Von Agastya Rama Listya, Chordirigentin
Vorwort
Als Mitglieder der IFCM wurde es 2 Musikern aus verschiedenen Erdteilen, einander vollkommen fremd, ermöglicht, in einem gemeinsamen Konzertprojekt zusammenzuarbeiten. Leider musste der Autor des Artikels seinen ursprünglichen Plan fallen lassen, da er als Doktorand in Musikethnologie an der Otago Universität in Neuseeland weiterstudierte.
Das Projekt begann, als Ulrich Krämer aus Deutschland plante, seine Sommerferien 2012 in Indonesien zu verbringen und deshalb mit vier indonesischen IFCM-Mitgliedern, einschließlich des Autors, Kontakt aufnahm. Am 28. August 2012 trafen wir uns in Salatiga/Zentral-Java und diskutierten einige Ideen für eine Zusammenarbeit in 2014. Bei diesem Treffen ergab sich schon ein gemeinsames Konzert mit einigen bekannten Weihnachtsliedern, darunter auch ein klassisches deutsches Weihnachtslied für Chor. Anfang 2014 mailte mir Ulrich und schlug das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach vor. Wir wählten dieses groß angelegte chorsinfonische Werk aus 3 Gründen: 1. Das Thema passte zur Weihnachtszeit; 2. Es ist nicht zu schwierig und trotzdem interessant; 3. Es beinhaltet mehrere Kantaten, aus denen Teile ausgewählt und auch separat aufgeführt werden können. Damals entschieden wir uns auch für den Chor und das Orchester der Christlichen Universität Satya Wacana.
Dieser Artikel hat zum Ziel, ein Gemeinschaftsprojekt und seine Vorzüge sowie ein Vorzeigeprojekt zu beschreiben, von denen andere IFCM-Mitglieder auch profitieren können. Außerdem soll er auch interkulturelle Beziehungen und gegenseitiges Verständnis speziell für die Entwicklung von Chören fördern.
Das Weihnachtsoratorium
Es ist nicht ganz einfach, mit kulturellen Unterschieden umzugehen. So waren z.B. die selbständige Vorbereitung, Eigeninitiative, Disziplin und der persönliche Einsatz kulturelle Barrieren, die die Probenarbeit erschwerten. Während der ersten 2 Probenwochen (Mitte November 2014) bemerkte Ulrich, dass einige wichtige Angaben bezüglich Bogenführung nicht in die Noten der Streicher eingetragen waren. Bei anderen Gelegenheiten hatte Ulrich mit zwei grundlegenden Problemen zu kämpfen: erstens der Langsamkeit und zweitens dem Mangel an Verantwortungsbewusstsein vonseiten der Sänger und Orchestermusiker. Jedoch lernten alle allmählich, sich aneinander anzupassen. Der Lernprozess half allen Beteiligten schließlich, an den kulturellen Unterschieden ihren Spaß zu haben, und dadurch klappten die Proben auch besser.
Das Konzert wurde in drei Kirchen in verschiedenen Städten aufgeführt. Das erste fand in Gereja Bethel Indonesien, der Indonesischen Bethel Kirche, in Hasanudin, Salatiga, am 4. Dezember 2014 statt, das nächste war in der Christuskirche Gereja Isa Almasih in Pringgading, Semarang, am 5. Dezember 2014 und das letzte in der Protestantischen Kirche Westindonesiens Gereja Protestan Indonesia Bagian Barat in Jakarta am 9. Dezember 2014. Die ersten beiden Konzertorte waren im Landesinneren bzw. in Zentral-Java, während der letzte in der Hauptstadt Indonesiens lag. Das Konzert wurde von 40 Chorsängern, 4 Solisten und 30 Orchestermusikern aufgeführt und überall vom Publikum begeistert aufgenommen.
