Geistliche Musik aus Polen

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Interview mit Paweł Łukaszewski

Karolina Silkina, Chorleiterin und Journalistin

Karolina Silkina: Wie hat Ihre musikalische Laufbahn begonnen? Wann ist es Ihnen klar geworden, dass Musik Ihre Berufung ist?

Paweł Łukaszewski: Meine Familie hat tiefe musikalische Wurzeln. Mein Vater war Komponist und meine Mutter Musikschulleiterin in Częstochowa. Es war selbstverständlich, dass ich an der Musikschule eingeschrieben wurde. Nach dem Abitur entschied ich mich für ein Studium an der Musikakademie in Warschau, und an diesem Punkt hatte ich das Gefühl, Musik und insbesondere Komposition sei zu meiner Berufung geworden. In die Welt der Musik war ich allmählich eingetaucht: Zuerst spielte ich Cello in Kammerformationen und Orchestern, sang in Chören, komponierte und nahm an verschiedenen Wettbewerben und Kursen teil. Musik ist zu meinem Lebensstil geworden.

KS: Einen großen Teil Ihrer Musik machen geistliche Kompositionen aus. Was hat Sie dazu bewegt, diesen Pfad zu betreten?

PŁ: Meine Inspiration war meine Jugend, also die Zeit des Kriegsrechts und der polnischen Gewerkschaft Solidarność, der größten patriotischen Bewegung in Polen. Auch meine Heimatstadt Częstochowa und das Paulinerkloster auf dem Jasna Góra haben mich inspiriert.Ich habe mir zahlreiche Konzerte mit den wunderbaren Werken von Penderecki, Górecki und Kilar angehört und war bei der Pilgerreise von Johannes Paul II. nach Polen mit dabei.Ich habe im Chor der Akademie für Katholische Theologie gesungen, der mehrere Platten aufgenommen und viele geistliche Kompositionen uraufgeführt hat. Auf die Anfrage meiner Mitsänger*innen und des Chorleiters habe ich letztendlich meine ersten Werke komponiert. 

KS: Von welchen Musikern oder Komponisten lassen Sie sich inspirieren und warum?

PŁ: Brahms, Mendelssohn, Faure, Rachmaninoff, Arvo Pärt, John Tavener, Henryk Mikołaj Górecki sind einige der vielen Namen. Ich bewundere ihre Musikalität, die Schönheit und Perfektion ihrer Werke und die Ehrlichkeit ihres kompositorischen Ausdrucks.

Paweł Łukaszewski mit Arvo Pärt bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Fryderyk Chopin Musikuniversität in Warschau, Polen

KS: Auf welches Ihrer eigenen Werke sind Sie am stolzesten? Welches ist Ihre Lieblingskomposition?

PŁ: Ich bin mit mehreren meiner Kompositionen zufrieden, mit Via crucis zum Beispiel oder Symphony No. 3 – Symphony of Angels. Die Welt der Engel hat mich schon immer inspiriert, und im Thema habe ich viel gelesen, beispielsweise von Pseudo-Dionysius Areopagita oder eben apokryphe Schriften, darunter das Buch Henoch und den Katechismus der Katholischen Kirche. Zu diesen Texten habe ich eine Symphonie mit ungewöhnlichen Instrumenten wie etwa chinesischen Klangkugeln und tibetanischen Klangschalen komponiert und das Werk meinem Schutzengel gewidmet. 

KS: Wie würden Sie Ihre Kompositionstechnik beschreiben?

PŁ: Ich benutze keine besondere Technik, sondern gehe von den Traditionen aus, denn ich denke, die Sprache der Musik sollte allen zugänglich sein. Reduktionismus ist ein Mittel, zu dem ich gerne greife: Klang und Rhythmus werden reduziert, um Text und Musik harmonisch miteinander zu kombinieren. Man soll aber nicht vergessen, dass jeder Komponist anders ist. Ich persönlich bin der Meinung, dass Tonalität nach wie vor viel anzubieten hat, und genau deswegen nenne ich diese Technik erneuerte Tonalität.

KS: Wie gehen Sie beim Komponieren generell vor?

