Japan bestimmten die 40er und 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. In dieser Periode entstanden viele Chöre, zum Beispiel der Kyoungsung Central Radio Choir (1941), Oratorio Choir, Sung Jong Choir, Pilgrim Choir, Korean Men’sChoir, und Agape Choir[1] . Die 60er Jahre brachten die Entstehung vieler sehr aktiver Chöre in den Sekundar- und Oberstufen der Schulen und anderer Kinderchöre mit sich, von denen der Koreanische Kinderchor, der Weltvision Kinderchor und der Little Angels’Chor internationale Popularität gewannen.

Zu Beginn der 70er Jahre begann Korea, sein Bewusstsein für das eigene traditionelle und kulturelle Erbe über Kampagnen, Erziehung und die Massenmedien zu erweitern, und die von der Regierung organisierte Bewegung Sae-Ma-Ul Un-Dong (eine neue Landesbewegung bauen) führte zu einer bedeutenden nationalen und patriotischen kulturellen Entwicklung überall im Land.[2]  In jener Zeit organisierte die Regierung musikalische Chorwettbewerbe, um die Menschen zu ermutigen zu singen und um den Sinn für die Gemeinschaft zu fördern. Zusammen mit diesen Initiativen wurde, parallel zur Eröffnung des Nationaltheaters 1973, der National Chorus of Korea (NCK) gegründet, der erste professionelle Chor in Korea. In der Folge wurden viele Laien- und Berufschöre in den größeren Städten ins Leben gerufen, und der Dae Woo Chor wurde 1983 gegründet, der erste von einer privaten Firma gesponserte professionelle Chor.

In den 80er Jahren wurde die Entwicklung der koreanischen Chormusik stark beeinflusst von der Ausrichtung internationaler Großereignisse, wie den Asienspielen 1986 und den Olympischen Spielen 1988. Diese internationalen Ereignisse ermöglichten es den Koreanern, fremde Kulturen und Traditionen kennen zu lernen, und sie stärkten zugleich das Bewusstsein von der Bedeutung der Förderung einer eigenen Kultur der nationalen Identität.[3]  Im Ergebnis gelang Korea nun ein Entwicklungssprung auf das internationale Niveau hinsichtlich der Aufführungspraxis und des Repertoires.

Die letzten 30 Jahre stellen so etwas wie eine „Boom-Periode der Chöre“ in Korea dar, mit vielen großen Kirchenchören, die zuerst von den Presbyterianern, den Methodisten, den Baptisten, Pfingstlern und den Katholiken ausgingen und mit umfangreichen Chorprogrammen und sogar Orchestern aufwarteten. Neben der regelmäßigen Gestaltung der Gottesdienste wurden in diesen Kirchen auch Konzerte mit klassischer und zeitgenössischer Musik veranstaltet oder Vorträge über Kirchenmusik gesponsert, nicht nur für professionelle, sondern auch für einfache Liebhaber der Chormusik.[4]

Zahlreiche koreanische Chöre, einschließlich Gemeinde-, Jugend- und Schulchöre (Grundschule bis Universität) wurden von öffentlichen Organisationen regelmäßig und über Jahresprogramme finanziell unterstützt, wodurch sich eine Vielzahl von Stilen und chorischem Repertoire entwickeln konnte und auch das öffentliche Interesse an Chormusik weiter gesteigert wurde. Im Ergebnis gibt es nun über 60 Laien- und Berufschöre in den größten Städten, die bedeutende Rollen in der Pflege und Weitergabe der musikalischen Kultur Koreas spielen.[5]

Nach Einschätzung des Autors kann die zeitgenössische koreanische Chormusik mit dem Begriff „Glocalism“ definiert werden, um so die Auffassung einer „Globalisierung“ mit lokalen Belangen zum Ausdruck zu bringen. Das bedeutet, dass das Repertoire chorischer Werke weiter und reicher wird durch die Organisation verschiedener internationaler Chorfestivals und Konferenzen, und es zugleich ein wachsendes Bedürfnis nach einheimischen Chorkompositionen gibt, die heimatliche Gefühle und besondere Empfindungen zum Ausdruck bringen. Somit hat das goldene Zeitalter der Chormusik nun seinen Höhepunkt im ‘Glocalism’ erreicht.