Beim ersten Konzert war das größte Problem die Akustik der Kirche. Ulrich äußerte dazu, dass er den Chor während des ganzen Konzertes nicht hören konnte. Außerdem waren die Sänger zu sehr in ihren Noten vertieft, weil es ihr erstes Konzert war. Das zweite Konzert in Semarang lief schon viel besser. Jedoch wurde es von starken Regenfällen übertönt, weil das Kirchengebäude nicht isoliert war – was als ziemlich störend empfunden wurde. Die letzte Aufführung in Jakarta war am erfolgreichsten. Obwohl die Kirche (eingeweiht am 24. August 1839) nicht über genügend Air-condition verfügte, hatte sie die beste Akustik von allen. Die Kirche, welche 300 Zuhörer fasste, war bis auf den letzten Platz besetzt.. Das Publikum kam aus der Umgebung und von der Deutschen Botschaft. Obwohl Ulrich, der Chor und das Orchester die Hitze spürten, führten sie das 1½- stündige Konzert erfolgreich auf. Die Zuhörer hatten ihre Freude daran. Einer der Erfolgsfaktoren dieses Abendkonzertes war die erstklassige Darbietung der Solisten Jollies Dicky Firman (Tenor), Elvira Hoesein Radia (Mezzosopran), Eriyani Tenga Lunga (Sopran), and Felix Avianto (Bass). Das Publikum beglückwünschte die Aufführenden mit langen “standing ovations” am Ende der Konzertreihe.
Der Musikfachbereich Satya Wacana, besonders sein Chor und Orchester, haben dabei in mindestens dreierlei Hinsicht profitiert: Sie bekamen die Gelegenheit, ein großes Barockwerk aus erster Hand einzustudieren und aufzuführen, die deutsche Aussprache und Diktion zu lernen und zu guter Letzt Disziplin zu üben. Auch der Dekan der Satya Wacana Fakultät für darstellende Künste drückte seine Dankbarkeit aus und hoffte, dass solche Projekte in Zukunft öfter realisiert werden können. Die Aufführung des Satya Wacana Musikfachbereichs unter der Leitung von Ulrich Krämer ist auch zu hören auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=oKX9XpVrGvw
Gelegenheiten zur Zusammenarbeit unter IFCM-Mitgliedern
Dieses Gemeinschaftsprojekt ist nur ein Beispiel von positiver Zusammenarbeit, die unter IFCM-Mitgliedern realisiert werden könnte. Ulrich Krämer und dem Musiklehrstuhl Satya Wacana war es zudem gelungen, Unterstützung vom Carus Verlag und der Deutschen Botschaft in Indonesien zu erhalten. Es gibt viele andere Gelegenheiten zur Zusammenarbeit auch in der Zukunft, zum Beispiel gemeinsame Workshops oder Seminare, Meisterkurse in Gesang oder Chordirigieren und Chormusikerziehung in Grund- und weiterführenden Schulen oder Universitäten. Man könnte auch gemeinsam komponieren, Forschung betreiben oder publizieren. Einerseits könnte der gastgebende Musiker die Unterkunft für den Gastmusiker stellen sowie die Veranstaltung planen, vorbereiten und durchführen. Andererseits kann der Gastmusiker Sponsoren für seine Reise sowie für seine Papiere organisieren. Solche Kooperationen sollten öfters zwischen IFCM-Mitgliedern durchgeführt werden, weil so der bürokratische Aufwand geringer gehalten werden kann und die Initiative in vielerlei Hinsicht natürlicher und persönlicher ist. Die IFCM als Institution könnte den Mitgliedern mit Empfehlungen und Vorschlägen zur Seite stehen, um die Veranstaltung zu organisieren und Sponsoren zu finden. Der Verband könnte sie mit Lehrmaterial und möglicherweise auch Notenmaterial unterstützen.
Ulrich Krämer erhielt seine musikalische Ausbildung am Konservatorium in Heidelberg-Mannheim. Dort studierte er Chorleitung bei Johannes Uhle und Frieder Bernius sowie Orchesterleitung bei Peter Braschkat. Er ist Gründer und Leiter des Jugendchores Rhythm and Joy, des Männerchores EFG-Singers und des Projektchores und -orchesters am Evangelischen Firstwald-Gymnasium in Mössingen.
Agastya Rama Listya absolvierte seinen Bachelor in Musiktheorie und Komposition am Indonesischen Institut der Künste in Yokyakarta, seinen Master in geistlicher Musik und Chordirigieren am Lutheranischen Seminar und dem St. Olaf College, Minnesota (USA). Inzwischen ist er Doktorand in Musikethnologie an der Otago Universität in Neuseeland. Agastya gründete und leitet das Vokalensemble Lentera Kasih und das Satya Wacana Vocal Consort.. Neben seiner Tätigkeit als Chordirigent ist Agastya Komponist für geistliche Chormusik. Email: agastya123@yahoo.com
Übersetzt aus dem Englischen von Barbara Schreyer, Deutschland