PŁ: Ich stehe sehr früh auf und kann in jeder beliebigen Situation komponieren. Als Erstes suche ich die richtige Form für die Komposition aus, danach kommen die richtigen Töne, Akkorde, Harmonien. Ich brauche immer viel Zeit, manchmal sogar mehrere Monate, bis ich die passenden Texte gefunden habe. 

KS: Wie hängen in Ihrer Musik Text und Melodie bzw. Harmonie miteinander zusammen? Wie wichtig ist der Text beim Komponieren?

PŁ: Jedes Wort sollte durch den richtigen Klang illustriert und beschrieben werden. Ich behandele den Text mit großem Respekt. Es ist jedoch eine ewige Suche… 

KS: Wie zugänglich sollte Musik sein? Soll man sie gleich beim ersten Hören verstehen können?

PŁ: Es kommt darauf an. Einerseits muss man sich eine Komposition mehrmals anhören, um sie und ihre Botschaft wirklich zu begreifen. Andererseits kann gleich der allererste Ton eines Werks einen tiefen Eindruck hinterlassen. Es ist sehr wichtig, dass die Musik die Zuhörer berührt.

KS: Wie kommuniziert der Komponist durch seine Werke?

PŁ: Musik ist eine Sprache, deren Klänge vom Komponisten benutzt werden, um mit den Zuhörern zu kommunizieren. Diese Kommunikation geht auf mehreren Ebenen vonstatten: Manchmal bleibt sie auf der Oberfläche, manchmal wird sie tiefer, doch ziemlich einfach, oder sie geschieht auf eine versteckte, geheime Art und Weise. 

KS: Für wen komponieren Sie?

PŁ: Ich verfasse Musikstücke für mich selbst, meine Freunde und Familie, viele meiner Kompositionen sind aber eine Kontaktmöglichkeit mit Gott. Immer wieder bekomme ich auch Aufträge von unterschiedlichen Institutionen und Ensembles in und außerhalb Polens. 

KS: Sie sind auch Dirigent. Wie beeinflusst diese Tätigkeit Ihren kompositorischen Stil?

PŁ: Dirigieren ist sehr wichtig für mich. Ich leite den Chor der Kathedrale des Heiligen Erzengels Michael und des Heiligen Märtyrers Florian in Warschau, was meine Komposition nicht direkt beeinflusst, mit der technischen Seite jedoch sehr wohl verbunden ist: mit der Metrik und dem Tempo, dem Fluss und Verständnis der Zeit.

KS: Wie fühlt es sich an, Ihr eigenes Werk als Dirigent aufzuführen?

PŁ: Es geschieht nicht allzu oft, was mir eigentlich auch recht ist. Ich kenne meine Werke sehr gut und bin mit den Musikern eher ungeduldig.

KS: Wie würden Sie die Beziehung zwischen Komponisten und Dirigenten bei der Konzertvorbereitung beschreiben?

PŁ: Beide Rollen sind sehr wichtig, sie ergänzen sich gegenseitig. Ein guter Dirigent und ein gutes Ensemble sind der Schlüssel zum Erfolg des Komponisten. Vor Uraufführungen nehme ich immer an den Proben teil und habe ein offenes Ohr für die Vorschläge des Dirigenten, der hoffentlich auch meine Absichten versteht.

 KS: Sie unterrichten auch. Welchen Ratschlag würden Sie als Lehrer jungen Komponisten geben?

PŁ: Als Allererstes wünsche ich ihnen gutes Durchhaltevermögen für ihre Ziele. Sie sollten Musik vor allem in sich selbst finden und ihre kreativen Ambitionen nicht aufgeben. 

KS: Fühlen Sie beim Komponieren eine Art Verantwortung für die Chormusik?

PŁ: Nach all dem Erfolg, den meine Musik geerntet hat, ist es vielleicht keine Zumutung zu behaupten, dass ich mich mit Chormusik auskenne und mich in dieser Welt einordnen kann. Ich glaube, dass meine Chorwerke künftig so oft wie heute aufgeführt und aufgenommen werden. Ich bemühe mich nicht besonders viel um Aufführungen, dennoch gibt es in unterschiedlichen Ecken der Welt immer wieder welche.

KS: Haben Sie ein Lebensmotto?