 

Die Organisation der Koreanischen Chormusik

Der Grund für die bemerkenswerte Entwicklung der koreanischen Chormusik trotz ihrer kurzen Geschichte liegt darin, dass einige erfahrene ältere Dirigenten und Leiter den Geist der Chormusik erfolgreich ergründet haben. Für diese Entwicklung stehen zwei große Pioniere der koreanischen Chormusik: Young-Soo Nah und Hak-Won Yoon.

Der Dirigent Young-Soo Nah hat sich als erster Dirigent des Nationalchores von Korea (NCK) der koreanischen Chormusik verschrieben. Die Aufführungen und Aktivitäten des NCK unter der Leitung von Mr. Nah brachten Komponisten dazu, zahlreiche Chorwerke zu schaffen und so an der Entwicklung eines ursprünglichen Chorrepertoires mitzuwirken. Mehr noch, diese durch den NCK ins Leben gerufene Chorbewegung führte schließlich auch zu der Gründung von Berufschören und motivierte auch die Aufstellung verschiedener Amateurchöre landesweit.

 

Conductor Young-Soo Nah
Conductor Young-Soo Nah

 

Ebenso wurde diese positive Bewegung aktiv fortgesetzt durch den führenden Dirigenten und Komponisten Hak-Won Yoon, seit 1996 Leiter des Incheon City Chores. Dr. Yoon und seine Chöre – der Incheon City Chor, die Seoul Ladies Singers, der Daewoo Chor, der World Vision Kinderchor – führten die zeitgenössische koreanische Chormusik weltweit durch herausragende Aufführungen auf den Bühnen zahlreicher internationaler Veranstaltungen und Wettbewerbe vor, beispielsweise bei dem Internationalen Marktoberdorfer Chorwettbewerb in Deutschland, dem Tolosa Chorwettbewerb in Spanien, dem IFCM Symposium 1999 und der ACDA National Convention 2009.

 

Conductor Hak-Won Yoon
Conductor Hak-Won Yoon

 

Zwei große Chororganisationen haben ebenfalls die Chormusik in Korea vorangebracht: der Koreanische Chorverband (Korean Federation for Choral Music (KFCM), und die Vereinigung der Koreanischen Chorleiter (Korean Choral Directors Associations (KCDA).

 

Der Koreanische Chorverband (KFCM)

Der koreanische Chorverband (KFCM) wurde 1973 gegründet und ist eine Non-Profit-Organisation die sich der Entwicklung und der Verbreitung der Chormusik in Korea verschrieben hat, indem sie ein Forum für Gespräche und Erfahrungsaustausch zwischen den Chormusikern in Korea schafft. Der KFCM hat verschiedenartige Veranstaltungen, Aktivitäten, Seminare, Meisterkurse und Aufführungen für Chormusiker veranstaltet.

Der KFCM ist untergliedert in regionale und funktionale Abteilungen. Es gibt 15 regionale Abteilungen, und die funktionalen Abteilungen beinhalten 9 Gruppen – Grund-, Mittel-, und Oberschule, Kinder-, College-, Erwachsenenchöre, nationale/städtische , Komponisten-, a-capella-Chöre. Der KFCM ermuntert die einzelnen Abteilungen, selbstverantwortlich Aktivitäten wie Seminare oder Aufführungen zu organisieren.

Jedes Jahr führt der KFCM zwei große Veranstaltungen durch. Beim Koreanischen Chorfestival bietet jede Abteilung verschiedene Aufführungen dar. Die teilnehmenden Chöre werden ermutigt, ihren musikalischen Leistungsstand vorzuführen, und ihnen wird eine Gelegenheit zum Lernen und zum gegenseitigen Austausch geboten. Das andere Schlüsselereignis des KFCM ist das Koreanische Chorsymposium. Das ist das älteste, größte und anerkannteste Chorsymposium in Korea, auf dem Vorträge, Seminare und Aufführungen angeboten werden.

Der gegenwärtige Präsident der KFCM, Sang-Kil Lee, leitet städtische Chöre seit 1984, darunter den städtischen Chor in Suwon, Taegu, und kürzlich noch in Anyang. Vor allem hat er den städtischen Chor in Suwon 18 Jahre lang geleitet und diesen Chor dank seiner wundervollen Musikalität und Leitung auf das höchste Niveau gebracht. Als Folge der großen Anerkennung, die dieser Chor unter seiner Leitung gewinnen konnte, wurde er 1997 zu dem 4. IFCM Symposium in Sydney, Australien, und dem Oregon Bach Festival, in Zusammenarbeit mit Maestro Helmuth Rilling, eingeladen. Seit der Übernahme der Chorleitung des städtischen Chors in Anyang im Jahr 2006 durch Herrn Lee hat sich der Klang des Chores in bemerkenswerter Weise verbessert. So wurde der Chor 2008 zum 8. IFCM Symposium in Kopenhagen, Dänemark, eingeladen.

 

Vereinigung der Koreanischen Chordirigenten (Korean Choral Directors Association (KCDA)

Die Vereinigung der koreanischen Chordirigenten wurde 1999 gegründet für die Chordirigenten, die führend auf dem Gebiet der professionellen Chormusik sind. Jährlich veranstaltet die KCDA das glanzvolle Korea Chorus Festival. Bei diesem Festival treten berühmte städtische und außergewöhnlich gute Universitätschöre auf und beeindrucken die Liebhaber der Chormusik mit ihrem farbigen, vielfältigen und großen Chorrepertoire.

Die KDCA leistet einen aktiven Beitrag zur Entwicklung der Chormusik in Korea. Sie verfolgt die Entdeckung und Ausbildung talentierter Dirigenten, erforscht und verbreitet die Chormusik koreanischer Komponisten, erleichtert den Informationsaustausch auf internationaler Ebene zwischen den Dirigenten; hält Seminare zur Chormusik ab und veranstaltet das Korean Choral Festival, etc..

Seit 2009 ist Chun Koo der Präsident der KCDA. Er hat sich einen Namen gemacht als “Dirigent, der die Aufmerksamkeit des Publikums durch hervorragende musikalische Interpretationsfähigkeit bannt” und ist auch zum musikalischen Direktor und Dirigenten der Metropole Ulsan berufen worden. Seit über 10 Jahren leitet er bereits große städtische Chöre als Musikdirektor, und in dieser Zeit hat er seinen großen künstlerischen Erfahrungsraum durch verschiedene Repertoires zum Ausdruck gebracht, von der klassischen bis zur modernen Musik, und so die Essenz der Chormusik mit seiner präzisen Schlagtechnik und exzellenten Interpretationskunst offenbart.

 

10. Welt-Symposium für Chormusik in Seoul, Korea 2014

Der KFCM und die koreanischen Chormusiker freuen sich, die Teilnehmer des 10. Welt-Symposiums für Chormusik vom 6. bis 13. August 2014 nach Seoul, Korea, in Kooperation mit dem IFCM einladen zu dürfen. Es ist ein Privileg, solch ein bedeutendes Chortreffen in Korea ausrichten zu dürfen, und wir freuen uns auf die wunderbaren Chorgruppen und die Chormusikliebhaber aus aller Welt. Wir hoffen, dass dieses außergewöhnliche Ereignis so viele Teilnehmer wie möglich nach Korea bringen wird. Die Auswahl Koreas als Gastgeberland verdanken wir den Bemühungen des Botschafters Dho Young-Shim, Vorstandsmitglied des IFCM und Vorsitzender der UNWTO ST-EP Stiftung mit Sitz in Seoul, deren Ziel die Beseitigung der Armut durch Projekte des nachhaltigen Tourismus ist.

Weil die ST-EP Stiftung Chormusik für ein wirkungsvolles Mittel der Erziehung und Entwicklung hält, unterstützt sie Initiativen des IFCM wie beispielsweise „African Children Sing!“ und „Conductors Without Borders“, die sich an arme Gesellschaften in Entwicklungsländern, besonders in Afrika, richten.

 


[1] Yuseon Lee, The History of Korean Music for Past 100 Years, Seoul: Music Choonchoo, 1985, 211-2.

[2] Mi-Young Choi, The History of Music Curriculum in South Korean Middle Schools, diss., University of Minnesota, 2006, 43-44.

[3] Kim, Eun-Sil, A Study of Arirang and its Influence on Contemporary Korean Choral Works, diss., University of Southern California, 2008, 14.

[4] Kim, Yeon-Sul, A Study of the Development of Korean Choral Music after the 1960s, Taejeon: Choongnam National University Press, 2003, 10-11.

[5] Hyun-Chung Ji, A Performance Practice Guide to Missa Arirang by Cool Jae Huh, diss., University of Minnesota, February 2012, 27-31.

 

E-mail: sangkilc@gmail.com

 

Übersetzt aus dem Englischen von Manuela Meyer, Deutschland

Edited by Sue-Ann Struwe, South Africa

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