PŁ: Ich möchte, dass meine Musik die Menschen zum Nachdenken anregt, und ihnen durch die Verlangsamung des Lebens dabei hilft, sich zu konzentrieren und zu vertiefen. Meine Kompositionen spiegeln meine Persönlichkeit und meinen Lebensweg wider – auch Boethius setzte sich für Musica humana und nicht Musica vulgaris ein. Wenn ich solche Musik komponiere, kann ich vielleicht die Wahrheit vermitteln. 

KS: Wie sehen Sie sich in 10 Jahren?

PŁ: Hoffentlich werde ich viele neue Musikstücke verfassen können, vielleicht auch Opern. Allerdings hoffe ich, dass ich mehr Zeit haben werde als jetzt. Dabei möchte ich Chorleitung und Lehre keinesfalls aufgeben.

Paweł Łukaszewski Biography

 

Paweł Łukaszewski (geboren 1968 in Częstochowa, Polen) gehört zur jüngeren Generation polnischer Komponisten geistlicher Chormusik. Er studierte Komposition bei Marian Borkowski an der Fryderyk-Chopin-Musikuniversität in Warschau. Er promovierte 2000 und habilitierte 2007. Seine Werke sind in den verschiedensten Ecken der Welt aufgeführt worden: Großbritannien, Weißrussland, Belgien, der Tschechischen Republik, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Island, Italien, Litauen, Luxemburg, Malta, Moldawien, Monaco, Polen, Rumänien, der Schweiz, der Ukraine, dem Vatikan, Argentinien, Chile, China, Israel, Kuba, Kanada, Südkorea, Peru, Uruguay und den Vereinigten Staaten. Eine Auswahl seiner Auszeichnungen und Preise:

  • erster Platz beim Kompositionswettbewerb der Fryderyk-Chopin-Musikuniversität für Arrampicata,
  • zweiter Platz beim Forum Junger Komponisten in Krakau für Winterreise,
  • Auszeichnung des Bürgermeisters von Częstochowa für sein Œuvre,
  • zweiter Platz beim Adam-Didur-Wettbewerb in Sanok für Recordationes de Christo moriendo,
  • zweiter Platz beim Wettbewerb Florilege Vocal de Tours in Frankreich für Two Lent Motets,
  • zwei dritte Plätze beim Wettbewerb Pro Arte in Breslau für Church Songs,
  • Orden Polonia Restituta, Kategorie: Ritter,
  • Gloria-Artis-Bronzemedaille,
  • Fryderyk-Musikpreis (2007, 2012, 2013, 2015, 2016, 2017).

Łukaszewski hat an mehreren Universitäten Komposition gelehrt, darunter an der Fryderyk-Chopin-Musikuniversität in Warschau und der Päpstlichen Katholischen Universität von Chile in Santiago, der Päpstlichen Katholischen Universität von Valparaíso, der Universität von Chile in Santiago sowie der Playa-Ancha-Universität in Valparaíso. Als aktiver Dirigent ist er auch Künstlerischer Leiter und Chorleiter des Warschauer Chores Musica Sacra. Mit seinen Werken sind mittlerweile mehr als 150 CDs herausgegeben worden. E-Mail: lukaszewski@chopin.edu.pl

Karolina Silkina begann ihr großes musikalisches Abenteuer in ihrer Heimatstadt Grodno in Weißrussland, wo sie Klavier spielte, im Chor sang und bei zahlreichen Konzerten und Wettbewerben mitwirkte. Zurzeit studiert sie Public Relations und Media Marketing an der Universität Warschau und befasst sich hauptsächlich mit PR, visuellem Marketing, Kommunikation und Veranstaltungsmarketing. Sie ist auch Studentin des Studiengangs Chor- und Orchesterdirigieren der Fryderyk-Chopin-Musikuniversität sowie Gründerin und Leiterin des Chors des Lehrstuhls für Journalistik der Universität Warschau. Sie singt Sopran im Fryderyk-Chopin-Kammerchor und dem Chor der Universität Warschau. E-Mail: caroline.silkina@gmail.com

 

Übersetzt aus dem Englischen von Katalin Rácz, Ungarn

 

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